# taz.de -- Völkermordverfahren gegen Myanmar: Späte Gerechtigkeit für Rohin… | |
> Der Internationale Gerichtshof zwingt Myanmar zu Sofortmaßnahmen zum | |
> Schutz der Rohingya. Ob es sich um Völkermord handelt, bleibt unklar. | |
Bild: Glücklich: Yasmin Ullah, eine Vertreterin der Rohingya, vor dem Gerichts… | |
YANGON taz | Das Urteil war noch gar nicht verkündet, da sprach die | |
UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar, Yanghee Lee, | |
schon von einem „historischen Tag“. Zum ersten Mal erfuhr eine von Myanmars | |
seit Jahrzehnten verfolgte Minderheit so etwas wie Gerechtigkeit. Der | |
Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag verpflichtete Myanmar am | |
Donnerstag zu Sofortmaßnahmen, um die Rohingya vor Völkermord zu schützen. | |
Das Gericht sei der Ansicht, dass die Rohingya in Myanmar „weiter extrem | |
gefährdet sind“, sagte der vorsitzende Richter Abdulqawi Ahmed Yusuf. | |
Myanmar muss dem höchsten UN-Gericht in vier Monaten und danach | |
halbjährlich in einem Bericht Rechenschaft ablegen. | |
Die Rohingya werden in Myanmar [1][seit Jahrzehnten verfolgt]. Die | |
Regierungen der ehemaligen Militärdiktatur entzogen der muslimischen | |
Minderheit nach und nach ihre Staatsbürgerschaft. Eine besonders brutale | |
Militäroperation vor drei Jahren setzte einen Exodus in Gang, bei dem | |
innerhalb weniger Wochen mehr als 700.000 Menschen aus dem Westen des | |
Landes ins benachbarte Bangladesch flohen. | |
Das afrikanische Gambia hat den Fall im Namen der Organisation für | |
islamische Zusammenarbeit vor Gericht gebracht. Bis der IGH zu einem Urteil | |
darüber kommt, ob es sich um Völkermord handelt oder nicht, könnten Jahre | |
vergehen. | |
## UN-Sicherheitsrat muss Urteil durchsetzen | |
Der Internationale Gerichtshof hat außerdem keine unmittelbaren | |
Machtbefugnisse, seine Beschlüsse durchzusetzen. Das Urteil kann nur mit | |
Druck aus dem UN-Sicherheitsrat durchgesetzt werden – einem Gremium, in dem | |
Myanmars Verbündeter China ein Vetorecht besitzt. Im Rahmen eines Besuchs | |
am Wochenende vor der Urteilsverkündung betonte der chinesische Staatschef | |
Xi Jinping, Myanmar dabei unterstützen zu wollen, „seine Interessen und | |
nationale Würde zu schützen“. | |
In einer beispiellosen Solidaritätsbekundung für die Rohingya sprachen mehr | |
als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen in Myanmar dem Weltgericht am | |
Donnerstag ihre Unterstützung aus. „Wir begrüßen und akzeptieren die | |
internationale Rechtsprechung und glauben, dass so alle Menschen in Myanmar | |
beschützt und in ihrem Streben nach Demokratie und Gerechtigkeit | |
unterstützt werden können.“ | |
„Der heutige Tag bringt endlich Hoffnung für so viele Rohingya, die sich | |
von der Welt im Stich gelassen fühlen. Myanmar wird endlich verstehen, dass | |
es mit seinen Verbrechen gegen die Minderheit nicht mehr durchkommt“, sagte | |
Kyaw Win, Direktor des in Großbritannien ansässigen Burma Human Rights | |
Network. | |
## Die Regierung bestreitet jeglichen Völkermord | |
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die seit 2016 als Staatsrätin | |
Myanmars Regierung vorsteht, hat [2][die Völkermord-Vorwürfe | |
zurückgewiesen]. Das Vorgehen ihres Militärs sei eine tragische Reaktion | |
auf Angriffe aufständischer Rohingya. | |
In einem am Tag des Urteils veröffentlichten Zeitungsbeitrag in der | |
[3][Financial Times] bezichtigt sie Flüchtlinge, ihre Aussagen aufgebauscht | |
zu haben und behauptet, Menschenrechtsgruppen hätten unsauber gearbeitet. | |
Sie bat die internationale Gemeinschaft um mehr Zeit, innerhalb von Myanmar | |
für Gerechtigkeit zu sorgen. | |
Kritiker halten das für eine Farce. „Myanmar hat mehrfach bewiesen, dass es | |
dazu nicht im Stande ist“, sagt Sam Zarifi, Generalsekretär der | |
International Commission of Jurists in Yangon. Mehrere Soldaten, die wegen | |
Mordes an zehn Rohingya-Männern verurteilt worden waren, verbrachten | |
weniger Zeit im Gefängnis als die beiden Reporter der Nachrichtenagentur | |
Reuters, die das Massaker aufgedeckt hatten. | |
Die Regierung beauftragte eine eigene Untersuchungskommission die | |
Völkermord-Vorwürfe zu untersuchen. Die Ergebnisse von deren Bericht wurden | |
Anfang der Woche veröffentlicht. Zwar hätten demnach einzelne Soldaten | |
Kriegsverbrechen begangen, um einen Völkermord handele es sich allerdings | |
nicht. | |
„Die Tötung unschuldiger Dorfbewohner und die Zerstörung ihrer Häuser | |
erfolgte durch einige Mitglieder der myanmarischen Sicherheitskräfte, indem | |
im Zuge des bewaffneten internen Konflikts unverhältnismäßig Gewalt | |
angewendet wurde“, teilte die Kommission mit. Der Bericht selbst wird unter | |
Verschluss gehalten. | |
In den überfüllten Flüchtlingslagern in Bangladesch, wo mehr als eine | |
Million Rohingya ausharren, konnten die Menschen die Liveübertragung aus | |
dem Gerichtssaal in Den Haag nur mit Mühe verfolgen. Die Behörden | |
beschränken dort seit mehreren Monaten den Zugang zum mobilen Internet. | |
„Wir waren die ganze Nacht wach und haben gebetet für eine positive | |
Nachricht“, sagt Yassin, ein junger Rohingya, der im Camp lebt. | |
23 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gewalt-der-Militaers-in-Myanmar/!5625425 | |
[2] /Voelkermordvorwurf-gegen-Myanmar/!5649369 | |
[3] https://www.ft.com/content/dcc9bee6-3d03-11ea-b84f-a62c46f39bc2 | |
## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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