# taz.de -- Probleme auf Bremer Ausbildungsmarkt: Neuer Pakt für mehr Azubis | |
> Mit einer Kommission aus Kammern und Senat will Bremens | |
> Wirtschaftssenatorin vor allem schlechten Schulabsolvent*innen zu einer | |
> Ausbildung verhelfen. | |
Bild: In der Altenpflege gibt es bereits seit 2015 eine branchenspezifische Aus… | |
BREMEN taz | Zu wenige Betriebe bilden aus, zu viele Schulabgänger*innen | |
wollen lieber studieren oder sind unzureichend qualifiziert: Diese Probleme | |
des Bremer Ausbildungsmarktes will Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die | |
Linke) nun angehen. | |
Zurzeit entwickelt sie mit Kammern, Unternehmensverbänden und weiteren | |
Akteuren Pläne, die Abhilfe schaffen sollen. Im Koalitionsvertrag hatte die | |
rot-grün-rote Regierung vereinbart, bis zum Ausbildungsjahr 2021/22 mit | |
einer Kommission aus den Akteuren der [1][alten Bremer Vereinbarungen] | |
freiwillige Lösungen zu entwickeln. | |
Die vorrangigen Probleme auf dem Ausbildungsmarkt sieht Vogt zum einen in | |
der Ausbildungsbetriebsquote: Während mittlere und kleine Betriebe sogar | |
teilweise über Bedarf ausbildeten, würden gerade große Unternehmen nicht | |
genug ausbilden. Viele der Azubis würden aber früher oder später dorthin | |
abwandern – „und das führt zu Unzufriedenheit bei den mittleren | |
Unternehmen“. Zusammen mit dem Fachkräftemangel gebe es in Bremen | |
inzwischen eine Problemlage, die nicht mehr allein über den Markt geregelt | |
werden könne. | |
## Anreize für Unternehmen | |
Zudem führe der Hang zur Akademisierung dazu, dass viele | |
Schulabgänger*innen lieber studieren wollten, so Vogt. Besonders | |
problematisch sei aber, dass viele Jugendliche schlechte Schulabschlüsse | |
hätten und eigentlich förderungsbedürftig seien. | |
Genau hier möchte Vogt ansetzen und mit der Kommission Ideen erarbeiten, | |
wie für Unternehmen Anreize geschaffen werden können, sich dieser | |
potenziellen Auszubildenden anzunehmen. „Im Frühjahr wollen wir Unternehmen | |
fragen, ob sie solche Azubis nehmen, wenn wir ihnen entsprechende | |
Unterstützung anbieten.“ Bei der Finanzierung könne auf Bundesprogramme | |
zurückgegriffen werden, ergänzte ein Sprecher der Senatorin. | |
Sollten diese freiwilligen Maßnahmen nicht greifen, könnte zum | |
Ausbildungsjahr 2021/22 ein landesweiter Ausbildungsfonds eingerichtet | |
werden, so Vogt. Dieser müsse vorher einer verfassungsrechtlichen Prüfung | |
unterzogen werden. „Auch wird geprüft, wie zielführend dieser sein kann.“ | |
Dass branchenspezifische Fonds wie beim Bau und in der Pflege | |
Ausbildungsplätze schaffen, ist laut Koalitionsvertrag unumstritten. | |
Allein höhere Ausbildungszahlen nützten aber nichts, wenn die Stellen nicht | |
durch Bremer Schulabsolvent*innen besetzt werden könnten. Der Fonds, so er | |
denn kommt, werde auf die Betriebsgröße abzielen. „Selbstständige Betriebe | |
mit einem Menschen werden nicht zur Kasse gebeten“, sagt Vogt. Kleine | |
Betriebe und Handwerksbetriebe hätten nichts zu befürchten. | |
## Handelskammer ist „kampfbereit“ | |
Die Spitzen von Kammern und Unternehmensverbänden lehnten indes [2][in | |
einer gemeinsamen Stellungnahme] eine etwaige Ausbildungsplatzabgabe strikt | |
ab. Sie erhöhe Standortkosten, helfe nicht beim Fachkräftemangel und | |
belaste kleine und mittlere Unternehmen. Anfang der Woche hatte sich | |
Handelskammer-Präses Janina Marahrens-Hashagen [3][im | |
Weser-Kurier-Interview] „kampfbereit“ gegeben: „Wir werden uns notfalls | |
etwas einfallen lassen, um dagegen anzugehen.“ | |
Sie hatte zudem das Bremer Schulsystem kritisiert, welches Schuld daran | |
sei, dass so viele Jugendliche nicht ausbildungsfähig seien. | |
Marahrens-Hashagen wünscht sich unter anderem Zensuren für die unteren | |
Klassen. | |
Dass das Bildungssystem in Bremen ein Problem habe, sieht auch Vogt. „Wir | |
haben Stadtteile mit einem Sprachförderbedarf von 70 bis 80 Prozent – wie | |
soll man da vernünftig einen Schulabschluss machen?“ Dennoch brauche es | |
auch Lösungen für die jetzigen Schulabsolvent*innen. | |
Die Äußerungen der Handelskammer-Präses hält Jonas Kuckuk für fehl am | |
Platz. Er ist Reetdachdecker und Sprecher des Berufsverbandes unabhängiger | |
Handwerker*innen. „Dass die Präses der Handelskammer volle Breitseite gegen | |
die Bildungspolitik abfeuert, gehört nicht zu ihrem Aufgabenbereich.“ | |
Eine finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die ausbilden wollen, aber | |
nicht können, hält er zwar für richtig – die Sorge der Kammern, dass eine | |
Ausbildungsabgabe kleine Unternehmen schädige, teilt er aber. „Ein | |
möglicher Eingriff durch den Staat darf auf keinen Fall Existenzgründungen | |
verhindern.“ | |
## Handwerk hat schlechtes Image | |
Mit der bestehenden Umlage im Baugewerbe hat Kuckuk schlechte Erfahrungen | |
gemacht: „Einmann- oder Einfraubetriebe werden zur Kasse gebeten, obwohl | |
sie selbst gar nicht ausbilden können – aufgrund fehlender Kapazität oder | |
fehlendem Meistertitel.“ Überhaupt sei das Problem nicht die Zahl der | |
Ausbildungsplätze, sondern die Azubis, die „keinen Bock haben“. Sein | |
Vorschlag: das Image des Berufs ändern. „Das verstaubte Handwerk | |
transportiert ein Menschenbild, was kein Jugendlicher mehr möchte.“ | |
Die Kammern erklärten sich bereit, sich in einem neuen Ausbildungspakt auf | |
Maßnahmen zu einigen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken und Azubis | |
und Unternehmen zusammenbringen. Ein erstes Treffen der Kommission fand | |
bereits im Oktober statt. „Der bisherige Austausch war gut und | |
konstruktiv“, betont Michael Zeimet, Geschäftsführer der Handelskammer. | |
Auch Vogt ist zuversichtlich. | |
11 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bildung.bremen.de/bremer_vereinbarungen-4327 | |
[2] https://www.handelskammer-bremen.de/presse/pressemitteilungen/pm2020/wirtsc… | |
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-wirtschaft_artikel,-handelskammer… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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