Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg in Libyen: Schlachtfeld international
> Immer mehr Mächte greifen in Libyen ein. Nun könnten sich türkische
> Soldaten und russische Söldner in dem Land gegenüberstehen.
Bild: Vorbereitung auf den Kampf gegen Haftar: Milizionäre in Tripolis, April …
Istanbul/Berlin taz | Nach Syrien droht jetzt auch [1][Libyen] zum
Schauplatz einer bewaffneten internationalen Auseinandersetzung im
Mittelmeerraum zu werden. Immer mehr ausländische Mächte steigen im Kampf
um Bodenschätze und Stützpunkte auch mit militärischen Mitteln in den
Konflikt in dem nordafrikanischen Land ein, das seit dem Sturz von Muammar
al-Gaddafi 2011 von Bürgerkriegen zerrissenen ist.
Am Montag ratifizierte das türkische Parlament in Ankara ein Abkommen zur
militärischen Unterstützung der Regierung in Libyens Hauptstadt Tripolis,
die von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch geführt wird. Die
Sarradsch-Regierung wird zwar von der UNO anerkannt, ist aktuell aber akut
bedroht durch die Truppen des in Ostlibyen herrschenden Generals Chalifa
Haftar. Der hatte im April eine Offensive auf Tripolis gestartet. Nachdem
seine Libysche Nationalarmee (LNA) lange nicht vorankam, steht Haftar nun
offenbar kurz davor, Tripolis zu erobern und die Regierung Sarradsch zu
stürzen.
Am Sonntagabend hatte ein langer Militärkonvoi aus den LNA-Gebieten die
südlichen Vororte von Tripolis erreicht. Die LNA veröffentlichte Videos von
am Straßenrand winkenden Menschen in der Stadt al-Adschilat westlich von
Tripolis. Haftar hatte zuvor die „Stunde null“ verkündet – die finale
Offensive auf Tripolis. Sollte er in den kommenden Tagen weiter vorrücken,
drohen die Kämpfe im Süden der libyschen Hauptstadt zu einem erbitterten
Häuserkampf zu eskalieren.
Noch geht das Leben in weiten Teilen von Tripolis aber normal weiter.
Wenige Kilometer von der Frontlinie und dem internationalen Flughafen
entfernt stecken die Autos im Berufsverkehr fest. Viele Bewohner der
Hauptstadt halten von beiden Kriegsparteien nichts. Unklar ist deshalb
auch, wie groß die Anhängerschaft Haftars unter den rund zwei Millionen
Einwohnern des Großraums Tripolis ist. Nachdem über 100.000 Bewohner vor
den Kämpfen in den südlichen Vororten der Stadt fliehen mussten und immer
mehr Wohngebiete von der Offensive betroffen sind, hoffen viele nur noch
auf ein Ende des Krieges.
## Sarradsch als Partner im Gasstreit
Doch danach sieht es nicht aus. Das von der Türkei und der
Sarradsch-Regierung unterzeichnete Abkommen ist in Ankara in aller Eile
verabschiedet worden, damit die Türkei noch Truppen nach Tripolis schicken
kann, bevor es zu spät ist. Sarradsch, der auch für die EU der legitime
Ansprechpartner in Libyen ist, war in den vergangenen Wochen mehrmals in
der Türkei, zuletzt am Sonntag in Istanbul, um sich mit Präsident Recep
Tayyip Erdoğan zu treffen und Unterstützung für seine Regierung zu sichern.
Es wird damit gerechnet dass Sarradsch schon in den kommenden Tagen
offiziell um türkische Truppen anfragen wird. In Ankara, so berichten
türkische Medien, laufen die Vorbereitungen für eine Truppenentsendung
bereits. Für Erdoğan ist die Sarradsch-Regierung der einzige Partner, um im
östlichen Mittelmeer gegen eine Allianz von Griechenland, Zypern, Israel
und Ägypten im [2][Streit um Gas- und Ölvorkommen] vorgehen zu können.
Erst vor drei Wochen hatte Sarradsch ein weiteres Abkommen mit Erdoğan
unterzeichnet, in dem beide Regierungen eine exklusive Wirtschaftszone im
Mittelmeer vereinbarten. In dieser dürfen laut Abkommen keine Drittländer –
also vor allem nicht Israel, Griechenland und Ägypten – Öl- und Gas suchen
oder fördern. Am Wochenende kam es bereits zu zwei Zwischenfällen: Ein
türkisches Marineschiff drängte ein israelisches Bohrschiff aus dieser Zone
ab; später flog die israelische Luftwaffe Scheinangriffe auf ein türkisches
Bohrschiff.
Die Türkei hat zur Unterstützung von Sarradsch bereits große Mengen
militärisches Gerät und Ausbilder für die Milizen geschickt, die auf der
Seite von Sarradsch kämpfen und Tripolis gegen die angreifenden
Haftar-Truppen verteidigen. Auch Katar hat Experten, Waffen und Drohnen an
die Truppen der Sarradsch-Regierung geschickt, die 2015 von den Vereinten
Nationen und einer ehemaligen Anti-Gaddafi Allianz installiert wurde. Das
Sarradsch-Lager wirft dem vorrückenden General Haftar vor, eine Diktatur
wie zu Zeiten Gaddafis errichten zu wollen.
## Mehr als 1.000 Wagner-Söldner im Land
Haftars LNA wiederum wird von einer Allianz aus Ägypten, den Vereinigten
Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Russland gestützt. Auch Frankreich
unterstützt Haftar zumindest indirekt, weil der französische Ölkonzern
Total im LNA-kontrollierten Gebiet Öl fördert. Insbesondere Russland greift
auch militärisch aufseiten der LNA in den Konflikt ein.
Nach Angaben der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin befinden sich
deutlich über 1.000 Söldner des privaten russischen Sicherheitsunternehmens
Wagner in Libyen. Die Regierung in Tripolis spricht von 600 bis 800
Söldnern, die die Haftar-Truppen im Kampf um Tripolis unterstützen.
Das Haftar-Lager wirft der Sarradsch-Regierung in Tripolis vor, die
Ministerien und staatlichen Unternehmen in der Hauptstadt den mit ihr
verbündeten Milizen überlassen zu haben. Seinen Angriff auf Tripolis
begründete Haftar zudem damit, islamistische Gruppen in den Reihen des
Sarradsch-Lagers vertreiben zu wollen.
In dieser Gemengelage in Libyen könnten sich in wenigen Tagen dann auch
türkische und russische Kombattanten gegenüberstehen, was allerdings auch
hier – wie in Syrien – zu einem Deal zwischen Putin und Erdoğan führen
könnte. Anfang Januar wird Putin zur Einweihung einer Gaspipline in Ankara
erwartet.
16 Dec 2019
## LINKS
[1] /Libyen/!t5008603
[2] /Griechen-und-Tuerken-im-Erdgas-Streit/!5648129
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
Mirco Keilberth
## TAGS
Milizen in Libyen
Libyen
Chalifa Haftar
Türkei
Erdgas
Libyen
Libyen
Türkei
Schwerpunkt Türkei
Schwerpunkt Flucht
Zypern
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vereinbarung für Libyen: Der Coup von Moskau
Libyens Premier al-Sarradsch und der aufständische General Haftar sind nach
Russland gereist. Sie sollen dort ihren Waffenstillstand bestätigen.
Neue Kämpfe in Libyen: Die Waffen schweigen … nicht
Haftars LNA hat im Kampf gegen die Regierung Libyens größten
Militärflughafen eingenommen. Das durchkreuzt die türkischen
Interventionspläne.
Machtkampf im Nahen Osten: Erdoğans nächste Front
Türkeis Präsident will Truppen nach Libyen entsenden. Es geht um einen
Kompromiss mit Russlands Staatschef Putin – auch in Syrien.
Kämpfe in Libyen: Erdoğans neuer Kriegsschauplatz
Die Türkei will dem Vorrücken von General Haftar in Libyen nicht länger
zusehen. Erdoğan will nun auch Kampfpanzer in das Land schicken.
Libyen-Direktor der IOM über Flüchtlinge: „84 Prozent kommen zum Arbeiten“
Anfang des Jahres eskalierte in Libyen der Bürgerkrieg. Federico Soda von
der IOM erklärt, warum viele Geflüchtete trotzdem im Land bleiben.
Griechen und Türken im Erdgas-Streit: Athen droht mit der Marine
Die Türkei plant Erdgas-Bohrungen in einer mit Libyen vereinbarten
Wirtschaftszone im Mittelmeer. Griechenland droht sich militärisch zu
wehren.
Seenotrettung und Libyen: Warnschüsse auf Rettungsschiff
Die Küstenwache feuert auf das deutsche Schiff „Alan Kurdi“ Warnschüsse a…
Dabei waren die Behörden vorab über die Aktion informiert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.