# taz.de -- Streit um Rentenreform in Frankreich: Monsieur Rente muss in Rente | |
> Seit Tagen demonstrieren Menschen in Frankreich gegen die geplante | |
> Rentenreform. Nun ist ihr „Vater“ über einen Transparenzskandal | |
> gestolpert. | |
Bild: Macrons „Rentenkommissar“ Jean-Paul Delevoye | |
PARIS taz | Im Konflikt um die Rentenreform in Frankreich könnten die | |
Streiks vor allem im öffentlichen Verkehr bis Jahresende andauern oder sich | |
sogar noch ausweiten. [1][Denn keine der beiden Seiten will bisher | |
nachgeben]. Für die VerbraucherInnen bedeutet dies weitere Tage mit | |
endlosen Wartezeiten und hoffnungslos überfüllten Zügen und Bussen, blank | |
liegenden Nerven und Schwierigkeiten, eine Kinderbetreuung zu finden. | |
Die Staatsführung und Gewerkschaftsverbände schieben sich gegenseitig die | |
Schuld für die Misere in die Schuhe. Die Staatsführung ist jetzt zusätzlich | |
geschwächt, weil Jean-Paul Delevoye, der als Regierungsmitglied diese | |
Reform erklären, verteidigen und verkörpern sollte, sich durch | |
Intransparenz und den Verdacht von Interessenkonflikten selbst | |
diskreditiert hat. | |
Als er bei seiner Nominierung als Hoher Kommissars für die Rentenreform vor | |
etwas mehr als drei Monaten die obligatorische Erklärung seiner | |
Beteiligungen und Mandate ausfüllte, „vergaß“ er, wie Le Monde enthüllte, | |
11 von 13 Posten und Nebenjobs anzugeben. | |
## 5.000-Euro-Nebenjob „vergessen“ | |
Einer davon wurde mit mehr als 5.000 Euro monatlich bezahlt. Obwohl es | |
Regierungsmitgliedern verboten ist, neben ihrem Gehalt als Minister oder | |
Staatssekretär Honorare zu beziehen. Zudem stand eine andere ehrenamtliche | |
Aufgabe in direkter Beziehung zu den Versicherungen, die im Rentenkonflikt | |
parteiisch sind. Am Montag reichte der 72-Jährige seinen Rücktritt ein. | |
Der ändert aber am Konflikt wenig. Eine Besserung zeichnet sich schon | |
deshalb nicht ab, weil ab diesem Montag die Verbände der Lkw-Fahrer das | |
bereits sehr angespannte Klima nutzen wollen, um Lohnerhöhungen und bessere | |
Arbeitsbedingungen für sich durchzusetzen. | |
## Jetzt eskalieren die LKW-Fahrer | |
Sie blockieren dazu in verschiedenen Regionen mit ihren Brummern | |
Autobahnen. Das sorgt für noch mehr Verkehrsprobleme und gefährdet den | |
Nachschub der Geschäfte und die Auslieferung der Weihnachtspakete. | |
Dass sie während der Festtage wegen des Bahnstreiks nicht zu ihren | |
Verwandten oder in Urlaub reisen können, ist für zahlreiche Familien eine | |
trostlose Aussicht und erhöht den Druck auf die Konfliktparteien. Die | |
Regierung ersucht die Gewerkschaften um einen „Waffenstillstand“. Doch | |
diese antworten nur, die Staatsführung könne mit dem Verzicht auf ihre | |
Reform die Züge sofort wieder ins Rollen bringen. | |
Premierminister Édouard Philippe ist es in der letzten Woche nicht | |
gelungen, seine Landsleute mehrheitlich von den Vorteilen der Reformpläne | |
zu überzeugen. Die sehen neben einer Vereinheitlichung der Rentenkassen | |
eine umfassende Reorganisation mit einem Punktesystem zur Berechnung der | |
Altersrente aufgrund der gesamten Tätigkeit (und nicht der besten 25 Jahre | |
im Privatsektor und der letzten sechs Monate im öffentlichen Dienst) sowie | |
eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters von heute 62 auf 64 vor. | |
## Aktionstag jetzt auch mit gemäßigter Gewerkschaft CFDT | |
Diese letzte Maßnahme zum Kostenausgleich hat dazu geführt, dass nun auch | |
die sonst in Sachen Rentenreform sehr kooperative CFDT sich dem Widerstand | |
anschließt und zum Aktionstag am 17. Dezember aufruft. Deshalb dürften dann | |
noch mehr Leute auf die Straße gehen als am 5. Dezember, als mehr als eine | |
Million Menschen demonstrierten. | |
Präsident Emmanuel Macron hält sich derweil auf Distanz. Er behält sich so | |
die Möglichkeit vor, später schlichtend zu intervenieren, obschon die | |
[2][Idee eines vereinheitlichten Rentensystems von ihm stammt] und nicht | |
von Premier Philippe. Doch den kann der Staatschef in dem Konflikt | |
gegebenenfalls opfern. | |
16 Dec 2019 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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