# taz.de -- Die Wahrheit: Ein Streik wider Gott | |
> Zur Himmelfahrt von Christi: eine Abrechnung mit der höchsten Stelle. | |
> Hinaus aus dem weihrauchvernebelten Dunkel, hinaus an die frische Luft! | |
Bild: Auch der Kuschelpapst soll mal streiken, findet die heilige Greta | |
Im vorvergangenen Jahrhundert war’s, da entdeckten die Proletarier ein | |
Mittel, um ihre Ausbeuter wenigstens ein bisschen zu zügeln: den Streik. | |
„Alle Räder stehen still / Wenn dein starker Arm es will.“ Ein Arm allein | |
reicht allerdings nicht, es müssen schon ziemlich viele Leute zur gleichen | |
Zeit die Hände in den Schoß legen, um den Herrschenden ein paar milde Gaben | |
abzupressen. Der Streik ist inzwischen sogar gesetzlich erlaubt – ein | |
sicheres Zeichen dafür, dass von ihm keine größere Gefahr mehr ausgeht. Den | |
Proletariern gehören die Fabriken, in denen sie arbeiten, immer noch nicht, | |
dafür aber oft ein Opel und eine Mikrowelle. Solcher Erfolg macht andere | |
neidisch. | |
So gab es jüngst unter dem Motto „Maria 2.0“ den ersten Frauenstreik in der | |
Geschichte der katholischen Kirche. Die Bewegung, die naturgemäß mit einer | |
Mahnwache in Münster begann, setzt sich nichts Geringeres zum Ziel als eine | |
Erneuerung der Kirche. Gläubige Frauen in ganz Deutschland betraten eine | |
ganze Woche lang kein Gotteshaus und verrichteten keine kirchlichen | |
Dienste, um den katholischen Männerverein zu erschüttern, der sich | |
beharrlich weigert, die Gleichberechtigung einzuführen. Besonders am Herzen | |
liegt den gläubigen Frauen, dass endlich auch Priesterinnen geweiht werden. | |
„Für einen neuen Aufbruch, wo die Botschaft von Jesus Christus wirklich im | |
Mittelpunkt steht, wo es weniger um Hierarchien geht, wo Frauen | |
gleichberechtigt sind“, so heißt es bei „Maria 2.0“. | |
Selbst Kuschelpapst Franziskus zeigt sich in dieser Frage jedoch eher | |
verstockt. Er lässt Theologen in der Kirchengeschichte nach Belegen für | |
weibliche Priesterschaft suchen, da nach den Gesetzen der Logik bekanntlich | |
nie Neuerungen eingeführt werden dürfen, die es nicht früher schon einmal | |
gegeben hat. Überraschenderweise sind die Forscher bislang noch nicht so | |
recht fündig geworden. | |
Aber auch an der Basis sind nicht alle Frauen von dem Kirchenstreik | |
begeistert. Die Schongauer Lehrerin Johanna Stöhr, die als Alternative die | |
Aktion „Maria 1.0“ ins Leben gerufen hat, erklärte: „Maria braucht kein | |
Update.“ Wer als Frau nach Weiheämtern strebe, sei „auf dem Holzweg“. De… | |
die Frau habe schlicht nicht die Aufgabe, Priester zu werden. „Das ist die | |
göttliche Ordnung.“ Leider hat Frau Stöhr einen prominenten Fürsprecher | |
innerhalb der Kirche, nämlich den Apostel Paulus, der an die Korinther | |
schrieb: „Das Weib schweige in der Gemeinde!“ | |
## Pfaffenmafia | |
Unmittelbare Erfolge zeitigte der Frauenstreik keine. Zum Ausgleich dafür | |
wurden die Frauen aber mit Solidaritätsbekundungen von Kirchenmännern | |
überschüttet, die liebend gerne Macht abgeben würden. Aber leider, leider: | |
Es geht noch nicht, die Erlaubnis vom obersten Mann fehlt. „Was wäre ich | |
als Pfarrer ohne die Frauen? Ich könnte meine Pfarrei zusperren“, bekannte | |
jedoch Priester Klaus Weigand im oberfränkischen Heroldsbach. | |
Und da horcht endlich auch der eingefleischte Atheist auf. Es ist ja nicht | |
auszudenken! Die Frauen hätten es also wirklich in der Hand, durchs bloße | |
Fernbleiben der katholischen Kirche endgültig den Garaus zu machen? Dieser | |
Pfaffenmafia, der wir den Faschismus, ein paar Millionen Aidstote und das | |
Gesamtwerk von Martin Mosebach verdanken? | |
Aber ach, die Frauen wollen die katholische Kirche ja leider gar nicht in | |
Frieden einschlafen lassen. Sie wollen sie auferwecken von den Toten und | |
ihr ewiges Leben schenken! Gott bewahre! So gut und schön auch das Ziel der | |
Gleichberechtigung ist, es fällt schwer, sich mit Frauen zu solidarisieren, | |
die sich darüber beklagen, in einem Patriarchenverein eingesperrt zu sein, | |
während die Tür sperrangelweit offensteht. Wer hindert sie, aus dem | |
weihrauchvernebelten Dunkel nach draußen zu treten, ins Licht und an die | |
frische Luft? Sie wollen drinnen bleiben. Sie wollen den erleuchteten | |
Schwindel, die gesalbte Beutelschneiderei gar nicht beenden, sondern sich | |
nur einen fairen Anteil an der Beute sichern! | |
## Da helfen auch keine Gebete | |
Der katholische Frauenstreik wird nichts bewegen. Und das liegt nicht nur | |
daran, dass viele katholische Würdenträger sich grundsätzlich nicht für | |
Frauen interessieren. Fataler ist noch der Irrglaube, man könnte die | |
Priester durch Gebetsverweigerung in die Knie zwingen. Von Gebeten ernähren | |
die sich aber überhaupt nicht. Ihr Einkommen ist von ganz materieller | |
Natur. Und das versiegt nicht, solange die rebellischen Frauen auch | |
weiterhin brav den Kirchenzehnten abführen. Die Priester lächeln über den | |
Frauenstreik so milde, wie es Kapitalisten täten, denen von ihren Arbeitern | |
angedroht würde, man werde in Zukunft bei der Arbeit nicht mehr lächeln. | |
Soll ein Glaubensstreik tatsächlich Sinn ergeben, müsste er sich ohnehin | |
gegen den wirklichen Boss richten: Gott. Und es gibt auch wahrlich mehr als | |
genug Gründe, mit diesem Tyrannen abzurechnen. Welch versaute Schöpfung hat | |
er uns vor die Füße gekippt! Samt Päpsten, Erdbeben und Nasenhaaren! In | |
diesem Saftladen rackern wir uns ein Leben lang ab und Gott bezahlt uns | |
nicht einmal dafür, sondern verlangt auch noch Dank, ja Huldigung! | |
Bestrafen wir diesen größenwahnsinnigen Versager endlich, indem wir uns | |
alle gemeinsam weigern, weiter an ihn zu glauben! | |
29 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Michael Bittner | |
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