| # taz.de -- Helfer über tote Migranten im Sahel: „Einfach in der Wüste abge… | |
| > Auf dem Weg durch die Sahara sterben heute mehr Migrant*innen als auf dem | |
| > Mittelmeer. Moctar Dan Yayes Gruppe Alarm Phone versucht zu helfen. | |
| Bild: Diese Migranten wurden aus Algerien nach Agadez in Niger ausgewiesen. Vie… | |
| taz: Herr Yaye, die UN haben am vergangenen Wochenende noch einmal | |
| bekräftigt, dass sie davon ausgehen, dass es derzeit [1][mindestens doppelt | |
| so viele] Tote auf dem Weg durch die Wüste als im Mittelmeer gibt. Sie hat | |
| von einer „Tragödie“ gesprochen. Warum genau sterben die Menschen heute in | |
| der Sahara? | |
| Moctar Dan Yaye: Der reguläre Weg durch die Wüste ist nicht so riskant. | |
| Doch [2][seit 2015 ist es in Niger verboten], ausländische Flüchtlinge und | |
| MigrantInnen durch die Wüste zu transportieren. Den Fahrern drohen hohe | |
| Strafen. Also nehmen sie teils Routen durch unerschlossenes, unbewohntes | |
| Gebiet. Das erhöht viele Risiken: zu wenig Benzin oder Wasser, | |
| Desorientierung, Unfälle, Zurückgelassene auf der Flucht vor dem Militär. | |
| So wurde die Wüste gefährlich gemacht. Dabei ist sie heute [3][stärker | |
| kontrolliert und militarisiert] als zuvor. | |
| Weshalb? | |
| Es gibt in Niger viele internationale Truppen, etwa aus den USA, | |
| Frankreich, Deutschland, anderen Sahel-Staaten. Offiziell geht es dabei vor | |
| allem um den Kampf gegen die dschihadistischen Gruppen, die dort aktiv | |
| sind. Im nigrischen Diskurs wird dies aber oft mit der irregulären | |
| Migration vermischt. Die Fahrer werden von offiziellen Stellen vor allem | |
| als Drogen- oder Waffenschmuggler dargestellt. Tatsächlich ist das Bild | |
| differenzierter. Seit der Kriminalisierung des Migrantentransports gibt es | |
| neue Akteure, die teils schwer einzuschätzen sind. Einige fahren nur | |
| MigrantInnen für das tägliche Brot, es sind aber sicher auch Kriminelle | |
| darunter, die gleichzeitig illegale Dinge schmuggeln. | |
| Es heißt, auch Abschiebungen seien ein Grund für die vielen Todesfälle. | |
| Stimmt das? | |
| Nach unserer Wahrnehmung ist das so. Das betrifft im Wesentlichen Menschen, | |
| die aus Algerien zurückgeschoben werden. Nigrische Staatsangehörige werden | |
| meist in der grenznahen Stadt Assamaka oder in Agadez den Behörden | |
| übergeben. Dabei passiert nichts. Bei anderen Nationalitäten aber hält sich | |
| das algerische Militär teils nicht an die Abmachungen, die Menschen werden | |
| einfach an der Grenze in der Wüste abgesetzt. Das ist meiner Ansicht nach | |
| illegal. Auch Ausländer müssen sicher den nigrischen Behörden übergeben | |
| werden. | |
| Von der Grenze nach Assamaka sind es weniger als 15 Kilometer. Ist das so | |
| gefährlich? | |
| Ja. Es gibt dort kaum Orientierungspunkte, immer wieder verlaufen sich | |
| Menschen. | |
| Was kann eine zivilgesellschaftliche Initiative wie das [4][Alarm Phone | |
| Sahara] dagegen tun? | |
| Erstens: Die Politik, die die Menschen in Gefahr bringt, zu denunzieren. | |
| Zweitens: Die Folgen dieser Politik zu dokumentieren, also die Zahl der | |
| Unfälle, die geschehen, die Zahl der Toten. Und drittens versuchen wir | |
| natürlich, Menschen zu retten und ihnen konkret zu helfen. | |
| Wie? | |
| Wir haben ein Netz von etwa 20 Kontaktleuten, wir nennen sie Alarmgeber. In | |
| Assamaka etwa fährt jemand das Gebiet bis zur Grenze mit dem Motorrad ab, | |
| um nach verirrten Menschen zu suchen. In Siedlungen an | |
| Verkehrsknotenpunkten versuchen unsere Leute vorbeikommende | |
| Migrantengruppen anzusprechen. Wenn sie anhalten, fragen wir, wo sie hin | |
| wollen. So lässt sich manchmal ein Unglück nachvollziehen. Vor allem aber | |
| geben wir Ratschläge zum Gebiet und verteilen unsere Flugblätter mit | |
| Informationen zum Verhalten bei Notfällen in der Wüste. | |
| Was bekommen Ihre Leute dafür? | |
| Sie tun es freiwillig, wir können kaum mehr zahlen als Geld für | |
| Handyguthaben, damit sie etwa Berichte an uns durchgeben oder etwas Benzin | |
| kaufen können. Einige der Alarmgeber sind schon wieder aus dem Projekt | |
| ausgestiegen, weil sie ihre ganze Zeit brauchen, um ihren Lebensunterhalt | |
| zu verdienen. | |
| 17 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /UNHCR-zu-Fluchtrouten/!5637978&s=cochetel/ | |
| [2] /Wie-Niger-die-Fluchtrouten-dichtmacht/!5468121&s=jakob+niger/ | |
| [3] /Aus-Le-Monde-diplomatique/!5602720&s=eucap/ | |
| [4] https://alarmephonesahara.info/en/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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