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# taz.de -- Rückenwind für Bremer Paritégesetz: Als notwendig erachtet
> Im Gleichstellungsausschuss sprechen sich die Vertreter*innen der
> Regierungskoalition für ein Paritégesetz für Bremen aus.
Bild: Trotz vergleichsweise hohem Frauenanteil von Männern dominiert: die Brem…
Bremen taz | Die Diskussion um ein Paritégesetz für Bremen nimmt an Fahrt
auf. Ein solches Gesetz würde vorschreiben, die Wahllisten immer
abwechselnd mit Frauen und Männern zu belegen. In einer Anhörung im
Gleichstellungsausschuss Ende vergangener Woche stand das Thema auf der
Tagesordnung. „Wir leben in verfassungswidrigen Zuständen, denn Frauen
werden in der Politik strukturell diskriminiert“, sagte dort die als
Referentin eingeladene Jura-Professorin Silke Laskowski von der Universität
Kassel.
Noch immer dominieren Männer die deutschen Parlamente. Das ist auch in
Bremen nicht anders – obwohl der Stadtstaat mit 37 Prozent im
bundesdeutschen Vergleich einen der höchsten Frauenanteile aufweist.
Kritiker*innen des Gesetzes glauben, dass es einen zu großen Eingriff in
die Wahl- und Parteienfreiheit darstelle. Das sei eine Verdrehung der
Realität, sagte die Juristin Helga Laskowski. „Tatsächlich ist das Volk
aufgrund der Aufstellungspraktiken der Parteien dazu gezwungen,
überproportional Männer zu wählen. Diese Männerquote verstößt gegen die
Wahlfreiheit.“ Deshalb stehe die Verfassungsmäßigkeit eines Paritégesetzes
außer Frage – der Artikel 3 des Grundgesetzes schreibt vor, dass sich der
Staat für die Beseitigung bestehender Nachteile in der Gleichberechtigung
von Frauen und Männern einsetzt.
Die Vertreter*innen der rot-grün-roten Regierungskoalition signalisierten
im Ausschuss eindringlich, dass sie einen Vorstoß für notwendig halten.
Lediglich im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem [1][Bremischen
Wahlsystem] wurden Zweifel laut. Ein Volksbegehren hatte 2011 erreicht, die
starre Listenwahl aufzubrechen. Seitdem haben die Wähler*innen fünf Stimmen
zur Verfügung, die gebündelt und einzelnen Personen der Wahlliste zugeteilt
werden können.
Wilko Zicht war damals entscheidend an der Wahlrechtsänderung beteiligt. Er
glaubt, dass sich ein Paritégesetz als kompliziert herausstellen könnte:
„Was passiert, wenn erst eine Liste und dann zwei männliche Kandidaten
angekreuzt werden – sind dann alle Kreuze ungültig?“ Für Laskowski stellt
das kein Hindernis dar: „Die Stimmen müssten von den Wähler*innen
paritätisch auf die Geschlechter verteilt werden. Statt den jetzigen fünf
Kreuzen würde es dann eben vier oder sechs geben.“
Die konservativen Vertreter*innen im Ausschuss brachten grundsätzlichere
Skepsis zum Ausdruck: „Ich möchte nicht als Quotenfrau gelten“, sagte Sina
Dertwinkel (CDU). Auch die Umsetzung eines Paritégesetzes sei für ihre
Partei schwierig: „Nur 25 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen – bei der
vergangenen Bürgerschaftswahl haben wir intensiv nach Frauen gesucht, aber
wir können auch niemanden zwingen.“
Für Laskowski sind das faule Ausreden: „Die Parteien müssen früh genug nach
Frauen suchen und auch für Externe offen sein.“ Der Blick nach Frankreich
zeige, dass das Gesetz zu einem Lernprozess und Kulturwandel bei den
Parteien geführt habe. „Nur bei den nationalen Wahlen wurde lieber auf
Millionen staatlicher Gelder statt auf Männer verzichtet.“ Auf allen
anderen Wahlebenen habe das Paritégesetz hingegen schnell zu einem gleichen
Anteil von Frauen und Männern in den Parlamenten geführt.
Immer wieder wird jedoch ein weiterer Vorwurf gegen das Gesetz laut: Es
schreibe eine binäre Geschlechterordnung fest. Weil Menschen, die weder der
männlichen noch der weiblichen Kategorie zugehören, diskriminiert würden,
reichte die Piratenpartei in Brandenburg Beschwerde beim
Landesverfassungsgericht ein.
Für Maja Tegeler, Ausschussmitglied der Linken, ist das ein Irrtum: „Das
Gesetz würde auch diverser aufgestellten Menschen helfen – es ist ein Bruch
mit patriarchalen Strukturen, der den Raum für nächste Schritte öffnen
wird.“ In Thüringen sei eine gute Lösung gefunden worden. Diverse können
sich hier auf jedem beliebigen Listenplatz aufstellen lassen. Wenn davor
ein Mann stand, muss danach wieder eine Frau kommen. Nur die Regelung aus
Brandenburg dürfe sich in Bremen nicht wiederholen: „Hier wurden Diverse
gezwungen, sich einem der beiden Geschlechter zuzuordnen.“
Die Diskussion zeigte, dass ein paritätisches Wahlgesetz nicht alle
Probleme lösen kann. Die stellvertretende Ausschussvorsitzende Henrike
Müller (Grüne) sagte: „Der Politikbetrieb ist schlicht für Männer gemacht…
23 Dec 2019
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[1] /Landtag/!5200496
## AUTOREN
David Siegmund-Schultze
## TAGS
Gleichstellung
Parité-Gesetz
Bremen
Frauenquote
Demokratie
Parität
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Frauenrechte
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