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# taz.de -- Recycling in der Ukraine: Im Kampf gegen den Müll
> Viele ukrainische Städte haben ein Müllproblem. Statt nur auf die Politik
> zu warten, packt eine AktivistInnen-Gruppe das Problem selbst an.
Bild: Müllberge sind nicht nur in der Ukraine, sondern auf der ganzen Welt ein…
Charkiw taz | Dass viele ukrainische Großstädte im [1][Müll] versinken,
kann man inzwischen in jeder Zeitung des Landes nachlesen. Doch kaum jemand
versucht, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dieser Umweltkatastrophe
und dem eigenen [2][Konsumverhalten]. Anders die Journalistin Anna
Prokajewa aus Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine: Sie stellt sich
seit Jahren entschlossen der zunehmenden Vermüllung ihres Landes entgegen.
Als Erstes hatte sie sich auf die Suche nach einem
[3][Recycling]-Unternehmen gemacht. Dann rief sie gemeinsam mit FreundInnen
in Charkiw dazu auf, Müll zu sammeln und ihn an einem bestimmten Tag zu
einer Abgabestelle zu bringen. Die Recycling-Firma fand das Projekt
interessant und stellte einen Lkw mit Fahrer kostenlos zur Verfügung, der
die Ware einsammelte.
Vom Erfolg und der großen Akzeptanz ermutigt, entschloss sich die
Anti-Müll-Gruppe um Prokajewa, einen Keller anzumieten. In diesen kann man
alles bringen, was man nicht mehr braucht. Und hier kann man sich auch von
diesen Gebrauchsgegenständen zu einem symbolischen Preis mitnehmen, was man
vielleicht doch noch braucht: Schallplatten, Rasierapparate,
Druckerpatronen, nicht rezeptpflichtige Medikamente, Klamotten, Geschirr
und Besteck, sogar Süßwaren.
Wer im Keller mitarbeitet, darf sich kostenlos mitnehmen, was er oder sie
braucht. „Wir haben Rentner, die keine hundert Euro Rente im Monat
erhalten“ berichtet Prokajewa. Die wären schon lange nicht mehr aus dem
Haus gegangen und hätten beim Sortieren im Öko-Hub nicht nur eine neue,
sinnvolle Aufgabe gefunden, sondern auch wieder Kontakt mit anderen
Menschen.
## Benefizkonzerte und Crowdfunding gegen den Müll
Viele TeilnehmerInnen machen in ihrer Verwandtschaft Werbung für die
inzwischen als „Zero Waste Charkiw“ bekannte Initiative. Sie ist somit Teil
einer seit 2016 existierenden landesweiten Bewegung. Finanzieren kann sie
sich vor allem durch Crowdfunding, Spenden und Benefizkonzerte. Gemeinsam
mit FreundInnen hat Anna Prokajewa in Charkiw weitere Räumlichkeiten
angemietet, in denen sie alles sammelt, was die Bürger von Charkiw nicht
mehr brauchen.
Inzwischen gibt es vier dieser „Öko-Hubs“ von „Zero Waste Charkiw“. Es…
aber nicht nur darum gehen, Müll zu sammeln, trennen und wiederzuverwerten.
„Irgendwann, als ich die zufriedenen Gesichter von Menschen gesehen habe,
die bei uns ihren Plastikmüll loswurden, habe ich mir gedacht: Irgendwas
machen wir falsch“, meint Prokajewa. Denn eigentlich gehe es darum,
überhaupt die Produktion von zukünftigem Müll zu vermeiden, auf Mehrweg
umzusteigen. Seitdem darf jede Person nur noch eine begrenzte Menge an
Plastikmüll im „Öko-Hub“ abgeben.
Seit Jahren trägt Prokajewa selbst nur noch gebrauchte Kleidung – man sieht
es ihr nicht an. Und sie reist viel durch ukrainische Städte, spricht in
Schulen, Universitäten, auf Pressekonferenzen. Und sie verhandelt mit
Restaurants und Firmen – ein paar hätten ihr schon zugesagt, auf
umweltfreundlichere Verpackung umzusteigen, berichtet sie stolz. Besonders
wichtig sei Bewusstseinsarbeit in den Dörfern, meint sie. Da werde so
vieles einfach in den Wald geworfen, Plastikmüll in den Hausöfen entsorgt.
„Viele wissen gar nicht, wie krebserregend dieser Rauch dann ist.“
Nach Angaben von Alexander Tschistjakow, Chef des Nationalen Ökologischen
Rates der Ukraine, gibt es neben 6.000 offiziellen Müllkippen noch 35.000
illegale. Dort lagerten derzeit 12,5 Milliarden Tonnen Müll, von dem gerade
einmal 3 Prozent recycelt würden. Anna Prokajewa gibt sich jedoch
optimistisch, dass ein verändertes Konsumverhalten etwas bewirken kann:
„Wir müssen bei uns selber anfangen. Nur eine Zero-Waste-Kultur kann den
Müll verhindern.“
## „Unser Glück endet nicht an der Wohnungstür“
Zu lange habe man blind den Regierenden vertraut, meint sie. „Und was haben
wir davon? Müll, der unsere Gesundheit bedroht.“ Wer sich ein ukrainisches
Hochhaus ansehe, begreife, was sich in der Gesellschaft ändere. Fassaden
und Treppenhäuser seien häufig sehr heruntergekommen, doch dahinter seien
liebevoll eingerichtete Wohnungen.
„Wir müssen begreifen, dass unser Glück nicht an der Wohnungstür oder im
eigenen Auto endet. Glück ist auch, wenn sich Stadtverwaltungen
entscheiden, umweltfreundliche Technologien einzusetzen, die Kinder saubere
Luft atmen, die Städte fahrradfreundlich sind. Wir müssen mit der Welt
umgehen wie mit unseren Wohnungen.“
Anna Prokajewa versteht es, anderen ihre Hoffnung zu vermitteln. Sie habe
gelesen, dass den UkrainerInnen die eigenen Kinder besonders wichtig seien.
Daher gelte es, diesen eine gute Zukunft ohne krank machende Müllberge zu
hinterlassen.
27 Nov 2019
## LINKS
[1] /Muell/!t5007645/
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[3] /Recycling/!t5011456/
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Recycling
Müll
Konsum
Ukraine
Zero Waste
Kiesgrube
Recycling
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Müll
Plastiktüten
China
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