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# taz.de -- Rentenreform in Frankreich: Mit der Brechstange durchgesetzt
> Die Debatte um Macrons umstrittene Rentenreform wurde kurzerhand beendet.
> Die Regierung übergeht mit einem Verfassungstrick das Parlament
Bild: Diese Kinder in Paris haben noch kein Problem mit Edouard Philippes (mit …
Basta! Der Regierung in Paris dauerte das Palaver über [1][ihre umstrittene
Rentenreform] schon viel zu lange. Am Samstag hat sie nun, gestützt auf die
berüchtigte Verfassungsklausel 49.3, die Parlamentsdebatte kurzerhand für
beendet und die Vorlage für „angenommen“ erklärt.
Den empörten Abgeordneten der Opposition bleibt nun lediglich die
Möglichkeit, der Regierung das Vertrauen zu entziehen. Die Aussicht, die
Regierung damit zu stürzen, sind allerdings sehr gering, denn auch ohne
verbündete Stimmen des bürgerlichen Zentrums verfügt Emmanuel Macrons
Präsidentenpartei „La République en marche“ (LREM) in der
Nationalversammlung über eine absolute Mehrheit.
Premierminister Edouard Philippe hat aus seiner Sicht am Samstag nur die
Konsequenzen aus einer verfahrenen Situation gezogen. Die Opposition, vor
allem die Abgeordneten der Linkspartei „La France insoumise“ (LFI), hatte
nämlich insgesamt mehr als 40.000 „Änderungsanträge“ eingereicht, um so …
Debatte absichtlich in die Länge zu ziehen und die Verabschiedung, wenn
nicht zu verhindern, so doch maximal zu erschweren.
Dieser Widerstand im Parlament hatte auch das Ziel, der Öffentlichkeit
[2][die Schwachstellen dieser Reform] aufzuzeigen. Nach zehn Tagen heftiger
Rededuelle und Abstimmungen war im Ratssaal des Palais Bourbon erst ein
winziger Bruchteil dieser Einwände diskutiert worden. Noch im Verlauf der
letzten Woche hatte der Premierminister erklärt, er wolle der Debatte trotz
der „Obstruktion“ der Opposition Zeit gewähren, bevor er als letztes Mittel
zum Artikel 49.3 greifen würde.
Philippe hat am Samstag die Gegner seiner Reform überrumpelt. Dieser in der
Verfassung der Fünfte Republik vorgesehene politische Maulkorb für die
Opposition gilt seit jeher als undemokratische „Holzhammermethode“.
Normalerweise ist dies ein Werkzeug einer Regierung ohne solide Mehrheit
und darum eher ein Zeichen der Schwäche.
## Ausdruck eines autoritären Regierungsstils
Dass der Premierminister dieses letzte Mittel bereits jetzt einsetzt, ist
mehr Ausdruck eines autoritären Regierungsstils oder auch das
Eingeständnis, dass die Vorlage einer eingehenden Prüfung womöglich nicht
standhalten würde. Für Philippe und viele Abgeordnete seiner Mehrheit, die
über das Ende einer mühseligen Auseinandersetzung erleichtert sind, war
diese für eine parlamentarische Demokratie normale Debatte anscheinend eine
reine Zeitverschwendung.
Entsprechend heftig fallen die Reaktionen der Opposition aus, die fast
einstimmig von einem „Skandal“ sprechen. Die linken Fraktionen haben
bereits einen gemeinsamen Misstrauensantrag gegen die Regierung
angekündigt, die konservativen Abgeordneten von „Les Républicains“ wollen
ihrerseits eine Vertrauensabstimmung beantragen.
Da die Reform des Rentensystems aber aus zwei Vorlagen besteht, betrifft
das Vorgehen Philippes nur den wichtigeren der beiden Gesetzestexte, in dem
es um die Rentenreform als solche geht. Die Debatte werde darum mit neuen
Anträgen zur zweiten Vorlage fortgesetzt, hat der LFI-Vorsitzende Jean-Luc
Mélenchon versprochen, der von „totalitären“ Tendenzen der Staatsführung
spricht.
Ebenfalls äußerst aufgebracht über das Vorgehen der Exekutive sind die
Gewerkschaften, die seit Monaten [3][mit Streiks und Demonstrationen] gegen
die Reform zu Felde ziehen. Sie rufen bereits zu neuen Kundgebungen und
Protestaktionen auf. Diese könnten allerdings im Rahmen der
Präventionsmaßnahmen gegen das Corona-Virus von der Obrigkeit wie andere
Großveranstaltungen schlicht untersagt werden.
Es ist niemandem entgangen, dass der Premierminister die Beendigung der
Parlamentsdebatte im Anschluss an eine Krisensitzung der Regierung zum
Thema des Erregers Covid-19 mitgeteilt hat. Das hat seine Gegner erst recht
schockiert. Der Regierungschef beeilte sich darum, noch am Abend auf dem
ersten Fernsehkanal TF1 zu versichern, zwischen dem Griff zum 49.3 und dem
Covid-19 bestehe „keinerlei Verbindung“.
1 Mar 2020
## LINKS
[1] /Macron-macht-leichte-Zugestaendnisse/!5656153
[2] /Proteste-in-Frankreich/!5658120
[3] /Rentenreform-in-Frankreich/!5660795
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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