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# taz.de -- Umstrittene Comedy-Serie in Brasilien: Heiland bleibt homosexuell
> Nach einem neuen Urteil darf eine Netflix-Satire mit einem schwulen Jesus
> in Brasilien nun weiter gezeigt werden. Ein Rückschlag für die Rechten.
Bild: Ausschnitt aus der Weihnachtssatire von 2018 des Kollektivs Porta dos Fun…
Es ist ein Sieg der Meinungsfreiheit: Eine umstrittene Netflix-Comedy über
Jesus Christus, in der der Heiland als Homosexueller auftaucht, darf wieder
gezeigt werden. Dies entschied das Oberste Gericht am Donnerstagabend in
Rio de Janeiro und hob damit das vorherige Urteil eines Bundesrichters auf.
Der satirische Film [1][„A Primeira Tentação de Cristo“] („Die erste
Versuchung Christi“) hatte einen Skandal im größten Land Lateinamerikas
auslöst, weil Jesus dort als schwul dargestellt wird und Politiker*innen
und Geistliche im Stil der britischen Comedy-Truppe [2][Monty Python]
verspottet werden.
Das Urteil in der vorherigen Instanz hatte weltweit für Entsetzen gesorgt:
Richter Benedicto Abicair aus Rio de Janeiro hatte am Mittwochabend
entschieden, dass Netflix das Weihnachtsspezial der in Brasilien berühmten
Comedy-Gruppe [3][„Porta dos Fundos“] von seiner Plattform entfernen muss.
Von seinem Urteil, so der Bundesrichter, werde nicht nur für die
christliche Gemeinschaft, sondern die gesamte brasilianische Gesellschaft
profitieren. Er gab damit dem Antrag der katholischen Vereinigung Centro
Dom Bosco auf eine einstweilige Verfügung statt. Diese hatte erklärt, dass
Film die „Ehre und Würde von Millionen Katholiken“ verletzen würde.
Fundamentalistische Christ*innen hatten seit der Ausstrahlung Stimmung
gegen die Parodie gemacht und eine Petition gegen den Film gestartet.
Innerhalb kurzer Zeit sammelten sie mehr als eine Millionen Unterschriften.
Mehr noch: Am 24. Dezember attackierte ein Mitglied der faschistischen
Integralisten-Bewegung die Produktionsfirma der Sendung in Rio de Janeiro
mit Molotov-Cocktails. Ohne das Eingreifen eines Sicherheitsmannes hätte
das ganze Gebäude Feuer fangen und Menschen sterben können. Der flüchtige
Täter hat sich mittlerweile nach Russland abgesetzt.
Für viele war das erste Urteil deshalb vor allem eins: ein Einknicken vor
dem rechten Mob. Älteren Brasilianer*innen mögen böse Erinnerungen [4][an
die Militärdiktatur] gekommen sein, als der Kunst- und Kulturbetrieb der
staatlichen Zensur unterworfen und die freie Meinungsäußerung massiv
eingeschränkt war. Zudem wurden Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters
laut. Dieser hatte 2011 den damaligen Bundesabgeordneten und heutigen
Präsidenten Jair Bolsonaro nach homophoben und rassistischen Kommentaren in
einer Fernsehsendung freigesprochen.
Der Gerichtsvorsitzende des Obersten Gerichts, José António Dias Toffoli,
annulierte das Urteil nun mit der Begründung, eine Filmkomödie sei nicht in
der Lage, „die christlichen Werte zu schwächen, deren Existenz mehr als
2000 Jahre zurückreicht“. Durch die Verbreitung des Films werde nicht der
Respekt für den christlichen Glauben missachtet.
Der Präsident der Brasilianischen Bundesanwaltkammer OAB, Felipe Santa
Cruz, dürfte sich mit der jüngsten Entscheidung bestätigt sehen. „Die
brasilianische Verfassung garantiert neben den fundamentalen Rechten und
Garantien, die freie intellektuelle, künstlerische und wissenschaftliche
Äußerung ohne Zensur und Einschränkungen“, sagte Cruz der taz. „Jede Form
der Zensur oder Bedrohung dieser schwer erkämpften Freiheiten bedeuten
einen Rückschritt und dürfen nicht von der Gesellschaft akzeptiert werden.“
10 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=XP9lX27D4Vo
[2] /Terry-Gilliam-Oper-in-Berlin/!5415615
[3] https://www.youtube.com/user/portadosfundos
[4] /Umdeutung-des-Militaerputschs-in-Brasilien/!5582026
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
Jair Bolsonaro
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