# taz.de -- Rettungsschiff darf wieder fahren: Leinen los für die Sea-Watch | |
> Sechs Monate lang wurde das Flüchtlingsboot in Italien festgesetzt. Zu | |
> Unrecht, entschied nun ein Gericht. Die Crew will schnell zurück auf See. | |
Bild: Die Sea-Watch 3 darf wieder nach Flüchtlinge im Mittelmeer Ausschau halt… | |
BERLIN taz | 174 Tage lag es an der Kette, seit Donnerstag ist es wieder | |
frei: Das Seenot-Rettungsschiff Sea-Watch 3. Die NGO hatte gegen die | |
Beschlagnahmung des Schiffes durch die italienischen Behörden Ende Juni | |
diesen Jahres geklagt. Jetzt entschied ein Gericht: Für die Festsetzung des | |
Schiffes gab es keine rechtliche Grundlage. | |
Der Sea-Watch-Vorsitzende Johannes Bayer sagte, die Blockade sei | |
ausschließlich politisch motiviert gewesen. „Wir freuen uns darauf, | |
Italiens Häfen ohne weitere Komplikationen zu verlassen und möglicherweise | |
auch wieder zu ihnen zurückzukehren.“ Die NGO wolle das Schiff nun so | |
schnell wie möglich in das Such- und Rettungsgebiet nördlich der libyschen | |
Küste fahren lassen. | |
Der im August aus dem Amt geschiedene Lega-Innenminister Matteo Salvini | |
hatte den Seenotrettern den Kampf angesagt: Schon am 20. Mai hatte er die | |
damals unter niederländischer Flagge fahrende Sea-Watch 3 beschlagnahmen | |
lassen. Da hatte diese gerade 65 Menschen vor der Küste Libyens aus Seenot | |
gerettet und nach Italien gebracht. Doch weil die Justiz auch damals kein | |
gesetzwidriges Handeln erkennen konnte, kam das Schiff am 1. Juni wieder | |
frei. | |
In den folgenden Wochen rettete die Besatzung des Schiffs weitere 43 | |
Menschen, die erneut wochenlang auf dem Meer ausharren mussten. Italien und | |
Malta lehnten kategorisch ab, das Schiff einfahren zu lassen. Die Lage | |
spitzte sich zu, auch durch medizinische Notfälle an Bord. „Wir hatten | |
schon die ganze Zeit die Situation, dass Menschen über Bord springen | |
wollten,“ sagte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer damals. | |
Die NGO rief in einem Eilantrag den Europäischen Gerichtshof für | |
Menschenrechte an. Doch der entschied, die Situation an Bord des Schiffes | |
rechtfertige keinen Zwang gegen Italien. | |
## Rackete gegen Salvini | |
Am 29. Juni [1][steuerte die Kapitänin Carola Rackete] dann das Schiff in | |
den Hafen von Lampedusa – gegen den ausdrücklichen Willen Salvinis. Die NGO | |
twitterte damals, sie habe „vor fast 60 Stunden“ den Notstand ausgerufen. | |
„Niemand hörte uns zu. Niemand übernahm Verantwortung. Einmal mehr ist es | |
an uns, (…), die 40 Geretteten in Sicherheit zu bringen.“ | |
Neben den 53 Schiffbrüchigen waren 22 Besatzungsmitglieder und mehrere | |
italienische Abgeordnete auf dem Schiff. Vier Länder – Deutschland, | |
Portugal, Frankreich und Luxemburg – hatten sich bereit erklärt, die | |
Menschen von dem Schiff aufzunehmen. | |
Rackete wurde von der Polizei [2][nach dem Anlegen festgenommen], die | |
italienische Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen sie ein. | |
[3][Vorgeworfen wurden ihr] unter anderem Beihilfe zur illegalen | |
Einwanderung und Verletzung des Seerechts. Kurz darauf [4][kam sie jedoch | |
frei], am 19. Juli verließ sie Italien und kehrte zurück nach Deutschland. | |
Das Schiff allerdings blieb festgesetzt im Hafen von Licata auf Sizilien – | |
auch nach dem Ausscheiden der Lega aus der Regierung. | |
## Unter neuer Flagge | |
Anfang Dezember registrierte die NGO die Sea-Watch 3 dann unter deutscher | |
Flagge. „Der bisherige Flaggenstaat hat uns soweit eingeschränkt, dass | |
Rettungsaktionen fast unmöglich geworden sind“, sagte ein Sprecher. Er | |
hoffe, dass die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden besser | |
funktioniere als mit den Niederlanden. | |
Das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft | |
hatte dem Schiff im April deutlich strengere Sicherheitsbestimmungen für | |
die Seenotrettung im Mittelmeer auferlegt. Nach zwei Klagen erhielt die | |
Organisation bis zum Jahresende Zeit für die Aufrüstung. „Mit Blick auf die | |
Frist haben wir uns für den Wechsel entschieden“, so der Sprecher weiter. | |
Jetzt soll die Sea-Watch 3 ihre Einsätze wieder aufnehmen. | |
In diesem Jahr sind bisher 1.246 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Erst am | |
Montag war vor der Küste von Nador in Marokko ein Schiff mit etwa 90 | |
Menschen in Seenot geraten, 7 starben, 20 blieben vermisst. | |
19 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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