| # taz.de -- Überprüfung der UN-Kinderrechte: Landluft tut Kindern gut | |
| > Bei einer Pilotstudie zu Kinderrechten schneidet Hamburg schlecht ab. | |
| > Bremen liegt in der Mitte, Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind | |
| > vorn. | |
| Bild: Freizeit und Erholung tun gut – jedenfalls in den Flächenländern im N… | |
| Hamburg taz | Die Stadt Hamburg setzt die 1989 in einer [1][UN-Konvention | |
| verankerten Kinderrechte] „unterdurchschnittlich“ um und steht damit unter | |
| den Nordländern am schlechtesten da. Das ist das Ergebnis einer | |
| [2][„Pilotstudie“], die das Deutsche Kinderhilfswerk herausgebracht hat. | |
| Niedersachsen und Schleswig-Holstein gehören zur Gruppe der fünf | |
| „überdurchschnittlich“ abschneidenden Länder. Bremen und | |
| Mecklenburg-Vorpommern „liegen im Durchschnitt“. | |
| Eigentlich hätten alle Bundesländer Nachbesserungsbedarf, schreiben die | |
| Autoren Tim Stegemann und Nina Ohlmeier, die sich auf öffentlich | |
| zugängliche Daten und Umfrage unter Kindern und Eltern stützen. | |
| Die Vereinten Nationen gingen 1989 davon aus, dass Kinder ihre Rechte nicht | |
| im gleichen Maße durchsetzen können wie Erwachsene und sie deshalb | |
| besondere Formen der Unterstützung und eigene Rechte brauchen. | |
| Für den nun vorliegenden „Kinderrechte-Index“ orientieren sich die Forscher | |
| am Vorgehen anderer Staaten wie Schweden und wählten fünf dieser „Rechte“ | |
| aus: auf Beteiligung, auf Gesundheit, auf angemessenen Lebensstandard, auf | |
| Bildung sowie auf Freizeit und Erholung. Für deren Messung wiederum legte | |
| man 64 „Indikatoren“ fest, nach denen in 16 „Ländersteckbriefen“ für … | |
| Land Stärken und Schwächen aufgelistet wurden. | |
| ## Beteiligung | |
| Beim Recht auf Beteiligung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten | |
| schneiden außer Bremen, das hier im Durchschnitt liegt, alle Nordländer gut | |
| ab. In allen vier Ländern gibt es ein Wahlrecht ab 16 Jahren, in | |
| Niedersachsen allerdings nur bei Kommunalwahlen. Und Bei der tatsächlich | |
| wahrgenommenen Mitbestimmung von Kindern in der Schule hat Bremen den | |
| zweitniedrigsten Wert, Hamburg den drittniedrigsten. Niedersachsen hat zwar | |
| eine Kinderkommission im Landtag, aber keine Vorgaben zur Kinderbeteiligung | |
| in der Verfassung. Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen wird das Fehlen | |
| einer solchen Kinderkommission angekreidet. | |
| ## Gesundheit | |
| Was die Gesundheit von Kindern angeht, liegen Bremen, Hamburg und | |
| Niedersachsen über dem Durchschnitt, Schleswig-Holstein im Mittelfeld. | |
| Bremen hat mit 14,1 Kinderärzten auf 100.000 Einwohner die beste | |
| Versorgung, gefolgt von Hamburg mit 11,5 auf 100.000. In Niedersachsen und | |
| Bremen sitzen die meisten Kinder nach Selbsteinschätzung weniger als acht | |
| Stunden täglich auf Stühlen. | |
| In Schleswig-Holstein schätzen 88 Prozent der Kinder ihren Schulweg als | |
| sicher ein. Allerdings verunglückten 2017 357 Kinder auf 100.000 Einwohner | |
| – bundesweit der höchste Wert, gefolgt von Bremen mit 349 auf 100.000. | |
| ## Bildung | |
| Bei der Bildung liegen die beiden Nord-Flächenländer vorn und die beiden | |
| Stadtstaaten unterm Durchschnitt. Bremen gibt nur 1,59 Prozent der eigenen | |
| Wirtschaftsleistung für Schule aus, der niedrigste Wert im Ländervergleich. | |
| Und 8,9 Prozent der Schüler bleiben ohne Abschluss, der drittschlechteste | |
| Wert bundesweit. Die Schüler stimmen Aussagen zur Chancengleichheit | |
| unterdurchschnittlich oft zu. | |
| In Hamburg stimmen Schüler diesen Aussagen sogar am seltensten zu. Die | |
| Stadt gibt gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung am zweitwenigsten für | |
| Bildung aus. In Niedersachsen machen mit einem Verhältnis von eins zu drei | |
| viel weniger ausländische als deutsche Schüler Abitur, für geflüchtete | |
| Kinder in Erstaufnahmeeinrichtungen gilt nicht einmal Schulpflicht. Und | |
| Schleswig-Holstein hat laut der Studie mit eins zu 15,5 die schlechteste | |
| Lehrer-Schüler-Relation. | |
| ## Ruhe und Erholung | |
| Auch hier schneiden Schleswig-Holstein und Niedersachsen gut ab. In | |
| Schleswig-Holstein bewerten Eltern und Kinder das Angebot für Spielplätze | |
| und Rückzugsräume an den Schulen positiv. In Niedersachsen haben Kinder | |
| nach eigener Wahrnehmung viel Ruhe und Freizeit. Nur fehlten im Landesrecht | |
| die Standards für Rückzugsorte von geflüchteten Kindern in Unterkünften. | |
| Die fehlen laut Studie auch in Hamburg in Bremen. Dort haben die Kinder | |
| nach eigener Wahrnehmung wenig Ruhe und Freizeit, Hamburg kommt in dieser | |
| Frage bundesweit gar auf den schlechtesten Wert. | |
| Hamburg hat mit 2,8 Einrichtungen der offenen Jugendarbeit zwar das | |
| zweitgrößte Angebot dieser Art bundesweit. Doch werden die am mickrigsten | |
| finanziert, seit es Ganztagsschulen gibt. Die Rückzugräume an Schulen indes | |
| bewerten Hamburgs Kinder auch bundesweit am schlechtesten. | |
| ## Lebensstandard | |
| Auch beim Recht auf „angemessenen Lebensstandard“ für die körperliche, | |
| seelische, geistige, sittliche und soziale Entwicklung liegt Hamburg unter | |
| dem Durchschnitt, Bremen in der Mitte und die beiden Flächenstaaten vorn. | |
| Die letzteren fördern zum Beispiel Erholungsurlaube für ärmere Familien. | |
| Bremen dagegen hat mit 27,5 Prozent die meisten von Armut gefährdeten | |
| Kinder bundesweit. Direkt danach kommt Hamburg mit einer | |
| Armutsgefährdungsquote von 25,4 Prozent. Doch während die neue Bremer | |
| Koalition aus SPD, Grünen und Linken die Bekämpfung der Kinderarmut zum | |
| Regierungsziel erklärte, ist sie im rot-grünen Koalitionsvertrag in Hamburg | |
| nicht als „explizites Ziel“ enthalten. | |
| Hamburg sollte das schlechte Abschneiden als „Herausforderung“ begreifen, | |
| sagt der Soziologe Wolfgang Hammer, der die Studie im Beirat begleitet hat. | |
| Da die reiche Stadt mehr Möglichkeiten habe, müsse sie ab sofort mehr für | |
| die Kinderrechte tun. Auch die linke Jugendpolitikerin Sabine Boeddinghaus | |
| nennt die Lage „ernüchternd“. | |
| Der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht, hingegen sagt: „Wir teilen | |
| die Wertung des Kinderhilfswerks in den allermeisten Punkten nicht.“ Unter | |
| anderem fehlten die Erwähnung kostenloser Ganztags- und Ferienangebote. | |
| Auch die inzwischen herrschende Lernmittelfreiheit berücksichtigt die | |
| Studie nicht. | |
| 6 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/un-kinderrechtskonvention-im-… | |
| [2] https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kinderrechte-index/ | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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