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# taz.de -- Parlament debattiert Mietendeckel: Der wieder mal Unterschätzte
> Regierungschef Müller (SPD) überrascht mit klarer Distanzierung von
> Linkspartei-Plänen und bringt das Parlament zum Lachen.
Bild: Er kann auch anders: Michael Müller, Regierungs- und SPD-Chef von Berlin
Warum ist der Mann eigentlich in Umfragen so unbeliebt? Gilt als
durchsetzungsschwach und angeschlagen. Der Michael Müller, der am späten
Donnerstagvormittag im Abgeordnetenhaus zum Mietendeckel redet, passt so
gar nicht zu diesem Bild.
Witzig, überraschend, stichelnd, klare Kante zeigend, selbstbewusst: Der
Regierungschef von der SPD schafft es, den Mietendeckel zu verteidigen und
in derselben Rede mehrfach auch Beifall von der Opposition zu bekommen –
vor allem, als er die von der Linkspartei angestrebte Zerschlagung des
Wohnungs-Dachverbands BBU ablehnt.
Es ist ein parlamentarischer Kunstgriff, der die Abgeordneten schon jetzt
über den Mietendeckel reden lässt. Denn zur ersten Lesung im Parlament
steht der vom rot-rot-grünen Senat am Dienstag beschlossene Gesetzentwurf
erst in zwei Wochen an. Dann aber ist wegen der Haushaltsdebatte kaum Zeit
für Diskussion. Weshalb sich das Thema nun vorgezogen in der „Aktuellen
Stunde“ zu Beginn der Sitzung wiederfindet.
Die Debatte hat bis zu Müllers Rede wenig Überraschendes gebracht. Gabriele
Gottwald von der Linkspartei sah keine Alternative zu einer Intervention
auf dem Mietenmarkt, denn „gierige Zocker“ hätten bereits Teile der Stadt
übernommen. Nachteile für Unternehmen mag sie nicht erkennen – „der
Mietendeckel wird die Wirtschaft eher beleben“, sagt sie, weil Mietern mehr
Geld für anderes bleibe.
## Erwartbares..
So erwartbar wie ein Zwischenruf aus der FDP – „Noch mehr Planwirtschaft?“
– ist auch, was von CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff zu hören ist:
dass der Mietendeckel nicht verfassungsgemäß sei, dass der Neubau – anders
als von Gottwald behauptet – einbrechen werde. Und dass es der Linkspartei
gar nicht um die Mieter, sondern um Stimmungsmache für Enteignungen gehe.
„Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie völlig an der Mehrheit Ihrer
eigenen Wähler vorbeireden?“, konterte dies die SPD-Abgeordnete Iris
Spranger. Denn bei einer Umfrage befürworteten auch CDU-Wähler den
Mietendeckel, den das Parlament im Januar beschließen soll. Für AfD-Mann
Frank Scholtysek – dessen Rede Wolfgang Albers von der Linkspartei zu dem
unerwartet gottvertrauenden Ausruf bringt: „Herr, schmeiß Hirn herunter“ �…
ist der Mietendeckel „der Sargdeckel für Berlin und der Sargnagel für die
SPD“.
Worauf von der Grünen Katrin Schmidberger zu hören ist: „Investoren, denen
es nur um ihr Bankkonto geht, auf die verzichten wir gerne.“ Und genauso
erwartbar befürchtete FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja die Spaltung der
Stadt durch den Mietendeckel.
Und so steht nun Müller am Mikrofon und gesteht dem CDU-Redner Gräff zu, er
habe „einmal einen hellen Moment gehabt“. Allerdings nicht an ebendiesem
Vormittag, sondern an jenem Tag im Juni, an dem er das Interview gab, aus
dem Müller nun vorliest – er will den FAZ-Ausschnitt seither mit sich
getragen haben.
## .. und Überraschendes
„Ich fände einen Mietendeckel durch eine rechtsverbindliche Einigung mit
allen, die am Tisch sitzen, voll okay“, lässt sich genau dieser Gräff, der
den Deckel gerade noch so geißelte, dort zitieren. Großes Gelächter im
Saal, Gräff will wütend zu verstehen geben, dass das was anderes als das
jetzige Gesetz sei – aber auch seine CDU wirkt erst mal baff.
Aber Müller belässt es nicht beim Schlagabtausch mit der CDU. Zu den
Argumenten für den Mietendeckel gehört für ihn nämlich auch, dass der
Deckel einen tiefer gehenden Eingriff verhindere: „Ich halte Enteignungen
für einen grundsätzlich falschen Weg in unserer Gesellschaft“, sagt Müller,
was die CDU und die FDP applaudieren lässt und bei der Linkspartei für
Schweigen sorgt.
Das wiederholt sich: Denn Müller lobt auch den Hochhausbau am Alex, wo er
tags zuvor extra beim ersten Spatenstich gewesen sei. Auch wenn die 377
Wohnungen in dem 150-Meter-Turm keine Sozialwohnungen werden – „diese 377
helfen auch“. Aus der Linkspartei gab es zuvor heftige Kritik an dem
Hochhaus.
Aber der SPD- und Regierungschef ist noch nicht fertig. Nach einer kleinen
Spitze gegen die Grünen in Bremen, die angeblich noch nicht vom
Mietendeckel überzeugt sind, geht Müller auf Distanz zu jüngsten
Forderungen aus der Linkspartei: „Mit mir gibt es keine Zerschlagung des
BBU und auch keinen Austritt unserer Wohnungsbaugesellschaften.“ Das gibt
viel, viel Applaus bei seiner SPD – und lässt in gleicher Weise ahnen, dass
der jüngste Koalitionsstreit um den Mietendeckel schon bald irgendeine
Fortsetzung findet wird.
28 Nov 2019
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Mietendeckel
Michael Müller
R2G Berlin
Michael Müller
Lesestück Recherche und Reportage
Katrin Lompscher
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Die Linke Berlin
Mietendeckel
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