# taz.de -- Umweltaktivist über Angriffe: „Keine Gerechtigkeit ohne Politik�… | |
> Mit einem Film über Fracking brachte Josh Fox rechte US-Politiker gegen | |
> sich auf. Jetzt hat der Umweltaktivist einen neuen Film gedreht. | |
Bild: Josh Fox bei seiner Lecture Performance „The Truth has changed“ | |
taz: Herr Fox, worum wird es bei „The Truth Has Changed“ gehen? | |
Josh Fox: Die zentrale Frage meines Projekts lautet: Woher wissen wir, was | |
wahr ist? Auf der ganzen Welt sind Leute nicht mehr in der Lage, Wahrheiten | |
von Lügen zu unterscheiden. Eine High-School-Schülerin sagte mir vor | |
kürzlich: „Du behauptest, dass Fracking schlecht sei und der Klimawandel | |
ein reales Problem, aber im Internet sagen viele Leute das genaue | |
Gegenteil. Was stimmt nun also?“ Diese Unklarheit ist das Ergebnis | |
bewusster Desinformation von Großkonzernen und den faschistischen | |
Regierungen, die mit ihnen zusammenarbeiten. Die Verbindung zwischen Big | |
Data, Big Oil und der Ideologie weißer Vorherrschaft aufzudecken, das ist | |
der Kern meiner Performance. | |
Können Sie diese Verbindung etwas genauer erklären? | |
In der Person von Trumps früherem Berater Steve Bannon laufen die Stränge | |
zum Beispiel zusammen. Der war nicht nur Chef der rechten Onlineplattform | |
Breitbart, sondern auch im Vorstand des Datenanalyse-Unternehmens Cambridge | |
Analytica. Und mit genau denen arbeitete das US-Außenministerium, damals | |
geführt vom ehemaligen ExxonMobil-Chef Rex Tillerson, zusammen. Leute wie | |
Bannon wollen mit Facebook-Hetzkampagnen überall rechtsautoritäre | |
Regierungen an die Macht bringen. Diese Demagogen haben es vor allem auf | |
Klimawissenschaftler und Umweltaktivisten abgesehen. Gegen meine Arbeit | |
haben sie ja auch jahrelang Kampagnen gefahren. | |
Wie sahen diese Kampagnen aus? | |
Seit ich vor zehn Jahren den Film „Gasland“ gemacht habe und sich im Zuge | |
dessen eine Antifrackingbewegung gebildet hat, hat die Ölindustrie eine | |
45-Millionen-Euro-Schmiergeldkampagne gegen mich orchestriert. Die haben | |
eine Fake-Dokumentation gedreht, in der sie meinem Film vorgeworfen haben, | |
Fake zu sein. Die Trump-Nummer also: das Wahre als falsch zu bezeichnen und | |
die eigenen Lügen als Wahrheit. | |
Auf der Konferenz wird es um verschiedene Formen von Widerstand und von | |
Aktivismus gehen, gerade auch um künstlerische. Wie künstlerisch kann | |
Aktivismus denn sein? | |
Im Theater ging es immer schon um die Frage nach Gerechtigkeit. Egal ob man | |
sich nun ein Stück von Euripides oder eines von Heiner Müller ansieht. Und | |
Gerechtigkeit gibt es nicht ohne Politik. Die Vorstellung eines | |
unpolitischen Theaters finde ich also absurd. Die Frage ist für mich eher: | |
Wie erhält man den Moment der Erkenntnis, den ein Kunstwerk verursachen | |
kann, aufrecht? | |
Und wie machen Sie das? | |
Wir gehen mit meinen Filmen auf Tour, wir zeigen sie Gemeinden, die an der | |
Front gegen die Öl- und Gasindustrie kämpfen und die die Filme zur | |
Mobilisierung weiterer Leute gebrauchen können. Meine Projekte entspringen | |
ja alle einer Krise. „Gasland“ zum Beispiel ist daraus entstanden, dass auf | |
unserem Land in New York Fracking betrieben werden sollte. Wir wollten | |
unsere Gewässer davor schützen und die Leute über die Gefahren aufklären, | |
also haben wir den Film gemacht. Heute weiß jeder, was Fracking ist, aber | |
ohne unseren Film wäre das nicht der Fall. | |
Wie beurteilen Sie als langjähriger Umweltaktivist die jüngsten globalen | |
Klimaproteste? Entsteht durch eine Bewegung wie Fridays for Future, die | |
auch an der „Zuhören #4“-Konferenz beteiligt ist, nun endlich der nötige | |
öffentliche Druck? | |
Ich freue mich ungemein über die jungen Leute von Fridays for Future. Deren | |
Eltern müssen nun mitmachen! Ich finde es aber wichtig zu betonen – wobei | |
ich natürlich verstehe, dass Fridays for Future ein guter Slogan ist –, | |
dass es hier nicht nur um die Zukunft geht, sondern um die Gegenwart. Die | |
„Zukunft“ zum zentralen Begriff zu machen halte ich für geradezu | |
rassistisch. Denn die Menschen, die jetzt in diesem Moment unter dem | |
Klimawandel leiden, sind in erster Linie People of Color. Menschen im | |
Südpazifik, die ihre Inseln verlassen müssen. Menschen in Guatemala, die | |
keine Landwirtschaft mehr betreiben können. Wenn wir also nur über die | |
Zukunft reden, dann ignorieren wir die Tatsache, dass es eine Menge | |
Menschen gibt, die jetzt Hilfe brauchen. | |
13 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Jan Jekal | |
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