# taz.de -- Mindestabstand für Windräder: Mehr, nicht weniger Platz | |
> Zerschießt der geplante 1.000-Meter-Abstand die Chance, das Ökostrom-Ziel | |
> der Bundesregierung für 2030 zu erreichen? Ja, meint ein neues Gutachten. | |
Bild: Was ist die richtige Lösung: Immer größere oder immer mehr Windräder … | |
Berlin taz | Rund 800 Windräder stünden schon in seinem Wahlkreis, sagt | |
Jens Koeppen. Der CDU-Politiker ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter | |
unter anderem für die Uckermark, ein Gebiet, das vom nördlichen Stadtrand | |
Berlins bis nach Mecklenburg reicht. Und er warnt: „Wir können nicht das | |
ganze Land zubauen und einfach über die Sorgen und Ängste der Menschen | |
hinweggehen. Sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich die Leute | |
von der Politik noch weiter abwenden.“ | |
Koeppen setzt sich für strengere Regeln ein, die den Ausbau der Windenergie | |
in Grenzen halten sollen. In der Fraktion der Union ist er einer der | |
stärksten Befürworter eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zwischen | |
Windrädern und Siedlungen. Diese Entfernung haben SPD und Union in ihrem | |
Klimapaket vereinbart. Die Christdemokraten legen sie allerdings | |
restriktiver aus als die Sozialdemokraten. Die geplante Entscheidung im | |
Bundeskabinett deshalb wurde auf Anfang Dezember verschoben. | |
Für Koeppen sind die 1.000 Meter nur „ein erster, wichtiger Schritt“. | |
Angesichts der immer höheren Anlagen würden „auch größere Entfernungen zu | |
Siedlungen nötig“. Dabei sei er kein Gegner der Energiewende, betont der | |
CDU-Politiker. „Weil die Leistung der Windräder steigt, können wir das | |
2030-Ziel auch mit weniger Anlagen erreichen.“ Die Bundesregierung will, | |
dass in zehn Jahren 65 Prozent des Stroms aus regenerativer Erzeugung | |
stammt. | |
Ein [1][neues Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes] widerspricht nun | |
Koeppens Annahme, dass das auch mit der strengen Windregel funktioniert. | |
Die zentrale Aussage lautet: „Der Ausbau der Windkraft droht durch die | |
geplante Einführung einer Abstandsregel zum Erliegen zu kommen.“ Statt | |
weniger müssten mehr Flächen für Windräder zur Verfügung gestellt werden. | |
Sonst könne Deutschland sein 65-Prozent-Ziel „deutlich verfehlen“. | |
Pauschale Mindestabstände seien das falsche Mittel, stattdessen brauche man | |
„Einzelfallabwägung vor Ort entlang klarer Leitlinien“. | |
## Hälfte der ausgewiesenen Fläche schon bebaut | |
Veröffentlicht wurde das Gutachten der Institute Fraunhofer IEE und | |
Navigant am Mittwoch. Das von der CDU geführte | |
Bundeswirtschaftsministerium, das die harte Windregel augenblicklich | |
unterstützt, hat es finanziert, das Umweltbundesamt hat es in Auftrag | |
gegeben. | |
Die Analyse zeigt, „dass deutschlandweit eine Fläche von rund 3.100 | |
Quadratkilometern auf Ebene der Regional- und Bauleitplanung für die | |
Windenergienutzung ausgewiesen ist“ – etwa 0,9 Prozent der Landesfläche. | |
Die eine Hälfte davon sei bereits mit Windanlagen bebaut. Die andere | |
stecke „im Entwurfsstadium“ und sei jetzt noch nicht nutzbar. | |
Die entscheidende Frage ist nun, wie viele Windräder auf diesem Platz | |
hinzugebaut werden können – und ob die Leistung dann ausreicht, um das Ziel | |
für 2030 zu erreichen. Heute stehen in Deutschland rund 30.000 Rotoren mit | |
einer Leistung von etwa 50 Gigawatt (GW). Für 65 Prozent Ökostrom 2030 | |
braucht man ungefähr 70 GW. | |
„Die rechtskräftigen Bestandsflächen verfügen aktuell über ein | |
Zubaupotenzial von 23 GW“, heißt es nun in dem Gutachten des | |
Umweltbundesamtes. Eigentlich müsste dieses Potenzial reichen, um in zehn | |
Jahren ausreichend Windstrom an Land zu produzieren. Zumal die Expert*innen | |
ein „theoretisches Leistungspotenzial der nutzbaren Flächen bis 2030 von | |
rund 81 GW“ sehen. Trotzdem, so schränken sie ein, sei es fraglich, ob sich | |
so das 65-Prozent-Ziel erreichen lässt. | |
## Klagen verzögern Ausbau | |
Die Gründe: Nicht alles, was möglich ist, wird auch gebaut. Viele | |
Projektpläne werden jahrelang beklagt, etwa weil schützenswerte Vögel an | |
geplanten Standorten brüten. Dadurch reduzieren sich die grundsätzlich in | |
Frage kommenden Flächen. Es bestünden deshalb „erhebliche Unsicherheiten, | |
ob selbst eine Leistung von 74 GW mit der aktuellen Flächenkulisse erreicht | |
werden kann“. Deshalb warnen die Gutachter*innen davor, den Platz durch | |
eine harte Abstandsregel noch weiter einzuschränken. | |
Stattdessen befürworten sie unter anderem „akzeptanzfördernde Maßnahmen“, | |
mit denen sich im konkreten Fall Kompromisse vor Ort erzielen ließen. Auch | |
eine „Ausweitung der Flächenkulisse“ komme in Betracht – also die | |
Ausweisung zusätzlicher Gebiete, die über die bisherigen Planungen | |
hinausgehen. | |
22 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/geplante-abstandsregeln-fuer-windraed… | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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