# taz.de -- Gesetzentwurf zum Kohleausstieg: Sicher sind nur die Entschädigung… | |
> Beinahe ein Jahr hat es gedauert, nun rückt das Gesetz zum Kohleausstieg | |
> näher. Ob neben den Unternehmen auch das Klima davon profitiert, ist | |
> offen. | |
Bild: Ihm geht der Ausstieg zu langsam: Greenpeace-Aktivist im Braunkohletageba… | |
BERLIN taz | Zehn Monate nachdem die Kohlekommission ihren Plan für den | |
Kohleausstieg vorgelegt hat, wächst bei den Umweltverbänden die Wut. 60 | |
Greenpeace-Aktivist*innen protestierten am Donnerstag im Braunkohletagebau | |
Garzweiler gegen die Verzögerungen durch die Politik. „Wirtschaftsminister | |
Altmaier liefert nicht beim Kohleausstieg“, sagte Greenpeace-Klimaexperte | |
Bastian Neuwirth. | |
Ebenfalls am Donnerstag besetzte Robin Wood das Steinkohlekraftwerk Moabit | |
in Berlin und kritisierte die „unfassbare Ignoranz“ der Regierung beim | |
Klimaschutz. Und an diesem Wochenende wollen Aktivist*innen von Ende | |
Gelände [1][erneut Braunkohle-Infrastruktur in der Lausitz blockieren], | |
weil ihnen der Kohleausstieg zu langsam geht. | |
Dabei scheint der durchaus vorangekommen zu sein, wenn man auf die Zahlen | |
der Kraftwerke schaut: Seit die aus Vertreter*innen von Wirtschaft, | |
Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammengesetzte Kommission im Januar | |
ihren Plan für den deutschen Kohleausstieg vorgelegt hat, ist die | |
Stromproduktion aus Kohlekraftwerken deutlich zurückgegangen: In den ersten | |
11 Monaten 2019 wurde in Deutschland rund 26 Prozent weniger Kohlestrom | |
produziert als im gleichen Zeitraum 2018. | |
Doch mit der aktuellen Politik der Regierung hat dieser Rückgang nichts zu | |
tun – er liegt vor allem an einer Kombination aus hohem CO2-Preis, | |
niedrigem Gaspreis und viel Wind. Das zuständige Wirtschaftsministerium hat | |
dagegen fast 10 Monate verstreichen lassen, bis ein erster [2][Entwurf für | |
ein Kohleausstiegsgesetz] vorgelegt wurde. | |
Der stieß auf breite Kritik – vor allem, weil zusammen mit dem | |
Kohleausstieg auch neue Abstandsregeln für die Windkraft festgelegt werden | |
sollten, die den Bau neuer Anlagen massiv behindert hätten. Nachdem die SPD | |
das auf keinen Fall mittragen wollte, taucht dieser Punkt – ebenso wie die | |
geplante Ausweitung des Zubaus von Solarkraftwerken – in einem neuen | |
Gesetzentwurf von dieser Woche, der der taz vorliegt, nicht mehr auf. | |
## Dann eben mit Zwang | |
Nachgebessert wurde der Entwurf auch beim Steinkohleausstieg: Wenn dabei | |
nicht genug Betreiber bereit sind, gegen eine Entschädigung freiwillig | |
Kraftwerke stillzulegen, sollen diese ab 2027 auch zwangsweise stillgelegt | |
werden. Geld soll es in diesem Fall laut Gesetzentwurf nur für „Härtefälle… | |
geben. Aus Sicht des Umweltverbands BUND bleibt der Entwurf damit | |
„dramatisch weit hinter dem hart erarbeiteten Beschluss der Kohlekommission | |
zurück“. | |
Noch schwieriger ist die Situation bei den besonders klimaschädlichen | |
Braunkohlekraftwerken. Hier will die Regierung die Stilllegung komplett | |
durch vertragliche Vereinbarungen mit den Betreibern regeln, doch die | |
Verhandlungen kommen seit Monaten kaum voran. Zuletzt am Dienstag saßen die | |
Chefs der Betreiberkonzerne RWE, Leag und Mibrag stundenlang bei | |
Verhandlungen im Ministerium, ohne sich zu einigen. | |
Sowohl bei der Entschädigungssumme als auch bei den genauen Abschaltdaten | |
liegen die Vorstellungen dem Vernehmen nach weit auseinander. Der | |
ursprüngliche Plan, noch im Jahr 2019 die ersten Kraftwerke stillzulegen, | |
um die Lücke beim Klimaschutzziel 2020 zu verkleinern, ist damit schon | |
nicht mehr erreichbar. | |
Selbst wenn es demnächst eine Einigung geben sollte, ist unklar, ob das dem | |
Klima wirklich etwas nützt. Denn im Gesetz ist bisher nicht vorgesehen, | |
dass die CO2-Zertifikate, die die deutschen Betreiber nach der Stilllegung | |
ihrer Kraftwerke nicht mehr benötigen, vom Markt genommen werden. | |
Die vermiedenen Emissionen könnten dann an anderer Stelle zusätzlich | |
entstehen, an der Summe würde sich nichts ändern. Die Kohlekommission hatte | |
darum ausdrücklich empfohlen, von der neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch | |
zu machen, Zertifikate löschen zu lassen, die durch zusätzliche nationale | |
Maßnahmen frei werden. Doch ob und in welchem Umfang die Regierung diesem | |
Wunsch folgt, ist offen. Dass hier eine klare Regelung fehlt, ist aus Sicht | |
von Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der „größte Makel“ im Gesetz. �… | |
Umsetzung der Ergebnisse der Kohlekommission sieht anders aus“, sagt er. | |
## Noch keine Einigung über Zertifikate-Löschung | |
Im Wirtschaftsministerium wird darauf verwiesen, dass zunächst geklärt | |
werden müsste, wie die damit einhergehenden Einnahmeausfälle finanziert | |
werden. „Die Verhandlungen laufen noch“, sagte eine Sprecherin. Im | |
Umweltministerium herrscht Optimismus, dass es kurzfristig eine Einigung | |
geben wird. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden, bei der | |
keine aufgrund des deutschen Kohleausstiegs überschüssigen Zertifikate im | |
System verbleiben“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) der | |
taz. | |
Komplett auf nationaler Ebene gelöscht werden müssen die Zertifikate aber | |
auch nach Ansicht des Umweltministeriums nicht. Zumindest ein Teil könnte | |
über einen neuen Mechanismus auf EU-Ebene verschwinden, die sogenannte | |
Marktstabilitätsreserve. Damit soll ein Teil der überschüssigen Zertifikate | |
zunächst in eine Reserve verschoben und unter bestimmten Bedingungen später | |
gelöscht werden können. Das wäre aber allenfalls „die zweitbeste Lösung�… | |
meint Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung. „Über die Marktstabilitätsreserve verschwindet nur | |
ein kleiner Teil der Zertifikate vom Markt, und das auch erst mit | |
Verzögerung“, sagte sie der taz. | |
Damit noch im Jahr 2022 die ersten Steinkohlekraftwerke abgeschaltet | |
werden, soll das Gesetz möglichst Anfang Dezember durchs Kabinett gehen. | |
Und spätestens dann steht auch fest, inwieweit vom Rückgang der deutschen | |
Kohleverstromung auch das Klima profitiert. | |
28 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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