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# taz.de -- Forscherin über Nachhaltigkeitsplattform: „Das Wissen vor Ort li…
> Das IASS startet in Brandenburg eine neue Plattform. Die Direktorin
> erklärt, warum Bürgerbeteiligung für den Strukturwandel entscheidend ist.
Bild: Sorgt für Konflikte: die Stillegung von Kohlekraftwerken wie diesem in J…
taz: Frau Nanz, am Dienstag lädt ihr Forschungsinstitut, das Institute for
Advanced Advanced Sustainability Studies (IASS), zur ersten Plenumssitzung
der Nachhaltigkeitsplattform Brandenburg in Cottbus ein. Was passiert dort?
Patrizia Nanz: Unsere Plattform ist ein Kommunikationsforum zur
Nachhaltigkeit im Land Brandenburg. Regionale Initiativen, Organisationen
und Institutionen können sich darüber miteinander vernetzen.
Was soll am Ende stehen – eine Entwicklungsstrategie für die Lausitz?
Der Plattform geht es um ganz Brandenburg. Und nein, keine komplette
Strategie, dafür ist die Aufgabe zu komplex. Aber was die Lausitz braucht,
sind gemeinschaftlich entwickelte Visionen, die nicht mehr dominiert sind
von der Gewinnung von Braunkohle und Produktion von Strom. Die Menschen
brauchen eine Vorstellung davon, wie sie dort künftig leben wollen, und die
können sie nur selbst entwickeln. Natürlich bleiben die Entscheidungsgewalt
und auch die Verantwortung bei der Politik. Aber die Lausitzerinnen und
Lausitzer müssen die Möglichkeit der unmittelbaren Mitsprache bekommen.
Werden dort Menschen zu Wort kommen, die sonst nicht mitreden dürfen,
können oder wollen?
Die laufenden Beteiligungsprozesse in der Lausitz erreichen noch nicht in
ausreichendem Maße die Menschen. Es fehlt an dem klar formulierten
politischen Willen, die Wünsche der Lausitzerinnen und Lausitzer
einzubeziehen. Der parallel laufende Prozess zum Strukturstärkungsgesetz
auf Bundesebene zwingt die Länder, flexibel zu bleiben. Unsere Forschung am
IASS zielt darauf ab, Kontexte und Menschen zu identifizieren, die bisher
nicht systematisch in den Strukturwandelprozess eingebunden waren.
Man weiß ja gar nicht, ob man sich mehr Bürgerbeteiligung in der Lausitz
wünschen soll – die AfD hat dort bei den letzten Landtagswahlen 31 Prozent
geholt…
Das können Sie nicht vergleichen. Es ist ein Unterschied, ob man alle paar
Jahre eine Partei wählen darf oder ob man eingeladen ist, selber
Perspektiven zu entwickeln. Das ist doch genau das, was dort fehlt und
warum sich die Menschen auch von den demokratischen Parteien abwenden, weil
sie sich ohnmächtig fühlen. Das Wissen, die Kreativität und das Engagement
der Bevölkerung vor Ort liegt weitgehend brach. Angesichts des
tiefgreifenden Transformationsprozesses, vor dem die Lausitz steht, ist das
katastrophal.
Gilt das nur für die Lausitz?
Natürlich nicht. Die ganze Bundesrepublik steht vor tiefgreifenden
Transformationsprozessen, in der Lausitz ist der Bedarf nur besonders
offensichtlich. Der Klimawandel erzwingt grundlegende Veränderungen, in der
Energieversorgung, der Mobilität oder der Produktion von Lebensmitteln. Wir
alle müssen die Frage beantworten, wie wir künftig leben und arbeiten
wollen.
Darum dürfen ja auch alle wählen. Reicht das nicht?
Wählen ist wichtig, sollte jedoch nicht alles an Beteiligung gewesen sein.
Wir müssen die parlamentarische Demokratie weiter entwickeln, sie für die
Bedürfnisse und Visionen der Gesellschaft öffnen. Die Fakten über die
Erderwärmung sind in der Naturwissenschaft seit Jahrzehnten Konsens, aber
wir haben viel zu wenig getan. Selbst die Klimaziele des Pariser Abkommens
werden von den Demokratien nicht eingehalten, obwohl die Bevölkerung,
gerade die junge, dies etwa auf den Fridays for Future-Demos heftig
einfordert. Mit unseren eingeübten Prozessen der Willensbildung und
Entscheidungsfindung alleine werden wir die notwendige Transformation in
Richtung Nachhaltigkeit nicht schaffen.
Warum nicht der chinesische Weg? Umweltpolitik einfach vorschreiben?
Nein, von den Autokratien sollten wir uns keine besseren Ergebnisse
erhoffen. Wenn man sich etwa die chinesische Politik anschaut, dann ist sie
in Sachen Klimawandel oder Ressourcenschonung nicht ambitionierter.
Außerdem ist es eine Fehlannahme, dass Autokratien einfach durchregieren
könnten. Sie sind viel abhängiger vom Wohlwollen ihrer Bevölkerung als
Demokratien, weil ihnen die rechtliche Legitimation fehlt. Hinter der
Kritik an den Demokratien in Bezug auf den Klimawandel steht die Idee, er
sei ein naturwissenschaftliches Problem, für das es auch eine
naturwissenschaftliche Lösung gebe, die nur durchgesetzt werden müsste. So
ist es aber nicht. Der Klimawandel hat seine Ursache in sozialen,
ökonomischen und kulturellen Strukturen. Für diese komplexen Probleme gibt
es keine einfachen Lösungen vom Reißbrett. Darum brauchen wir nicht
weniger, sondern gerade mehr Demokratie: Mehr Einflussnahme und mehr
Mitgestaltung, neue Wege und neue Verfahren. Genau das probieren wir in der
Lausitz.
12 Nov 2019
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Bürgerbeteiligung
Brandenburg
Lausitz
Strukturwandel
Nachhaltigkeit
Schwerpunkt Fridays For Future
Brandenburg
Braunkohle
Kohleausstieg
Bürgerbeteiligung
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