| # taz.de -- Der Iran und die US-Außenpolitik: Kein Grund aufzuatmen | |
| > Trump will die Welt sich selbst überlassen und strebt gleichzeitig nach | |
| > Dominanz. Er sollte sich entscheiden – zum Wohl der Menschheit. | |
| Bild: Sucht wohl schon die nächste Muskelprobe: Donald Trump | |
| Die US-Außenpolitik, zerrissen zwischen der Sehnsucht nach alter imperialer | |
| Größe und trotzigem Isolationismus, hat mit der Tötung Quasim Soleimanis | |
| gerade alle Gewissheiten der vergangenen 15 Jahre US-Nahostpoltik | |
| hinweggefegt. Ein neuer Krieg, wie er vielerorts als Horrorszenario | |
| beschworen wurde, ist zwar nicht eingetreten. Allgemeines Aufatmen bestimmt | |
| am Ende dieser Krisenwoche vielmehr die weltpolitische Stimmungslage. Ein | |
| toter General und ein symbolischer Raketenregen auf eine zuvor gewarnte | |
| Basis mit US-Soldaten, das erscheint nicht wie eine politische Katastrophe. | |
| Dennoch wäre es naiv anzunehmen, dass damit schon alles ausgestanden sei. | |
| Die iranische Führung hat bei den Trauerfeierlichkeiten für den getöteten | |
| General den Teufel Amerika heraufbeschworen wie lange nicht. Mit [1][Quasim | |
| Soleimani] hat Amerika einen strahlenden Märtyrer für die religiöse | |
| Diktatur in Teheran erschaffen. Aus ihm wird höchstwahrscheinlich eine | |
| ganze Generation neuer Kämpfer erwachsen. Anschläge im Namen des Generals | |
| sind absehbar. | |
| In der Person Trump bündeln sich die beiden Sehnsüchte der US-Amerikaner. | |
| Auf der einen Seite das traditionelle Streben nach einer globalen Dominanz. | |
| In der Rolle als Weltpolizist lässt Amerika die Muskeln spielen, droht mit | |
| seinem enormen Militärapparat und sanktioniert mit seiner überbordenden | |
| wirtschaftlichen Macht. Diese Politik verkörperte die Regierung von Trumps | |
| Vorvorgänger George W. Bush. | |
| Auf der anderen Seite steht der Wunsch, endlich den Rest der Welt mit | |
| seinen Problemen sich selbst zu überlassen. Diese Politik des | |
| „Retrenchments“, des maßvollen Rückzugs, war der außenpolitische Kern der | |
| Politik von Trumps Vorgänger Barack Obama. | |
| Angetreten ist Trump als überzeugter Isolationist. Seine Politik des | |
| „America first“ zielt auf die einseitige Bevorteilung US-amerikanischer | |
| Unternehmen ab. Rabiat kündigt Trump dafür geltende internationale Verträge | |
| auf. Und weltweit sollen amerikanische Soldaten nach Hause geholt werden. | |
| Die Nato? Obsolet. Syrien? Bloß raus da. Die Ukraine? Sollen sich doch die | |
| Europäer mit rumschlagen. | |
| Allein, die Welt macht es Trump nicht so leicht, dem Isolationisten in sich | |
| treu zu bleiben – und da scheint zugleich diese diabolische Lust in ihm zu | |
| lodern, jeden Konflikt auf die Frage zu reduzieren, wer der Stärkere ist. | |
| Vieles spricht dafür, dass dieses impulsive Verlangen nach Stärke auch den | |
| Ausschlag gab, Soleimani zu töten. | |
| Nach einer Reihe von Provokationen durch Teheran hatten die Militärs Trump | |
| verschiedene Eskalationsszenarien vorgelegt. Er entschied sich für maximale | |
| Härte. In jenem Moment, als er von Florida aus den Einsatzbefehl gab, | |
| siegte der Interventionist über den Isolationisten. | |
| Man darf bezweifeln, dass eine reine Strategie der Härte zur Befriedung der | |
| Region beiträgt. Aber noch schlimmer ist eine Politik, die [2][alles und | |
| nichts zugleich tut], die tötet (im Fall Irans) und sich zurückzieht (aus | |
| dem Kampf gegen den IS), die signalisiert, dass Amerika sich keinen Deut um | |
| die Region mehr schert und zugleich völlig unberechenbar interveniert. | |
| ## Bremse und Gas gleichzeitig | |
| Bremse und Gas gleichzeitig zu betätigen, führt beim Autofahren im | |
| schlimmsten Ausgang zum Unfall. Der schlimmste Fall muss nicht immer | |
| eintreten, genauso wenig wie ein großer Krieg. Konsistentes Fahrverhalten | |
| sieht aber anders aus. | |
| Iran konnte [3][erst zur Regionalmacht] aufsteigen, weil sich die USA Stück | |
| für Stück zurückgezogen haben. Trump hat sich vor Soleimani wenig für die | |
| Region interessiert und daran wird sich kaum etwas ändern. Die Folgen der | |
| Exekution werden den Nahen Osten aber noch lange beschäftigen, auch dann | |
| noch, wenn der US-Präsident längst zu seiner nächsten Muskelprobe | |
| weitergezogen ist. In einer Weltregion in der es keine guten Optionen gibt, | |
| ist die Mischung aus Vakuum und Hyperintervention die denkbar schlechteste. | |
| 12 Jan 2020 | |
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| Barbara Junge | |
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