# taz.de -- Sozialpolitik und Kinderarmut: SPD wirbt für Kindergrundsicherung | |
> Der Parteivorstand hat ein Konzept beschlossen: Eltern bekämen 250 Euro | |
> pro Kind und Monat – Niedrigverdiener deutlich mehr. Ein Projekt für R2G? | |
Bild: Es geht auch um Bildung und Teilhabe: Kinderfußballmannschaft eines Hamb… | |
BERLIN taz/dpa | Eine sozialpolitische Idee macht Furore: Jetzt will auch | |
die SPD eine sogenannte Kindergrundsicherung einführen. Ein entsprechendes | |
Konzept sei im Parteivorstand einstimmig beschlossen worden, sagte die | |
kommissarische Parteichefin Malu Dreyer am Montag. Die Pläne sehen vor, | |
Hartz IV für Kinder, Kindergeld und andere Leistungen zu einem neuen | |
Kindergeld zusammenzuführen, das mindestens 250 Euro pro Monat betragen | |
soll. | |
Die SPD will so zwei Millionen Kinder aus Hartz IV holen. Ein Parteitag | |
soll das Konzept Anfang Dezember beschließen. Damit schließen sich die | |
Sozialdemokraten einer Forderung von Linkspartei und Grünen an. Hintergrund | |
ist ein Dauerproblem in einem reichen Land: Jedes fünfte Kind lebt in | |
Deutschland in Armut, die Zahl wird seit Jahren nicht kleiner. Dies zeige | |
sich „in schlechten Bildungschancen, einer mangelhaften Gesundheit, dem | |
Gefühl der Scham und wenig Selbstvertrauen“, [1][urteilt das Deutsche | |
Kinderhilfswerk]. | |
Die SPD ist überzeugt, dass ihr ein großer Wurf gelungen ist. | |
Familienministerin Franziska Giffey sprach von einem „Riesensystemwechsel“. | |
Entsprechender Vorlauf sei nötig. Die Reform sei „etwas für die nächste | |
Legislatur“. Das SPD-Konzept hat zwei Säulen – einerseits das neue | |
Kindergeld: Es soll das bisherige Kindergeld, den Kinderzuschlag, die | |
Kindersätze der Grundsicherung und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets | |
ersetzen und nach Einkommen der Eltern und Alter der Kinder gestaffelt | |
sein. | |
Alle sollen 250 Euro pro Kind und Monat erhalten. Bei Familien mit geringem | |
Einkommen soll das Kindergeld auf bis zu 400 Euro für Kinder bis 6 Jahren, | |
458 für 6- bis 13-Jährige und 478 Euro für Jugendliche ab 14 Jahren | |
anwachsen können. Enthalten sein soll bei Geringverdienern der Regelbedarf, | |
der Kinderanteil der Wohnkosten und ein Betrag für Teilhabe. | |
## Kinderkarte für Kultur und Freizeit | |
Ändern würde sich auch etwas bei den Kinderfreibeträgen. Der Anteil für | |
Betreuung, Erziehung und Ausbildung soll nach dem Willen der SPD gesenkt | |
werden – der Steuervorteil der Freibeträge soll auf maximal 250 Euro pro | |
Kind sinken. Beantragt werden könne das neue Kindergeld einfach und | |
digital, so der Plan. Die Leistungen sollen existenzsichernd sein, für | |
künftige Berechnungen soll eine Kommission eingesetzt werden. | |
Die zweite Säule des SPD-Konzepts setzt auf Bildung und Teilhabe. Vom neuen | |
Kindergeld sollen monatlich 30 Euro auf ein Teilhabekonto in Form einer | |
Kinderkarte fließen. Nutzen können Eltern das für gebührenpflichtige | |
Angebote wie Sportvereine, Schwimmbäder oder Musikschulen. Die Kinderkarte | |
soll mit einer App verbunden werden, die einen Überblick über Kultur- und | |
Freizeitangebote ermöglicht. | |
Die SPD rechnet mit Mehrkosten von rund 11 Milliarden Euro jährlich. | |
Umgesetzt werden solle die Kindergrundsicherung in anderen Konstellationen | |
als der Großen Koalition, sagte Dreyer – wohl mit Blick auf ein mögliches | |
Bündnis mit Grünen und Linken. Rot-Rot-Grün wäre sich bei einer | |
Kindergrundsicherung schnell einig. | |
„Der bestehende Leistungsdschungel für Familien ist unübersichtlich und | |
intransparent“, argumentierte die Grünen-Fraktion [2][in einem | |
Gesetzesantrag, den sie im Oktober ins Parlament einbrachte]. So führe das | |
aufwändige Antragsprozedere beim Kinderzuschlag dazu, dass viele Eltern | |
aufgäben. Die Grünen wollen eine Grundsicherung mit mindestens 280 Euro pro | |
Kind – und mehr für Bedürftige. | |
## Skepsis bei Grünen und Linken | |
Mit einer Reform müsse sichergestellt sein, „dass verdeckte Kinderarmut ein | |
Ende hat“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. „Das geht | |
nur mit einer groß angelegten Verwaltungsreform hin zur automatischen | |
Berechnung und Auszahlung der Kindergrundsicherung.“ Das leiste der | |
Grünen-Antrag zur Kindergrundsicherung. „Und das leistet der Vorschlag der | |
SPD nicht.“ | |
Die Linke fordert als Sofortmaßnahme die Erhöhung des Kindergelds auf 328 | |
Euro. In ihrem Bundestagswahlprogramm 2017 plädiert sie zudem für eine | |
Kindergrundsicherung von 573 Euro. Der Plan der SPD sei „nicht mehr als | |
eine hübsch verpackte kleine Kindergelderhöhung zur Adventszeit“, sagte | |
Norbert Müller, der kinderpolitische Sprecher der Linke-Fraktion. | |
Neben monetären Leistungen strebe die Linke „eine bessere öffentliche | |
Infrastruktur für Kinder und Jugendliche an“. Der Zugang zum öffentlichen | |
Nahverkehr und zu Bildungs- und Kultureinrichtungen solle für alle Kinder | |
kostenlos sein, ebenso Mahlzeiten in Kitas und Schulen. Die Linke-Fraktion | |
arbeite an einem Konzept, das sowohl monetäre, wie infrastrukturelle | |
Maßnahmen mit einschließe. | |
In Koalitionen, an denen CDU und CSU beteiligt wären, würde es schwierig. | |
Die Union lehnt eine allgemeine Kindergrundsicherung ab. | |
25 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderarmut-in-deutschland/ | |
[2] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/143/1914326.pdf | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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