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# taz.de -- Rechte an Gedenkstätte: Besucher mit schlechten Absichten
> Rechtsextremisten stören mit Fragen und Anmerkungen eine Führung in der
> KZ-Gedenkstätte Moringen. Sie sollen Opfer diskreditiert haben.
Bild: Besucher haben auch in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen bezweifelt, das…
Berlin taz | „Mir ist erst im Laufe der Führung klargeworden, um wen es
sich handelt“, sagt Arne Droldner. Droldner ist Mitarbeiter der
[1][Gedenkstätte KZ-Moringen] und führt als Gedenkstättenpädagoge seit 2013
Schulklassen, Besucher aus dem Ausland und Privatgruppen über das ehemalige
Gelände des Konzentrationslagers Moringen im Süden Niedersachsens. In der
vergangenen Woche habe eine Gruppe von drei Männern und einer Frau eine
Führung gebucht – die Droldner frühzeitig beenden musste.
Der Grund: „Nach etwa 20 Minuten haben sie gesagt, dass Zeitzeugen nicht
zuverlässig und glaubwürdig seien“, sagt Droldner. „Danach zweifelten sie
an der Wahrheit historischer Dokumente über das Lager.“ Später hätten die
Besucher den Holocaust verharmlost – indem sie die Haft in einem
Konzentrationslager mit eigenen Haft-Erfahrungen verglichen hätten.
Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, handelte es bei der Gruppe um
Mitglieder einer regional bekannten Kameradschaft von Rechtsextremisten,
die im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2018 erwähnt wird. Auf
ihrer Facebook-Seite berichtete die Gruppe auch prompt von ihrem Besuch.
Der Staatsschutz hat darum Ermittlungen aufgenommen, die Staatsanwaltschaft
Göttingen will demnächst entscheiden, ob sie weiter ermittelt.
## Neue Dimension des Störens
Nach 45 Minuten habe er die Führung „in seichter Form“ frühzeitig
abgebrochen, erzählt Pädagoge Arne Droldner der taz, ohne dass die Besucher
bemerkt hätten, dass eigentlich vorzeitig Schluss gewesen sei. „Ich habe
einfach gesagt: Hier ist jetzt Ende.“ Auf dem Weg zum Parkplatz hätten die
Besucher noch ein bekannte Verschwörungstheorie erwähnt, mit der die
Ermordung von Menschen in Auschwitz geleugnet werden soll.
„Für uns ist das eine neue Dimension, mit der wir umgehen müssen“, sagt
Gedenkstätten-Mitarbeiter Arne Droldner. Viele andere Gedenkstätten mussten
sich schon früher damit auseinandersetzen, wenn Rechte sich unter ihre
Besucher mischen. Immer wieder missbrauchen Rechtsextreme Gedenkstätten und
Erinnerungsorte für Opfer des Nationalsozialismus als Bühne. Im Frühjahr
2019 hatte beispielsweise ein rechtsextremer Youtuber bei Führungen in den
Gedenkstätten in Dachau und Bergen-Belsen provoziert. Mitglieder einer
AfD-Gruppe vom Bodensee hatten 2018 in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen
behauptet, es habe dort keine Massenmorde gegeben.
Arne Droldner sagt: „Wir hatten uns überlegt, dass wir gewappnet sein
müssen, wenn so solche Gruppen kommen, um Rechtspopulismus oder
Geschichtsrevionismus zu betreiben.“ In ihrer Hausordnung hat die
Gedenkstätte darum einen Vorbehalt eingebaut, nach dem sie Besucher
verweisen kann, die beispielsweise die national-sozialistischen Verbrechen
in Frage stellen. „Wir wissen noch nicht, welche weiteren Konsequenzen wir
ziehen werden und was effektiv ist, um so etwas zu verhindern“, sagt
Droldner.
## Diskussion wird missbraucht
Ähnlich wie die niedersächsische Gedenkstätte haben auch andere
Erinnerungsorte eigene Verordnungen für ihr Hausrecht angelegt. Die
Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt beispielsweise führen eine spezielle
Extremismusklausel: Das Tragen von „Kleidung oder Symbolik, die eine
Verherrlichung von Diktaturen zum Ausdruck bringt,“ sei nicht gestattet,
heißt es dort. Natürlich zeigen nicht alle Besucher offen anhand ihrer
Kleidung ihre rechte Gesinnung.
Die Erinnerungsstätten sind auch Orte der Bildung – darum stehen sie vor
einer Zwickmühle. „Wir wollen ja die Diskussion, wir wollen aktive
Besucher, wir wollen kritische Reflektion fördern“, sagt Axel Drecoll,
Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Diese offene
Auseinandersetzung könne aber auch missbraucht werden – „so ein Verhalten
zwingt uns zur Grenzziehung, wenn Verbrechen in Frage gestellt oder
geleugnet werden“, sagt Drecoll.
Wie könnten die Gedenkstätten also konkret auf die Auftritte und
Störaktionen der Rechten reagieren? „Wir können und wollen unsere Besucher
nicht flächendeckend überwachen“, sagt Drecoll. Wegen seiner furchtbaren
Geschichte müsse die Gedenkstätte ein offener und transparenter Ort sein.
Die Institution hat aber ihre Guides speziell vorbereitet im Umgang mit
Geschichtsrevionisten oder rechtsextremen Besuchern: zum Beispiel mit
rhetorischen Schulungen und mit Techniken zur Deeskalation.
Die Gruppe in der Gedenkstätte Moringen war einzig mit dem Pädagogen und
keinen weiteren Besuchern unterwegs, eigentlich gab es kein Publikum für
die Störaktionen. „Wir wissen nicht, was sie mit dem Besuch beabsichtigt
hatten“, sagt Mitarbeiter Droldner. „Vielleicht, um sich als Opfer
darzustellen, weil sie abgewiesen wurden.“
22 Nov 2019
## LINKS
[1] http://www.gedenkstaette-moringen.de/website/willkommen.html
## AUTOREN
Simon Schramm
## TAGS
Gedenkstätte
Antisemitismus
Rechtsextremismus
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Erinnerungskultur
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