| # taz.de -- Rentenreform in Frankreich: Der Protest geht weiter | |
| > Die Regierung verkauft ihre Rundumerneuerung der Altersbezüge als | |
| > sozialen Fortschritt. Vergeblich. Die Gewerkschaften wollen die Streiks | |
| > fortsetzen. | |
| Bild: Proteste gegen die geplante Rentenreform am Dienstag in Paris | |
| Paris taz | Trotz Streiks und Demonstrationen will die französische | |
| Staatsführung an ihrem Vorhaben eines vereinheitlichten Punktesystem für | |
| die Altersrente festhalten. Das hat Premierminister Edouard Philippe in | |
| einer Ansprache am Mittwochmittag bestätigt und erklärt, wie er [1][diese | |
| umfassende Reform] bewerkstelligen möchte. Im Wesentlichen beharrt die | |
| Regierung auf ihren Plänen, nur sollen sie erst für die späteren | |
| Generationen wirksam werden. | |
| Den ersten Reaktionen zufolge sind diese Ankündigungen für die Gegner der | |
| Reformpläne unbefriedigend. Ein Ende der Auseinandersetzung ist damit nicht | |
| in Sicht. Bereits für den kommenden Dienstag ist eine landesweite | |
| Mobilisierung vorgesehen, die Streiks im öffentlichen Verkehr werden | |
| fortgesetzt. Die Gesetzesvorlage soll aber, wenn es nach der Regierung | |
| geht, wenn möglich im Februar und noch vor den Kommunalwahlen vom Parlament | |
| verabschiedet werden. | |
| Zwar soll das gesetzliche Rentenalter offiziell bei 62 Jahren bleiben, es | |
| gilt aber ab 2027 ein „Gleichgewichtsalter“ 64, das ermöglicht, eine volle | |
| Rente zu beziehen. Wer vorher und ab 62 in den Ruhestand gehen will, muss | |
| Abzüge in Kauf nehmen. Wer länger erwerbstätig bleibt, darf mit Zuschlägen | |
| rechnen. | |
| In einem anderen Bereich macht der Regierungschef eine große Konzession. | |
| Das einheitliche System zur Berechnung der Altersrente aufgrund von Punkten | |
| für die gesamte Erwerbstätigkeit soll zwar trotz Protesten in Kraft treten. | |
| Weil nun aber alle, die vor 1975 geboren sind, weiter im alten System | |
| bleiben, hat die Reform erst konkrete Auswirkungen für die Rentner von | |
| 2040! Das kommt einer Verschiebung der Bestimmungen um zwölf Jahre gleich. | |
| ## Spielball der öffentlichen Finanzpolitik | |
| Eine große Befürchtung der Gewerkschaften ist es, dass in Zukunft diese | |
| während der Karriere erworbenen Punkte abgewertet werden könnten. Philippe | |
| versprach, der Wert der Punkte werde der Entwicklung der Löhne angepasst, | |
| was besser als ein Teuerungsausgleich sei. Letztlich droht der Rentenpunkt | |
| dennoch zum Spielball der öffentlichen Finanzpolitik zu werden. | |
| Die Regierung will mit den bisherigen 42 Sonderkassen und Spezialregeln in | |
| diversen Bereichen des öffentlichen Diensts oder in frei erwerbstätigen | |
| Berufen aufräumen und alles im Namen einer gerechten Gleichbehandlung in | |
| einer einzigen „universellen“ Kasse zusammenfassen. | |
| Eine Ausnahme aber macht sie für die Polizei, die Militärs, die Feuerwehr | |
| und vielleicht auch andere, die wie bei der staatlichen Bahn (SNCF) oder | |
| der Pariser Metro (RATP) verbittert für ihre Errungenschaften kämpfen. Ob | |
| es bei ihnen spezielle Übergangsregeln geben wird, ließ Philippe offen. | |
| Eine Vorzugsbehandlung versprach er den ebenfalls streikenden LehrerInnen: | |
| Ihre Renten sollen nicht geschmälert werden, gelobt der Premier, der zudem | |
| Gehaltserhöhungen für Berufseinsteiger in Aussicht stellt. | |
| ## 1000 Euro Minimalrente | |
| Als großen Fortschritt erwähnte er er eine Minimalrente von 1000 Euro | |
| monatlich. Diese wird aber nur für jene fällig, die mindestens 42 Jahre zum | |
| Minimallohn (ca. 1300 Euro) gearbeitet und Rentenbeiträge bezahlt haben. De | |
| facto bleiben also viele, die nur prekäre Jobs oder wie viele Landwirte | |
| sehr geringe Einkommen hatten, davon ausgeschlossen. | |
| Nicht ganz klar wurde, warum der Regierungschef die neuen Bestimmungen als | |
| positiv für die Frauen verkaufen wollte. Gerade sie haben oft | |
| Unterbrechungen oder ungewollt Teilzeit-Perioden mit tiefen Löhnen. Wie | |
| dies durch zusätzliche gutgeschriebene Punkte kompensiert werden soll, | |
| bleibt ebenso offen wie die Zusicherung, dass auch Nacht- und | |
| Schwerarbeiter Bonuspunkte erhalten sollen. | |
| Der Gewerkschaftschef der kooperationsbereiten CFDT, Laurent Berger, zeigte | |
| sich enttäuscht. Mit der Erhöhung des Rentenalters habe die Regierung eine | |
| „rote Linie“ überschritten. „Die Regierung verspottet uns“, meinte CGT… | |
| Philippe Martinez, der entschlossen scheint, den Druck der Straße noch zu | |
| verstärken. | |
| 11 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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