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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Schwein Mensch
> Ratten in Berlin sind cool. Jedenfalls bedächtiger als die Insassen der
> Hauptstadt. Inzwischen übernehmen die Tiere sowieso sämtliche Metropolen.
Ach herrje. Der Paketbote hat eine Rattenphobie. Und wir haben Ratten im
Haus. Als beide Parteien neulich im Hof aufeinandertrafen, gab es ein
großes Gequietsche. Vom Paketboten, die Ratte blieb ganz cool. Sie schaute
nur kurz verwundert auf, was der Krach soll. Ich bin ein bisschen stolz auf
sie, unsere Ratten sind auf der Evolutionsleiter schon eine Stufe weiter.
Sie rennen nicht mehr sinnlos weg, nur weil jemand daherkommt. Sie gucken
höchstens kurz, was passiert. Aber natürlich passiert überhaupt nichts,
weil niemand Lust hat, sich weiter mit ihnen zu beschäftigen.
Es wird sowieso immer wilder. Neulich ist mir beim nächtlichen Überqueren
des Berliner Alexanderplatzes ein Fuchs entgegengekommen. Dann hat direkt
vor meinem Fenster ein Habicht eine Taube gerissen. Fehlt nur noch, dass
eine Rotte Wildschweine vor der Haustür steht. Die nämlich, so hat eine
Studie des Instituts für Zoo- und Wildtierforschung jüngst ergeben, haben
keine Angst mehr vor Menschen. Nicht mal vor Berlinern.
„Die Studienergebnisse zeigen, dass das Störungspotenzial durch den
Menschen von urbanen Wildschweinen ganz anders wahrgenommen und toleriert
wird als von Landschweinen“, sagen die Forscher. Es ist faszinierend, aber
das erklärt, warum Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sich dauernd
aufregt über Berlin und warum die Zugezogenen im Prenzlauer Berg alle Clubs
wegklagen. Die Ghetto-Schweine lassen den Menschen auch dreimal näher an
sich heran als ihre Vettern vom Land. „Das liegt daran, dass Stadtschweine
gelernt haben, dass von Menschen üblicherweise keine Gefahr ausgeht.“ Ich
nehme an, den Tipp haben ihnen unsere Ratten gegeben.
Die Verhaltensregeln, die auf der Homepage des Landes Berlin für den
Wildschweinkontakt empfohlen werden – interessanterweise in der Rubrik
„Lifestyle“ –, praktiziere ich sowieso schon lange, wenn mir
Jungmännergruppen entgegenkommen: „Ruhe bewahren und gelassen bleiben,
ausreichend Abstand halten; eine Rückzugsmöglichkeit geben; auf keinen Fall
hektisch werden und wegrennen.“
Kann man eins zu eins auf Goldkettchen- und Bomberjackenträger übertragen.
Einzig über den Tipp „Falls möglich, auf einen Hochsitz klettern“ musste
ich etwas grübeln. Ansonsten sind die Parallelen verblüffend. „Welche
Warnsignale gibt es für einen Angriff?“, fragt berlin.de und antwortet:
„Wenn das Wildschwein lautstark durch die Nase schnaubt und bläst, das
Schwänzchen aufgestellt ist, es den Kopf hin und her wirft und die Zähne
klappern, steht ein Angriff kurz bevor.“ Fehlte nur noch, dass das
Wildschwein fragt: „Was guckstu?“
Berlin.de weiter: „Verletzte Keiler sind besonders aggressiv und greifen
immer wieder an.“ Es ist doch stets dasselbe – Männer sind eben Schweine,
Toxic Masculinity allüberall. „Grundsätzlich sind es aber friedliche
Tiere“, hält berlin.de versöhnlich fest. Auch das stimmt ja zum Glück fast
immer: beim Schwein ebenso wie beim Menschen.
8 Nov 2019
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Tiere
Ratten
Berlin
FDP
Silvester
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