# taz.de -- Sachsen-Anhalt erschwert Landgrabbing: Die Äcker denen, die drauf … | |
> Erstmals könnte ein Bundesland Ämtern erlauben, Käufe von Firmen mit | |
> großen Agrarflächen zu untersagen. Das plant Sachsen-Anhalts Koalition. | |
Bild: Spekulation mit Ackerland? Sachsen-Anhalts Regierungskoalition will das n… | |
Berlin taz | Im Kampf gegen Landgrabbing könnte Sachsen-Anhalt als erstes | |
Bundesland seinen Behörden ermöglichen, den Kauf von Firmen zu verbieten, | |
die große Ackerflächen besitzen. Die Regierungsfraktionen CDU, SPD und | |
Grüne bringen am Donnerstag einen [1][Gesetzentwurf] in den Landtag ein, | |
wonach so ein „Share Deal“ untersagt werden darf, um Wucherpreise oder eine | |
zu hohe Konzentration von Äckern zu verhindern. Das soll insbesondere | |
Großinvestoren bremsen, die zunehmend Agrarland kaufen und Bauern von ihrer | |
Scholle verdrängen. Das Gesetz könnte Vorbild für andere Bundesländer wie | |
Thüringen oder Brandenburg sein, die ebenfalls die Regeln auf dem | |
Agrarbodenmarkt verschärfen wollen. | |
Bisher dürfen die deutschen Landkreise nur Käufe von Agrarland untersagen, | |
aber nicht von Firmen mit solchen Grundstücken. Dieses Schlupfloch haben | |
zum Beispiel Eigentümer des Discounters Aldi Nord oder des | |
Rückversicherungskonzerns Munich Re genutzt. Sie kauften per Share Deal | |
ohne Genehmigung der Landwirtschaftsbehörden große Ländereien in | |
Ostdeutschland auf. Wegen der pro Hektar gezahlten EU-Subventionen | |
versprechen Äcker im Vergleich zu Anleihen hohe Rendite, deshalb sind sie | |
ein beliebtes Investitionsobjekt für solche Anleger. | |
„Durch Share Deals gelangt immer mehr Boden in die Hände | |
außerlandwirtschaftlicher Investor*innen“, sagte Dorothea Frederking, | |
agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, der taz. Dieses | |
[2][Landgrabbing] habe dazu beigetragen, dass die durchschnittlichen Preise | |
für Agrarland in Sachsen-Anhalt seit 2006 auf das 4-fache gestiegen seien. | |
Da könnten gerade kleine landwirtschaftliche Betriebe kaum noch mithalten. | |
Weil Finanzinvestoren in der Regel nicht vor Ort lebten, flössen | |
Wertschöpfung und Steuerkraft aus den Dörfern ab. Kleine Höfe bieten laut | |
Bundeslandwirtschaftsministerium pro Hektar im Schnitt [3][mehr | |
Arbeitsplätze]. | |
Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche | |
Räume zeigt, dass immer mehr ostdeutsche Agrarunternehmen ortsfremden | |
Investoren gehören. Das traf Anfang 2017 auf 34 Prozent der 853 | |
untersuchten Firmen in allen neuen Bundesländern zu. 2007 waren es nur 22 | |
Prozent gewesen. Betroffen sind vor allem sehr große Betriebe. | |
Auch deshalb sollen dem nun geplanten Agrarstrukturgesetz zufolge künftig | |
alle Käufe genehmigungspflichtig sein, bei denen es um mehr als 25 Prozent | |
eines Unternehmens mit über 250 Hektar Landwirtschafts- oder Forstfläche in | |
Sachsen-Anhalt geht. Die 250-Hektar-Schwelle orientiert sich am | |
durchschnittlichen Betrieb, der 2016 laut Statistischem Landesamt [4][270 | |
Hektar] bewirtschaftete. | |
## Veto gegen Monopole auf dem Bodenmarkt | |
Die Behörden können dann die Erlaubnis vor allem aus zwei Gründen | |
verweigern: Wenn der Erwerber den Marktwert um mehr als 20 Prozent | |
überbietet oder er mehr als die Hälfte der Agrarfläche in der Gemarkung – | |
also etwa in einem Dorf – besitzt oder pachtet. Die durchschnittliche | |
Gemarkung in Sachsen-Anhalt ist laut Ministerium für Landesentwicklung rund | |
1.200 Hektar groß. Wer ohne Genehmigung kauft, muss bis zu 1 Million Euro | |
Geldbuße zahlen. | |
Auch direkte Landverkäufe sollen die Kreise in Zukunft schon dann verbieten | |
können, wenn der Preis mehr als 20 Prozent höher ist als der Marktwert. | |
Bisher lag die Schwelle laut Rechtsprechung bei 50 Prozent. Außerdem soll | |
Sachsen-Anhalts Landgesellschaft den Plänen zufolge ein Vorkaufsrecht | |
haben, selbst wenn sie die Fläche nicht sofort an einen Bauernhof in der | |
Region weiterverkauft – dafür soll sie 10 Jahre Zeit haben. Allerdings | |
sollen Verkäufe nun erst ab 5 statt wie bisher 2 Hektar | |
genehmigungspflichtig werden. Denn der durchschnittliche Betrieb sei | |
inzwischen stark gewachsen, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. | |
## Linke Bauern fordern mehr | |
„Die Genehmigungsfreigrenze bei 5 Hektar hebelt den wirkungsvollen Schutz | |
von ortsansässigen, kleinen Höfen aus, den wir jetzt schon haben. Sie | |
müssten künftig vermehrt gegen außerlandwirtschaftliche Investoren | |
konkurrieren“, sagte Claudia Gerster der taz. Sie ist Sprecherin der | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Sachsen-Anhalt und | |
kritisierte auch, dass für Share Deals bis 250 Hektar weiterhin keine | |
Erlaubnis nötig sein soll. | |
„Der Entwurf bietet keine Instrumentarien, die Anteilskäufe wirkungsvoll | |
verhindern“, urteilt Gerster. Die Käufer müssten in der Nähe des Betriebs | |
leben und das Land mindestens 15 Jahre nicht verkaufen dürfen, forderte die | |
Milchbäuerin aus dem Burgenland, wo eine Aldi-Stiftung eine große | |
Agrargenossenschaft übernommen hat. | |
Dem Bauernverband Sachsen-Anhalt, der viele Großbetriebe vertritt, geht die | |
Vorlage hingegen viel zu weit. Dessen Präsident, Olaf Feuerborn, bemängelte | |
im Gespräch mit der taz vor allem, dass die Betriebe in einer Gemarkung | |
nicht zu groß werden dürfen. „Das ist zu klein gedacht“, sagte der | |
Landwirt. „Man muss Umkreise um einen Betrieb ziehen“, in denen er einen | |
Flächenanteil nicht überschreiten darf. Der Radius müsse so groß sein, dass | |
die regionalansässigen Betriebe nicht begrenzt würden. Sonst würde das | |
Gesetz den örtlichen Firmen schaden, denen es eigentlich nutzen sollte. | |
Feuerborn argumentierte, wenn der Inhaber eines großen Betriebs etwa aus | |
Altersgründen verkaufen wolle, könnten die nötigen Summen oft nur von | |
auswärtigen Investoren aufgebracht werden. | |
Bei so viel Widerstand von beiden Seiten des agrarpolitischen Spektrums ist | |
fraglich, ob der Landtag das Gesetz wirklich so beschließen wird. Der | |
CDU-Politiker Hermann Onko Aeikens, bis 2016 Agrarminister in | |
Sachsen-Anhalt, scheiterte mit einem ähnlichen Vorstoß auch am Widerstand | |
seiner eigenen Fraktion, lange bevor ein Gesetz überhaupt in den Landtag | |
kam. Dieses Mal bringen immerhin alle Fraktionsvorsitzenden der | |
Regierungskoalition gemeinsam die Vorlage ein. Aber spät: Im April tagt das | |
amtierende Parlament das letzte Mal – im Juni wird schon ein neues gewählt. | |
18 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/drs/wp7/drs/d6804rge.pdf | |
[2] /Landgrabbing/!t5011738 | |
[3] https://www.bmel-statistik.de/fileadmin/daten/BFT-1100000-2019.xlsx | |
[4] https://statistik.sachsen-anhalt.de/themen/wirtschaftsbereiche/land-und-for… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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