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# taz.de -- Neue Kämpfe in Libyen: Die Waffen schweigen … nicht
> Haftars LNA hat im Kampf gegen die Regierung Libyens größten
> Militärflughafen eingenommen. Das durchkreuzt die türkischen
> Interventionspläne.
Bild: Zog jetzt geschlagen ab: Regierungssoldat in Sirte, März 2019
Tunis taz | Während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und
Russlands Staatschef Wladimir Putin am Mittwoch [1][eine Waffenruhe in
Libyen] ab Sonntag beschlossen, stehen die Zeichen in Libyen auf
Eskalation. In der Hauptstadt Tripolis sagte Innenminister Fathi Bashagha
auf einer Pressekonferenz, ein Waffenstillstand sei nur nach einem völligen
Rückzug der ostlibyschen Truppen von [2][General Chalifa Haftar] möglich,
der mit seiner „Libyschen Nationalarmee“ (LNA) am Rande der Hauptstadt
steht und die dortige Regierung von [3][Premier Fajis al-Sarradsch] stürzen
will.
Seit Dienstag kontrolliert Haftars LNA nun auch die strategisch wichtige
Stadt Sirte und damit erstmals einen westlibyschen Hafen. Sie eroberte
Sirte am Montag in wenigen Stunden. Mit dem Überraschungsangriff auf Sirte
fiel auch Libyens größter Militärflughafen al-Kardabija südlich der Stadt
an die LNA.
Er wäre für die türkische Armee ein idealer Stationierungsort für
Drohnen und Kampfflugzeuge gewesen. Laut Erdoğan sind mittlerweile 35
türkische Soldaten in Libyen stationiert und sollen der international
anerkannten Regierung Sarradsch beim Aufbau militärischer Strukturen
helfen. Eine unbekannte Zahl russischer Söldnern und Militärexperten steht
an der Seite der LNA.
Sirte war während des Aufstands gegen Gaddafi und nach der späteren
Besetzung durch den Islamischen Staat [4][hart umkämpft]. Durch Absprachen
zwischen Haftar und den Stämmen der Region gelang diesmal eine unblutige
Übernahme. In Sirte, Gaddafis Geburtsstadt, wurde die Ankunft der LNA von
Gaddafi-Anhängern mit den grünen Flaggen des 2011 gestürzten Regimes
freudig gefeiert.
Seit 2016 hatten die „Sirte-Sicherungskräfte“ aus dem benachbarten Misrata
die Stadt kontrolliert. Sie hatten damals unter hohen Opfern mit
Unterstützung der US-Luftwaffe den IS vertrieben, der damals gehofft hatte,
von Sirte aus eine ständige territoriale Präsenz in Libyen aufbauen zu
können. Aber gegen Haftar bekamen sie keine Unterstützung. Nachdem die
ebenfalls in Sirte patrouillierende salafistische „Brigade 604“ sich
Haftar anschloss, blieb den Kräften aus Misrata bei Ankunft der LNA nur der
Rückzug.
Der angekündigte Gegenangriff blieb trotz Generalmobilmachung in Misrata
bisher aus. Haftars Luftwaffe weitete derweil die von ihr ausgerufene
Flugverbotszone auf ganz Tripolis aus, kurz vor der geplanten Rückkehr von
Premier Sarradsch in die libysche Hauptstadt.
## Pendeldiplomatie über dem Mittelmeer
Haftar und Sarradsch waren am Mittwoch unabhängig voneinander nach Italien
aufgebrochen. Haftar traf in Rom zu einem dreistündigen Gespräch mit
Regierungschef Guiseppe Conte ein. Auch Sarradsch war auf dem Weg nach Rom.
Als er von der Anwesenheit Haftars hörte, drehte seine Maschine Richtung
Tripolis ab, da der international anerkannte Ministerpräsident sich
weigert, mit dem selbsternannten Feldmarschall zu sprechen.
Zuvor war Libyens Premier in Brüssel mit EU-Ratspräsident Charles Michel
zusammengetroffen. Italiens Außenminister Luigi Di Maio sprach zeitgleich
in Kairo mit der ägyptischen Regierung, die Haftar unterstützt. Ägyptens
Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte zuvor angekündigt, einem türkischen
Eingreifen nicht tatenlos zusehen zu wollen.
Die rege Pendeldiplomatie über das Mittelmeer soll verhindern, dass sich
demnächst in Libyen ägyptische und türkische Soldaten gegenüberstehen. Ein
ebenfalls für Mittwoch geplanter Besuch von EU-Außenministern in Tripolis
wurde aber aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt.
Mehrere hundert Menschen demonstrierten dort gegen den Besuch des
französischen Außenministers, weil Frankreich Haftar unterstützt, den es
als Stabilitätsfaktor für die Sahelzone ansieht. Italien stützt hingegen
aus wirtschaftlichen Interessen die Sarradsch-Einheitsregierung in
Tripolis: Durch die Greenstream-Pipeline strömt westlibysches Gas nach
Sizilien.
9 Jan 2020
## LINKS
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[2] /Libyischer-General-Chalifar-Haftar/!5583304/
[3] /Konflikt-in-Libyen/!5266521/
[4] /Islamischer-Staat-aus-Libyen-verdraengt/!5441298/
## AUTOREN
Mirco Keilberth
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