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# taz.de -- Generalstreik in Frankreich: Vereint gegen Macron
> Beim Generalstreik in Frankreich treffen sich Gelbwesten und
> Gewerkschafter. Sie protestieren gemeinsam gegen die geplante
> Rentenreform.
Bild: Proteste in Paris gegen die umstrittene Rentenreform der Regierung
Paris taz | Auf dem weißen Reisebus, der um kurz vor elf Uhr am Boulevard
Magenta vorfährt, steht „Nogent“. Dutzende Gewerkschafter in den roten
Westen der CGT steigen aus und stimmen sofort das Lied an, das sie durch
den Tag begleiten soll. „Wir sind da, auch wenn Macron uns nicht will“,
lautet der Refrain ihres Schlachtgesangs, den sie in die feucht-kalte
Pariser Luft brüllen.
Laura Bouteiller singt kräftig mit. Die blonde Mittdreißigerin ist im
Atomkraftwerk Nogent-sur-Seine, etwa 60 Kilometer südöstlich von Paris, für
die Sicherheit zuständig. „Das bedeutet Schichtdienst rund um die Uhr und
Arbeit auch an Feiertagen.“ Für die Gewerkschafterin reicht das aus, um mit
57 Jahren in Rente zu gehen. So wie alle rund 140.000 Angestellten des
Stromkonzerns EDF auch, die unregelmäßige Arbeitszeiten haben. Damit das so
bleibt, ist Bouteiller am Donnerstag nach Paris gekommen.
Denn wenn es nach der [1][französischen Regierung geht], sollen die
Sonderregelungen bei EDF ebenso abgeschafft werden wie die bei der
Staatsbahn SNCF oder den Pariser Verkehrsbetrieben RATP.
Stattdessen soll ein einheitliches Punktesystem eingeführt werden. Das Wort
„Rentenpunkte“ bringt Bouteiller sofort in Rage. Denn was die Punkte genau
an Rente wert sind, wisse keiner, schimpft die Gewerkschafterin. „Wie viel
Rente wir überhaupt einmal bekommen, ist überhaupt nicht mehr berechenbar.“
Die Regierung will erst in der nächsten Woche zu dieser kniffeligen Frage
Stellung beziehen. Sie hält sich mit ihren Plänen noch zurück, um nicht so
zu enden wie ihre Vorgänger 1995. Damals wollte Präsident Jacques Chirac
schon einmal die Sondersysteme reformieren und musste nach dreiwöchigem
Streik zurückrudern.
Auch diesmal zeichnet sich, angeführt von der CGT, eine breite
Streikbewegung ab. Am Donnerstag legten Lehrer sowie Beschäftigte von SNCF,
RATP und der Fluggesellschaft Air France auf unbestimmte Zeit die Arbeit
nieder. Die Gewerkschaften gehen von einem langen Arbeitskampf aus. „Ich
empfehle allen, sich vorher auszuruhen, um für die sozialen Proteste fit zu
sein“, sagt CGT-Chef Philippe Martinez. Der schnauzbärtige
Gewerkschaftsboss weiß die Mehrheit der Franzosen hinter sich: 68 Prozent
halten laut einer Umfrage den Streik für gerechtfertigt. [2][80 Prozent
misstrauen den Rentenplänen von Emmanuel Macron.]
## Kritik am Präsident der Reichen
Das Misstrauen gegen den Präsidenten hat auch Ali Moussawi auf die Straße
gebracht. „Nieder mit dem Kapital“ steht mit Filzstift auf seiner gelben
Weste. „Es geht um zwei Visionen Frankreichs: Das neoliberale von Emmanuel
Macron und das solidarische, in dem man den Armen hilft“, sagt der Student.
Er weiß, wovon er spricht, denn der 19-Jährige kommt aus der Pariser
Banlieue, wo die Arbeitslosigkeit gerade unter den Jugendlichen höher ist
als anderswo.
Der Student kritisiert Macron, der gleich zu Beginn seiner Amtszeit die
Wohnbeihilfen für Studenten um 5 Euro kürzte. Gleichzeitig schaffte der als
„Präsident der Reichen“ verschriene Staatschef die Vermögensteuer ab.
„Einer von fünf Studenten lebt in Armut“, rechnet Moussawi vor. Im November
zündete sich der 22-jährige Anas K. in Lyon an, um auf die prekäre Lage der
Studenten aufmerksam zu machen.
Für Moussawi war die Demonstration am Donnerstag die erste in gelber Weste.
Doch er war als [3][Gilet jaune] nicht der einzige, der sich unter die
Gewerkschafter mischte. „Wir kämpfen nun gemeinsam. Das ist die einzige
Art, etwas zu erreichen“, sagt Bouteiller. Dutzende Mannschaftswagen der
Polizei parken ein paar Meter von ihr entfernt, um das rot-gelbe Engagement
aufmerksam zu beobachten. Insgesamt 6.000 Polizisten hat der Pariser
Polizeipräfekt Didier Lallement aufgeboten, um mögliche Randalierer zu
stoppen.
Ein gutes Dutzend Polizisten kontrolliert mit Schlagstöcken am Gürtel den
Haupteingang zur Gare de l’Est, wo unter Passanten das Gerücht kursiert,
die berüchtigten „Black Blocks“ wollten hier alles kurz und klein schlagen.
Im Bahnhofsgebäude selbst herrscht gähnende Leere, denn der Streik hat den
Zugverkehr praktisch zum Erliegen gebracht. Nur das Hilfspersonal ist im
Einsatz, um den wenigen verirrten Reisenden weiterzuhelfen.
„Wir sind aus La Réunion zurückgekommen und wollen nun mit dem Zug nach
Straßburg weiter“, sagt Agnès, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Sie
ist Rentnerin und hat eine klare Meinung zu Macrons Plänen. „Ich habe den
Eindruck, dass die Reform die Ungleichheit nur noch vergrößert“, kritisiert
die 66-Jährige. „Es geht doch nicht darum, einfach ein System zu zerstören.
Man muss die Situation der Rentner verbessern.“
5 Dec 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Christine Longin
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