# taz.de -- Ackerland in Ostdeutschland: Ausverkauf an Aldi-Erben | |
> Wieder profitiert ein langjähriger Agrarlobbyist von einem Deal mit dem | |
> Discounter-Clan. Solche Investoren treiben die Bodenpreise in die Höhe. | |
Bild: Die Preise für landwirtschaftliche Flächen steigen: Ein Feld bei Espenh… | |
Berlin taz | Klaus Kliem, ehemaliger Präsident des Thüringer | |
Bauernverbands, hat einen großen Agrarbetrieb an eine Stiftung der | |
Aldi-Erben verkauft. Die Geithainer Landwirtschafts mbH aus der Nähe von | |
Leipzig ging laut Kaufvertrag am 27. September an ein Unternehmen der | |
Boscor-Gruppe, das dem Handelsregister zufolge der Lukas-Stiftung gehört. | |
Die Stiftung ist eine der drei Eigentümerinnen des Discounters Aldi Nord. | |
Verkäufer ist ein Tochterunternehmen einer Firma, von der Familie Kliem 52 | |
Prozent hält. | |
Der Betrieb in Sachsen bewirtschaftet nach einer Schätzung der taz auf | |
Grundlage der je Fläche gezahlten Agrarsubventionen etwa 1.500 Hektar. Das | |
ist viel, selbst in Sachsen, wo der Flächendurchschnitt der Agrarbetriebe | |
mit [1][138 Hektar] im Vergleich zu Westdeutschland schon sehr hoch ist. | |
Damit habe die Aldi-Stiftung nun zwei Agrarbetriebe, sagte Constantin | |
Freiherr von Reitzenstein, Geschäftsführer der Boscor-Gruppe. Die Frage, | |
ob weitere Käufe geplant seien, wollte er nicht beantworten. Ende Juni | |
hatten die Aldis die Agrargenossenschaft Kayna in Sachsen-Anhalt gekauft. | |
Die Stiftung ist für Presseanfragen in der Regel nicht erreichbar. | |
Wahrscheinlich kaufen die Aldi-Eigentümer die Agrarbetriebe aber nicht, um | |
den Discounter zu beliefern. Vielmehr geht es ihnen wohl darum, ihr | |
Milliardenvermögen nun auch in Agrarflächen zu investieren. | |
## EU-Agrarsubventionen versprechen sichere Rendite | |
Weil Staaten und Banken kaum noch Zinsen etwa auf Anleihen zahlen, kaufen | |
Konzerne zunehmend Äcker, die dank der größtenteils pro Hektar gezahlten | |
EU-Agrarsubventionen sichere Rendite versprechen. Eine Studie des | |
bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume zeigt, dass | |
vor allem ostdeutsche Agrarunternehmen immer häufiger Ortsfremden gehören. | |
Das traf Anfang 2017 auf [2][34 Prozent der 853 untersuchten Firmen] in | |
allen neuen Bundesländern zu. 2007 waren es erst 22 Prozent gewesen. | |
Agraraktivisten sprechen von Landgrabbing, also der illegitimen Aneignung | |
von Land. Die Gewinne aus der Nutzung des Bodens fließen aus den Gemeinden | |
ab. So wird der Wohlstand immer ungleicher verteilt. Den Gemeinden gehen | |
Einnahmen verloren, denn überregionale aktive Kapitaleigentümer zahlen | |
keine Ertrag- oder Einkommensteuer am Sitz ihrer Tochterunternehmen. | |
Zudem tragen die Käufer von außerhalb laut Aktivisten dazu bei, dass die | |
Bodenpreise noch stärker steigen. Seit 2009 haben sich die Verkaufswerte | |
von landwirtschaftlich genutztem Land laut dem Statistischen Bundesamt im | |
Schnitt [3][mehr als verdoppelt]. Gerade kleine Bauern können in diesem | |
Bieterkampf nicht mithalten. Dabei bieten ihre Höfe durchschnittlich mehr | |
Arbeitsplätze pro Hektar und eine größere Vielfalt von Pflanzen und Tieren. | |
## Neues Gesetz benötigt | |
Der Deutsche Bauernverband schweigt zum Thema Landgrabbing meist, offenbar | |
auch weil mehrere aktuelle oder ehemalige Funktionäre der Organisation vom | |
Ausverkauf der Landwirtschaft profitieren. So ist es auch in diesem Fall: | |
Klaus Kliem war von 1990 bis 2012 Präsident des Thüringer Bauernverbands | |
und anschließend Ehrenpräsident. Auch im Präsidium des Deutschen | |
Bauernverbandes saß der heute 71-Jährige. Zu DDR-Zeiten war er | |
[4][Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft] (LPG) | |
Tierproduktion Aschara, des Vorläufers seines heutigen Kernunternehmens. | |
Kliem war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. | |
Der aktuelle Verkauf zeige, wie dringend die Bundesländer ein Gesetz | |
verabschieden müssten, das solche Deals verhindert, sagte Michael Grolm, | |
Vorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL). „Wenn ein Discounter wie Aldi | |
weiter auf Einkaufstour geht, werden zukünftig weder die heimischen | |
Landwirte noch die Verbraucher oder die Bienen etwas zu lachen haben“, so | |
Grolm. | |
Die EU subventioniere solche investorgeführten Betriebe mit | |
Hunderttausenden Euro Agrarsubventionen. So hat die Geithainer | |
Landwirtschaftsgesellschaft mbH laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und | |
Ernährung im Jahr 2018 insgesamt [5][435.000 Euro Beihilfen] erhalten. | |
„Geld, das Aldi dringend braucht!?“, fragt die AbL. | |
Boscor-Chef Reitzenstein wies die Vorwürfe zurück. „Dass da Subventionen | |
abgeschöpft werden, das ist einfach Unfug und Polemik“, sagte der Manager | |
der taz. „Warum soll dieser Betrieb anders behandelt werden als der | |
Nachbarbetrieb? Dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage.“ | |
Es sei wissenschaftlich belegt, dass außerlandwirtschaftliche Investoren | |
die Landpreise nicht in die Höhe trieben. Natürlich würden die Eigentümer | |
jetzt nicht mehr in der Region wohnen. Aber: „Ein Unternehmen dieser | |
Größenordnung hat sich ein Landwirt vor Ort noch nie leisten können, und | |
das wird er auch künftig nicht können.“ | |
4 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Jahrbuch/jb-land-forstwirtsch… | |
[2] /Landgrabbing-im-Osten/!5465965 | |
[3] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/10/PD19_N007_61.h… | |
[4] https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8757634.html | |
[5] https://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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