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# taz.de -- Protest gegen Rentenreform in Frankreich: Alle auf die Straße
> Hunderttausende Menschen haben in Frankreich erneut demonstriert. Am
> Mittwoch soll die Regierung die Details der geplanten Reform präzisieren.
Bild: Wie hier in Paris gingen auch viele Gelbwesten auf die Straße
Paris taz | Am Dienstag haben in ganz Frankreich erneut Hunderttausende
gegen [1][eine geplante Rentenreform] demonstriert. Neben den von der
politischen Linken und zahlreichen Gelbwesten unterstützten
gewerkschaftlichen Kundgebungen in den Großstädten gab es auch eine starke
Mobilisierung in mittleren und kleinen Provinzstädten.
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron will das Rentensystem
vereinheitlichen, das mehr als 40 Pensionskassen umfasst, bei denen
Renteneintrittsalter und Pensionsleistungen variieren. An vielen Orten
mischt sich in den Widerstand gegen die Rentenreform [2][ein allgemeiner
Unmut über verschlechterte Lebensbedingungen], wie er bereits im Konflikt
der Gelbwesten deutlich geworden ist. In Marseille, Toulouse und Straßburg
sind die AssistenzärztInnen in einen unbefristeten Ausstand getreten.
Bei der Demonstration in Paris sind am Dienstag Delegationen aus allen
möglichen öffentlichen und privaten Bereichen sichtbar. Neben den Schulen,
Krankenhäusern, Feuerwehrleuten, den Beschäftigten der Metro oder den
Energiebetrieben ist auch die Oper präsent. „Als Tänzer der Oper gehen wir
mit 40 in Rente, das ist aber nicht ganz freiwillig oder gar ein Geschenk.
Denn für diese Karriere haben wir auch sehr früh begonnen“, erklärt Germain
Louvet, einer der derzeitigen Ballettstars in Paris. „Unsere Rente beträgt
dann gerade mal 1.000 Euro im Monat.“
Hundert Meter weiter marschieren Rundfunkbeschäftigte. Schon seit Tagen
hört man bei den öffentlich-rechtlichen Sendern vom Band: „Aufgrund eines
gewerkschaftlichen Streikaufrufs sind wir nicht in der Lage, unser
übliches Programm auszustrahlen.“
## „Wer pflegt dich, wenn du mich verletzt?“
Die beiden Demonstrantinnen Nadia und Maud bezeichnen sich als Gelbwesten.
Sie tragen aber einen blauen Pflegerinnenüberzug, auf dem steht: „Wer
pflegt dich, wenn du mir eine Verletzung beifügst?“ Der Slogan richte sich
an die oft gewalttätig gegen Demonstranten vorgehenden Ordnungskräfte,
sagen die beiden Frauen. Die ehemalige Hilfspflegerin Nadia ist 65 und
bezieht eine Rente von insgesamt 776 Euro. An eine Verbesserung durch die
Reform glaubt sie keine Sekunde: „Alles nur Beschiss, wie die angebliche
Prämie, die Macron uns Gelbwesten zugestanden hatte“, sagt sie abfällig.
„Lauter Lügen“, erklärt auch der bekannte Schauspieler Jacques Weber, der
sich unter die Demonstranten gemischt hat, der taz. „Der Ultraliberalismus
zeigt die Zähne und krallt sich an die Macht“, sagt er und fügt später
hinzu: „Jetzt reicht’s und ich hoffe, dass diese Bewegung viel weiter geht
und dass man sich bewusst wird, dass wir in die Richtung einer anderen
Zivilisation gehen müssen.“
Der seit Mittwochabend dauernde Streik der Bahn, der Pariser Metro, der
LehrerInnen und zahlreicher anderer Berufsgruppen könnte sich noch weiter
zuspitzen. Die Gewerkschaften der Lkw-Fahrer rufen für Montag zu Aktionen
auf. Nichts fürchtet die Regierung mehr als die Straßenblockaden der
schweren Brummer, die in kürzester Zeit Versorgungsprobleme verursachen.
Am Mittwoch soll die Regierung endlich die Details der geplanten Reform
präzisieren. Allgemein werden Zugeständnisse erwartet. So haben mehrere
Regierungsmitglieder in den letzten Tagen dem Lehrpersonal als Ausgleich
eine Lohnerhöhung versprochen, anderen stark Betroffenen soll eventuell der
Übergang mit einem „Bonus“ versüßt werden. Ob solche sozial verbrämten
Retuschen jetzt noch genügen, ist fraglich, denn die Gewerkschaften fordern
die bedingungslosen Rücknahme der Reform – nicht bloß eine Verwässerung.
10 Dec 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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