| # taz.de -- Abgeordneter über Entschädigungen: „Ein Verrechnen darf nicht s… | |
| > Der Bundestagsabgeordnete Ottmar von Holtz sagt, eine finanzielle | |
| > Entschädigung für den Völkermord könnte die Landreform in Namibia | |
| > unterstützen. | |
| Bild: Die Nachfahren der Herero und Nama haben 2017 in New York Sammelklage geg… | |
| taz: Herr von Holtz, nach dem Völkermord an den Ovaherero und Nama hat die | |
| deutsche Kolonialverwaltung in Namibia das Land enteignet. Welche | |
| Verantwortung trägt Deutschland heute dafür? | |
| Ottmar von Holtz: Deutschland ist als ehemalige Kolonialmacht in vielerlei | |
| Hinsicht verantwortlich für das, was heute in Namibia getan werden kann und | |
| zum Teil auch getan werden müsste. Dazu gehört die Frage des Landbesitzes. | |
| Deutschland würde [1][seiner Verantwortung gerecht werden], wenn es sich | |
| im Zuge der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit proaktiv anbieten | |
| würde, zum Beispiel Vermittlungsgespräche zwischen deutschen Farmern in | |
| Namibia und der namibischen Regierung zu führen, um die Landreform | |
| voranzubringen. | |
| Die namibische Regierung sagt, sie habe nicht genug Geld, um die Farmen für | |
| die Umverteilung aufzukaufen. Müsste nicht Deutschland hier Entschädigung | |
| zahlen? | |
| Das könnte ein Teil der Vereinbarung zwischen Namibia und Deutschland sein. | |
| Seit Jahren steht im Raum, dass Deutschland neben der Bitte um | |
| Entschuldigung und der Anerkennung, dass es ein Völkermord war, eine Art | |
| Zahlung leistet, wie immer die dann heißt. Juristen im Auswärtigen Amt sind | |
| vorsichtig, wie man das formuliert. Ich nenne das Entschädigungszahlungen. | |
| Ein Teil der Entschädigung könnte sein, die Landreform finanziell zu | |
| unterstützen. | |
| Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen der namibischen und der | |
| deutschen Regierung? | |
| Die Verhandlungen sind leider [2][seit langer Zeit auf Eis gelegt]. Mein | |
| Verdacht ist, dass es an den Wahlen liegen könnte, die Ende November in | |
| Namibia stattfinden. Ich glaube, dass es im Moment tatsächlich eher an der | |
| namibischen Seite liegt, dass die Gespräche nicht weitergehen. | |
| Wirkt es sich auf die Landreform aus, dass diese Verhandlungen schleppend | |
| verlaufen? | |
| Ja, ein Abschluss würde bedeuten, dass wir endlich Projekte angehen | |
| könnten, an denen sich Deutschland auch beteiligt. Solange das nicht der | |
| Fall ist, haben wir die ganz normale Entwicklungszusammenarbeit, die aber | |
| die Fragen der Landverteilung und des Ahnenlands nicht im Blick hat. | |
| Die Bundesregierung hat Reparationen auch mit dem Hinweis abgelehnt, man | |
| zahle das höchste Pro-Kopf-Entwicklungsgeld an Namibia. Ovaherero und Nama | |
| sagen, das Geld komme nicht bei ihnen an. | |
| Dass Namibia die meisten Entwicklungsgelder pro Kopf bekommt, hat mit der | |
| Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit gar nichts zu tun. Ich werde auch | |
| sehr genau darauf achten, dass mit einer Zahlung im Rahmen der | |
| Völkermordaufarbeitung die Entwicklungszusammenarbeit nicht reduziert wird. | |
| Ein Verrechnen dieser beiden Zahlungen darf nicht sein. Es ist zwingend | |
| erforderlich, dass es Zahlungen wegen des Völkermords nur in Regionen geben | |
| darf, wo schwerpunktmäßig die Nachfahren der damaligen Opfer leben. Es ist | |
| nicht einfach, das nach einem ethnischen Prinzip zu verteilen, weil das | |
| schon über 100 Jahre her ist und viele Familien in der Zwischenzeit | |
| multiethnisch sind. Aber man kann das Geld unter der Kondition auszahlen, | |
| dass es nur in Regionen eingesetzt werden darf, wo schwerpunktmäßig Herero | |
| oder Nama leben. | |
| Glauben Sie, dass der Konflikt der Landverteilung entschärft wäre, wenn der | |
| Genozid anerkannt wäre und Deutschland sich offiziell entschuldigte? | |
| Ich glaube, dass die Frage zuerst in Namibia gelöst werden muss. Man stößt | |
| bei weißen Farmern durchaus auf Verständnis, was die Landfrage an sich | |
| angeht, aber was ich vermisse, ist das Geschichtsbewusstsein. Weiße Farmer | |
| vertreten ihre sicherlich berechtigten rechtlichen Interessen, aber das | |
| Bewusstsein, dass sie sich im historischen Kontext in einer bestimmten | |
| Rolle wiederfinden, ist zu wenig ausgeprägt. | |
| 21 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Elisabeth Kimmerle | |
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