# taz.de -- Die Wahrheit: Heulen, bis die Augen brennen | |
> Festspiele der Opfer: Im badischen Weinheim fand jetzt der Postmoderne | |
> Fünfkampf im Rahmen der „1. Jammeriade“ statt | |
Bild: Das Publikum ist sichtlich betroffen, als die Athleten loslegen | |
Es regnet Bindfäden an diesem kühlen Herbsttag im badischen Weinheim. | |
Trotzdem haben sich einige Hundert Zuschauer auf den Rängen des | |
Sepp-Herberger-Stadions eingefunden, um die 1. „Jammeriade“ zu erleben. | |
Applaus bleibt aus, als Jürgen Schlömer, der Vorsitzende des | |
„Zentralverbandes Deutscher Berufsopfer“, zur Eröffnungsansprache ans | |
Mikrofon tritt. Über Lautsprecher waren alle Gäste vorab gebeten worden, | |
auf jedes Klatschen zu verzichten, da dies Menschen mit Knalltrauma schwer | |
irritieren könne. | |
„Liebe Menschen!“, beginnt Schlömer. „In unserer Gesellschaft sind es die | |
Erfolgreichen und die Glücklichen, die immerzu im Mittelpunkt stehen. Mit | |
unserer Jammeriade, den Paraolympischen Spielen für die von der | |
Gesellschaft Behinderten, wollen wir die Opfer in unserem Land endlich | |
sichtbarer machen. Aber das ist nicht alles: Wir wollen im sportlichen | |
Wettbewerb auch herausfinden, wer das größte Opfer von allen ist, damit | |
endlich klar wird, auf welche Seite mensch sich schlagen muss, um definitiv | |
zu den Tadellosen zu gehören.“ | |
Das Publikum nickt stumm, aber sichtlich betroffen. Vier Athleten betreten | |
nun zu den Klängen des Klassikers „Cry me a river“ den Wettkampfplatz. | |
Jürgen Schlömer reicht nacheinander allen das Mikrofon, damit sie sich den | |
Fans präsentieren können. | |
„Ich bin hier, um für andere zu denken, für andere zu fühlen, für andere … | |
reden“, beginnt Jana Hensel ihre kurze Ansprache. „Für die Zonenkinder, f�… | |
die Ostdeutschen! Das unsagbare Leid von Millionen Ostdeutschen versuche | |
ich schon im Klang meiner Stimme auszudrücken. Dieses Leiden, dieses | |
schreckliche Leeeeeiiiiiiiden!“, steigert sich die Literatin in ihre Suada | |
hinein. „Was müssen die Ostdeutschen nicht alles ertragen: niedrige Löhne, | |
Erektionsprobleme, Schwarze in der Straßenbahn. Wie sollen die Ostdeutschen | |
da bitte nicht rechts wählen?“ | |
## Millionen deutsche Muslime | |
Der nächste Sportler ergreift das Mikrofon, es ist Aiman Mazyek vom | |
Zentralrat der Muslime. „Ich stehe hier stellvertretend für Millionen | |
deutscher Muslime, die darunter leiden, ständig stellvertretend für die | |
Taten anderer Muslime einstehen zu müssen. Nur weil ab und zu jemand im | |
Namen Allahs in die Luft gesprengt oder geköpft wird, übt man überall | |
Kritik am Islam. Fairness sieht anders aus! Über die Terroranschläge von | |
vietnamesischen oder italienischen Einwanderern redet niemand!“ | |
„Viele von Ihnen werden glauben, ich sei hier fehl am Platz“, fährt nun | |
BMW-Großaktionär Stefan Quandt fort. „Ein Milliardär ist doch kein Opfer | |
der Gesellschaft! Aber Menschen wie ich müssen Sozialneid und Hass | |
erdulden. Unbarmherzig werden wir von Kommunisten und Mitarbeitern des | |
Finanzamts verfolgt. Wir sind quasi die Juden der Gegenwart. Wie viele | |
Menschen vergessen, dass mein Reichtum hart erarbeitet wurde! Nicht von | |
mir, zugegeben. Aber es ist doch auch eine Leistung, von den richtigen | |
Eltern geboren zu werden!“ | |
Ein Murmeln in den Zuschauerrängen wird hörbar, als der letzte Athlet sich | |
vorstellt: „Mein Name ist Björn Höcke. Es gibt niemanden in unserem schönen | |
Vaterland, der von den Kartellparteien und den Systemmedien so verteufelt | |
wird wie ich. Das zeigt einmal mehr, dass ich von der Vorsehung auserwählt | |
wurde, Deutschland einst als Diktator zu dienen. Ich freue mich auf den | |
kommenden Wettkampf und bin zuversichtlich, den Endsieg im Kampf ums Dasein | |
zu erringen!“ | |
Endlich beginnt der Postmoderne Fünfkampf. Als erster Wettbewerb steht das | |
„Eimerweinen“ auf dem Programm: In möglichst kurzer Zeit gilt es, ein Gef�… | |
mit fünf Litern Tränen zu füllen. Jana Hensel ist schon nach zwei Minuten | |
fertig und geht klar in Führung. Aber auch der sichtlich emotionalisierte | |
Björn Höcke schlägt sich gut. Aiman Mazyek braucht deutlich länger, Stefan | |
Quandt bleibt sogar ganz trocken. | |
Die nächste Disziplin ist das „Fingerzeigen“. Die Emo-Sportler müssen | |
ausdauernd ihren Zeigefinger auf die Kontrahenten richten und „Ihr seid | |
schuld!“ rufen. Aus diesem Wettstreit geht Björn Höcke klar als Sieger | |
hervor. Während die anderen schon nach wenigen Minuten ihre Arme entkräftet | |
sinken lassen, bleibt seine Rechte stramm. Übung macht den Meister! | |
## Persönliches Geschenk vom Großvater | |
Es folgt der „Verantwortungsabwurf“. Hier siegt Stefan Quandt überlegen, | |
der einen seiner Mitarbeiter 7,56 Meter weit hinauswirft. Jana Hensel wirft | |
die Flinte hingegen nur zwei Meter ins Feld, Aiman Mazyek kann sich von der | |
Scharia nur dreißig Zentimeter weit distanzieren. Und Björn Höcke will | |
seine signierte Ausgabe von „Mein Kampf“ gar nicht aus den Händen lassen. | |
„Die hat mein Großvater persönlich geschenkt bekommen!“, erklärt der | |
Alt-Thüringer feierlich. | |
Die vierte Disziplin ist das „Einsame Rufen“, bei dem sich alle Wettkämpfer | |
darum bemühen müssen, möglichst laut „Ich“ zu brüllen. Erschwert wird i… | |
dies durch Knebel. Doch sind die Profis, obwohl sie doch eigentlich mundtot | |
gemacht sind, erstaunlicherweise mühelos in der Lage, die Lautstärke von | |
startenden Düsenjets zu erzeugen. Die Zuschauer in den Rängen halten sich | |
die Ohren zu. Diese Runde hat gleich vier Gewinner. | |
Schließlich naht die Entscheidung. Ein Hindernislauf bildet das Finale des | |
Fünfkampfs. Als Jürgen Schlömer das Startsignal gibt, schnellen die | |
Athleten aus den Startblöcken. Nur Jana Hensel bleibt deutlich zurück, sie | |
hat offenbar den Schuss nicht gehört. Nach vierhundert Metern stoßen die | |
Läufer auf das einzige Hindernis: Eine Hürde von einem halben Meter Höhe | |
erhebt sich vor ihnen. Alle vier bleiben stehen und fangen an zu schimpfen. | |
„Wieder eine unfaire Barriere!“, klagt Mazyek. „Einmal mehr greifen die | |
Volksfeinde zu schmutzigen Tricks!“, jammert Höcke. „Diese Hürde steht | |
sinnbildlich für die Mauer in den Köpfen!“, barmt Hensel. „Hätte ich nur | |
meinen Wagen dabei, um durchzubrettern!“, ärgert sich Quandt. Dann geben | |
alle vier auf und verlassen kopfschüttelnd das Stadion. | |
Unter den Zuschauern erhebt sich leiser Protest. Jürgen Schlömer tritt noch | |
einmal ans Mikrofon, um die explosive Lage zu beruhigen: „Liebe Menschen! | |
Ich entschuldige mich für den etwas enttäuschenden Ausgang unserer ersten | |
Jammeriade. Leider können wir heute nicht wie geplant einem Sieger oder | |
einer Siegerin die Dornenkrone aufsetzen. Wenn ich mir’s recht überlege, | |
hätten wir das eigentlich ahnen müssen. Wer soll denn auch bei einem | |
Wettbewerb gewinnen, an dem nur Verlierer teilnehmen?“ | |
8 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Michael Bittner | |
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