# taz.de -- Diskussion zum Mietendeckel: Bejubelte und Buhmänner | |
> Makler, Wohnungsunternehmer, Mietenaktivist und Katrin Lompscher: Im | |
> Babylon wurde über den Mietendeckel diskutiert. | |
Bild: Die Gier auf Stadt: Ein Still aus der Doku „Die Stadt als Beute“ | |
Es konnte einen schon wütend machen, was Andreas Wilcke mit seinem Film | |
„Die Stadt als Beute“ von 2016 aufgezeichnet hat. Berlin als Ort, wo | |
Investoren mit Geld auf Schnäppchenjagd gehen und ihr Glück gar nicht | |
fassen können, wie billig alles zu haben ist und wie rosig die Aussichten | |
auf steigende Renditen sind. Ob Millionenerben, Wohnungsgesellschaften oder | |
Immobilienmakler, das Berlin der letzten paar Jahre scheint das Eldorado | |
für Investitionen in Baugold gewesen zu sein. | |
Wilcke lässt die am Immobilienboom beteiligten Leute einfach reden und | |
spart sich jeglichen Kommentar. Aber er zeigt auch die Kehrseite von dem, | |
was die Glücksritter mit ihrem Hang zum Profit anrichten: Mieter, die nicht | |
mehr zahlen können, die heraussaniert und an den Stadtrand gedrängt werden. | |
Jemand wie Rackham Schröder, Geschäftsführer des Immobilienmaklers Engel & | |
Völkers („im Premium-Segment“), erklärt dazu in Wilckes Film nur süffisa… | |
man könne die Entwicklung der Stadt doch nicht an den Schwächsten | |
ausrichten. | |
Immerhin hatte Schröder keine Scheu davor, sich am Donnerstagabend nach der | |
ausverkauften Vorstellung von Wilckes Film im Kino Babylon einer Diskussion | |
mit der Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) | |
und anderen zu stellen. | |
Eigentlich sollte es eine Podiumsdiskussion zum Thema Mietendeckel werden. | |
Aber die Gemütslage im Publikum war eher danach, den Profiteuren der | |
Gentrifizierung einmal lauthals die Meinung zu sagen. Bevor es überhaupt zu | |
einem Frage-und-Antwort-Spiel unter der Moderation von Sebastian | |
Engelbrecht vom Deutschlandradio kommen konnte, mussten sich die Gemüter | |
erst einmal beruhigen. Der etwas zu offensichtlich um Autorität bemühte | |
Engelbrecht machte daher zu Beginn der Diskussion das Zugeständnis, dass | |
Transparente vor der Bühne entrollt werden konnten. „Wohnraum ist keine | |
Ware“, war da zu lesen. | |
## Demonstration des Unmuts | |
Das richtete sich vor allem gegen einen weiteren Mitdiskutanten auf dem | |
Podium: Ralf Spann, Europachef der in Berlin sehr aktiven | |
Wohnungsgesellschaft Akelius. Akelius sei „aktiver Teil der Bedrohung“, | |
erklärten die Bannerträger. Spann blieb jedoch den ganzen Abend lang fast | |
unterkühlt und erklärte in sachlichem Tonfall, seine Mieter könnten ruhig | |
schlafen. Das war zwar beruhigend gemeint, wurde aber bei einigen offenbar | |
persönlich Betroffenen im Publikum als Provokation empfunden. Der Abend | |
schien einmal mehr in eine Demonstration des Unmuts umzuschlagen. | |
So entwickelte sich die Atmosphäre ähnlich wie bei einer | |
Sportveranstaltung. Für Katrin Lompscher war es eine Art Heimspiel. Sie | |
wurde bei der Vorstellung bejubelt, genauso wie Rouzbeh Taheri, der | |
Initiator von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Für Immobilienmakler | |
Schröder wie für Wohnungsunternehmer Spann blieb nur die Rolle als Buhmann. | |
Auf die Kardinalfrage, „Was ist das Problem?“ beim Berliner Wohnungsmarkt, | |
antwortete Lompscher, „dass wir spät dran sind“. Was war damit gemeint? Was | |
Wilckes Film für die Jahre 2011 bis 2014 als Gentrifizierung beschreibt, | |
hat die seinerzeitige politische Führung geradezu hilflos begleitet. Im | |
Film offenbaren sich Klaus Wowereit und sein damaliger Bausenator Michael | |
Müller als politische Nullsprecher. Mit dem Mietendeckel, so Lompscher, | |
werde nun aber das Versprechen der Linken eingelöst, „die Stadt den | |
Menschen zurückzugeben“. Sofern die Gerichte mitspielen. | |
## Die Suchenden die Verlierer | |
Rackham Schröder, der Makler, sieht das Problem bei der Berliner | |
Stadtentwicklung ganz woanders. „Schuld ist die Attraktivität von Berlin.“ | |
Angebot und Nachfrage bestimmten die Verhältnisse, und nur wenn Rendite | |
erzielt wird, werde auch investiert, so betete Schröder das Mantra des | |
(Neo‑)Liberalismus herunter. Ähnlich – wenn auch mit weniger Arroganz – | |
erklärte Spann, der Unternehmer: „Die Verlierer werden die Suchenden sein.“ | |
Dann müsse der Staat eben für die Armen bauen. | |
Enteignungsinitiator Taheri sieht eine andere Lösung: einen Großteil aller | |
Wohnungen in öffentlicher Hand und unter „demokratischer Kontrolle“. Ohne | |
staatliche Regulierung gäbe es keine lebenswürdigen Wohnbedingungen in | |
Großstädten. In Taheri blitzte der Klassenkämpfer auf: Die Mieter könnten | |
erst dann ruhig schlafen, wenn es den Wohnungsunternehmen nicht mehr | |
gelinge, die Preise hochzutreiben. | |
Von einer „soziale Befriedung“ (Taheri) konnte im Babylon tatsächlich noch | |
keine Rede sein. Die einen bewerteten den Mietendeckel als Wiederkehr von | |
DDR-Verhältnissen, die anderen hielten Profite für unmoralisch. Am Ende | |
stellt sich wieder einmal die grundsätzliche Frage: Kann es überhaupt eine | |
Aufhebung der gegensätzlichen Interessen von Eigentümer und Mieter geben? | |
Die Antwort wird jedenfalls eine andere Grundlage haben, wenn der | |
Mietendeckel wirklich kommt. | |
„[1][Die Stadt als Beute]“ nochmals 2.–4. 12., 18.15 Uhr, im Babylon, | |
Rosa-Luxemburg-Str. 30 | |
29 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://babylonberlin.eu/programm/filmreihen/neuer-deutscher-film/2857-die-… | |
## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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