# taz.de -- Queer-Punk in Berlin: Halbnackte Gegenbilder zum Modell | |
> Feier der Libertinage: Peaches in der Volksbühne. Der Auftritt der | |
> kanadischen Sängerin ist eine hübsch-angriffslustige Kampfansage an die | |
> Rechten. | |
Bild: Die kanadische Sängerin Peaches, hier bei einem Auftritt in Berlin im No… | |
So sieht es also aus, wenn einem die Sonne aus dem Arsch scheint. Als die | |
Artistin Empress Stah während der Performance der kanadischen | |
Queer-Punk-Ikone Peaches hoch oben im Saal der Volksbühne am Trapez turnt, | |
da leuchtet aus ihrem Anus ein grüner Laserstrahl, der mit jeder ihrer | |
Bewegungen durch den Raum schweift. „So much beauty coming out of my ass“, | |
singt Peaches dazu, unterlegt werden die Verse des Songs „Light in Places“ | |
(2015) von zunächst sirenenartig aufheulenden, dann tief tönend wummernden | |
Technobeats. Vorangestellt hat Peaches, die den Abend über entweder | |
halbnackt oder in opulenten Kostümen über die Bühne fegt, ein egalitäres | |
politisches Postulat: „Liberate en masse/ Eliminate the class/ All humans, | |
free at last“. | |
Vor nun zwanzig Jahren kam Peaches nach Berlin, im Jahr 2000 startete | |
Merrill Nisker – so ihr bürgerlicher Name – mit dem Album „The Teaches of | |
Peaches“ ihre Karriere unter dem neuen Künstlerinnennamen. Mit der Show | |
„Peaches: There’s Only One Peach with the Hole in the Middle“ feierte sie | |
das Jubiläum diese Woche an vier ausverkauften Abenden am | |
Rosa-Luxemburg-Platz – und zeigte, dass es ihr auch heute noch gelingt, auf | |
unterhaltsamste Weise (Körper-)Politik und Abrissparty zu vereinen. | |
So ist ihre Show irgendwo zwischen Burlesque-Revue, Clubnacht und | |
Punkrock-Gig angesiedelt, sehr präsent sind etwa die Tanzensembles NOLA | |
Kinfolk und Clusterfuck, deren Mitglieder halbnackt über die Bühne springen | |
und beeindruckende Choreografien hinlegen. Es sind allesamt Körper, die so | |
sind, wie sie eben sind, nicht auf Perfektion getrimmt. Bei jeder | |
Hochglanz-Mainstream-Show würde wahrscheinlich gnadenlos aussortiert – | |
Peaches’ Motto aber ist: „Come as you are“, egal, ob schwarz oder weiß, | |
jung oder alt, dick oder dünn, hetero oder homo. Sie und ihr Ensemble | |
feiern sich, ihre Körper, ihre Sexualität, ihr Sosein. Tänzer:innen kommen | |
im Vulvenkostüm daher, Hintern und Brüste wackeln („Shake your tits“), | |
Heißluftpenisse richten sich auf („Dick In The air“), zwischendurch | |
crowdsurft Peaches durch den Saal. Eine zweistündige Feier der Libertinage. | |
Man könnte meinen: Neu ist all das nicht, Schockeffekte erzielt man erst | |
recht nicht mehr damit. Peaches’ Freakparade aber wirkt aktuell in | |
mehrfacher Hinsicht wie ein politisches Statement. Zum einen bilden die | |
Leiber auf der Bühne eine Art Gegenbild zum Insta-optimierten Modellkörper | |
von heute. Dann setzt eine solche Ästhetik der auch von links stark | |
aufkeimenden Prüderie etwas entgegen. Nicht zuletzt verkörpert Peaches | |
einen unerschütterlichen Optimismus, ganz so, als gäbe es keine Krise, als | |
sei der autoritäre Backlash der Gegenwart nur ein letztes Zucken der | |
Reaktion. „I came to destroy the past/ My stargasm makes the blast“, singt | |
Peaches in „Light in Places“. | |
Ihre Songs sind nach wie vor als hübsch-angriffslustige Kampfansage an die | |
Rechten zu verstehen: My ass! | |
4 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
## TAGS | |
Queer | |
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