# taz.de -- Debatte Feminismus: Feminismus ist Pop! | |
> Der emanzipatorische Kampf für Frauenrechte ist so glamourös, wie man ihn | |
> führt. Feministische Musikerinnen und Magazine aus den USA zeigen, wie | |
> man es richtig macht. | |
Vor Jahren veröffentlichte ich mit meiner besten Freundin ein so genanntes | |
Fanzine: ein kleines, selbstkopiertes Heftchen in zartem Rosa. Begeistert | |
von der feministischen Do-It-Yourself-Kultur, die ich an einem liberalen | |
kalifornischen Campus aufgesogen hatte, musste nach der Rückkehr sofort ein | |
eigenes popfeministisches "Grrrl Zine" her. In einer Art Manifest | |
verkündeten wir, welche Misstände unsere feministische, an Popkulturkritik | |
geschulte Wut befeuerten. Jede der Zeilen begann mit der Formulierung: "Ich | |
habe es satt". | |
Fast zehn Jahre und zahllose öffentliche Aufrufe für einen "neuen | |
Feminismus" später juckt es mir in den Fingern, diesen entnervten Aufschrei | |
zu wiederholen. Denn was wir brauchen, ist kein neuer Feminismus - wie denn | |
auch, wenn bis jetzt nicht einmal die Forderungen des "alten" erfüllt sind? | |
Eine Bewegung, die sich für Gleichberechtigung und Emanzipation stark | |
macht, wird weder sauer wie Milch noch benötigt sie eine Botox-Injektion. | |
Was wir brauchen, zumal in einer so antifeministischen Gesellschaft wie der | |
(west)deutschen, ist ein neues feministisches Bewusstsein. | |
Feminismus muss dafür nicht glamourös und cool werden, wie so manche | |
popbeflissene Feministin das übereifrig predigt. Nein, denn Frauen müssen | |
jetzt schon bereits genug: Selbstdisziplinierung ist das lauteste | |
Glücksversprechen. Im Gegenteil sollte insbesondere jungen Frauen gezeigt | |
werden, dass der Feminismus all das schon längst sein kann - wenn er es | |
denn will. Vor einer affirmativen Verwendung des Begriffs darf man dabei | |
nicht zurück schrecken. In feministisch geprägten Pop- und Subkulturen, in | |
denen übrigens auch junge Männer die Auflösung verstaubter | |
Geschlechterklischees als Befreiung empfinden, ist dies schon lange der | |
Fall. Musikerinnen wie Peaches, Chicks on Speed oder Rhythm King And Her | |
Friends ziehen in ihren Texten und Performances lustvoll Gender-Stereotypen | |
durch den Kakao. Dabei deklarieren sie sich nicht nur ganz | |
selbstverständlich als feministisch, sondern sind zudem auch noch | |
ausgesprochen unterhaltsam. | |
Der Antagonismus zwischen den Generationen der "Altfeministinnen" und der | |
"F-Klässlerinnen", der durch die mantraartige Betonung der angeblich so | |
grundsätzlichen Differenz erst hergestellt wird, trägt wenig zu einem neuen | |
Bewusstsein bei. Sicherlich sind Auseinandersetzungen zwischen | |
verschiedenen Generationen essentiell, um auf shiftende Lebensrealitäten | |
und Prioritäten reagieren zu können. Doch was der konservative | |
Literaturkritiker Harold Bloom in den 70er Jahren in seiner Rede von der | |
"Einflussangst" als mächtigem ödipalen Kampf alter und junger | |
Alpha-Männchen um ihren Platz in der Genealogie imaginierte, verkommt hier | |
zu einer medial befeuerten Schlammschlacht in den eigenen (weiblichen) | |
Reihen, die Schadenfrohe süffisant von "Stutenbissigkeit" fabulieren lässt. | |
Die Mechanismen sind dabei so altbekannt wie ärgerlich: Auf der einen Seite | |
die alten und damit unattraktiven "Altfeministinnen" - denn was ist in den | |
Medien schlimmer, als von gestern zu sein? Richtig: alt und eine Frau zu | |
sein. Auf der anderen Seite die auf ihr persönliches Fortkommen reduzierten | |
"F-Klässlerinnen". Die werden durch die Schulklassen-Assoziation nicht nur | |
gleichzeitig infantilisiert und sexualisiert (wie übrigens auch die | |
Alpha-"Mädchen" des Spiegels). Sie lassen auch völlig aus dem Blickfeld | |
rutschen, dass die Frauenbewegung ja auch mal ein linkes Projekt war. | |
"Weil sie versuchen werden, uns zu überzeugen, dass wir längst schon | |
angekommen wären, dass wir schon da sind, dass es passiert ist, haben wir | |
beschlossen, uns auf eine Agenda der Freiheit für alle zu stützen", sangen | |
die drei Frauen der New Yorker Band Le Tigre auf ihrem Album "Feminist | |
Sweepstakes" 2001. Damit stellten sie klar, dass Feminismus sich nicht im | |
ökonomischen Empowerment einzelner Frauen erschöpfen kann, sondern dass der | |
Kampf gegen die eigene Diskriminierung automatisch mit dem Protest gegen | |
jedwede Ungleichheit einher geht. | |
Die Amerikanerinnen sind da eben mal wieder weiter als wir. Nicht nur, dass | |
es dort eine ganze Palette frauenspezifischer Magazine gibt, die sich ihre | |
feministische genauso wie ihre popkulturelle Expertise stolz ans Revers | |
heften und nach denen man sich hier nur die Finger lecken kann. Nein, in | |
diesen Zeitschriften, die klingende Namen wie Bitch, Bust oder Venus Zine | |
tragen, ist man sich auch einig, dass der vermeintliche Grabenkampf | |
zwischen den "ernsthaften" Feministinnen der Zweiten Welle und den | |
"Lifestyle"-Feministinnen der Dritten Welle vornehmlich eine Inszenierung | |
der Medien ist. Denn die lieben bekanntlich nichts so sehr, als einmal mehr | |
den Tod - oder zumindest die heillose Zerrüttung - des Feminismus zu | |
verkünden. | |
Das Bust Magazine brachte schon im Dezember 2000 zwei Ikonen aus zwei | |
Generationen des Feminismus zu einem Gespräch zusammen, das von Neugierde | |
und Respekt geprägt war: Gloria Steinem, in den USA ähnlich bekannt wie | |
Alice Schwarzer in Deutschland, und Kathleen Hanna, Mitglied von Le Tigre. | |
Letztes Jahr erschien in Kalifornien ein Sammelband mit unzähligen Artikeln | |
zu Themen, die man gemeinhin der "Dritten Welle" des Feminismus zuordnet: | |
Subkultur-Aktivismus, Identitäts-Politik und Sex-Positivismus. Der | |
provokante Titel des Bandes: "We don't need another wave" - "wir brauchen | |
keine neue Welle des Feminismus" | |
Dass bei der wichtigen Auslotung verschiedener weiblicher | |
Identitäts-Modelle nicht das trennende, sondern das verbindende Moment | |
betont werden sollte, ist eine Erkenntnis, von der man sich wünschen würde, | |
dass sie schleunigst den Weg über den Atlantik finden möge. Die vielen Rufe | |
nach einem "Bindestrich"-Feminismus machen vor allem klar, wie sehr | |
hierzulande das historische Wissen darüber fehlt, dass es auch schon in den | |
Siebzigerjahren unzählige "Feminismen" gab. Auf der anderen wird deutlich, | |
dass Feminismus wieder nur als temporäre Krücke wahrgenommen wird, die | |
ausgepackt wird, wenn es strategisch und für das eigene Fortkommen als | |
günstig erscheint. | |
Das ist zwar legitim, besitzt aber nichts von der Power eines radikalen, | |
kritischen Ansatzes, der eine immer noch nach patriarchalen Prinzipien | |
organisierte Gesellschaft transformieren kann. Man achte hierbei bitte | |
besonders auf das Stichwort "radikal", das, ebenso wie "links", völlig aus | |
dem Fokus der Feminismus-Debatten im bürgerlichen Feuilleton verschwunden | |
ist. Schon allein, um wieder etwas Bürgerschreck-Spaß in die | |
Auseinandersetzung zu bringen, sollte beides schleunigst wieder eingeführt | |
werden. | |
Die dritte Welle von Feministinnen, die sich so gar nicht von ihren | |
Vorläuferinnen der zweiten Welle distanzieren will, sondern ihnen für ihre | |
Errungenschaften dankbar ist, steht nämlich auch hier schon in den | |
Startlöchern. Selbst schuld, wer all deren Ladyfeste, Drag-King-Shows und | |
queer-feministische Symposien verschläft. | |
10 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Sonja Eismann | |
## TAGS | |
Queer | |
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