| # taz.de -- Soldaten am Checkpoint Charlie: Geschichte wiederholt sich | |
| > Schausteller in GI-Uniform verdienen Geld mit Fotos. Nach vielen | |
| > Beschwerden von Touristen will der Bezirk das nicht mehr dulden. | |
| Bild: Ausgemustert: Fake-Soldaten am Checkpoint Charlie | |
| Jeden Tag gegen Viertel vor neun findet am [1][Checkpoint Charlie] eine Art | |
| Morgenappell statt. Dann kommen aus irgendwelchen Ecken mehrere GIs und | |
| ihre russischen Gegner, schieben eine Karre in Richtung des weißen | |
| Kontrollhäuschens in der Mitte der Straße und fangen mit der Arbeit an. | |
| Die besteht nicht in der Kontrolle von Ausweispapieren oder dem Filzen von | |
| Fahrzeugen, wie das viele Jahre an diesem Grenzübergang zwischen Ost- und | |
| Westberlin üblich war. Vielmehr wollen sie zeigen, dass hier, direkt am | |
| Anfang – oder Ende? – des einstigen amerikanischen Sektors, ganz sicher der | |
| Kapitalismus gesiegt hat. | |
| Denn natürlich sind die Soldaten genauso wenig echt wie das weiße | |
| Wärterhäuschen, das vor gut einem Jahrzehnt an diesem Mauerrummelplatz | |
| aufgestellt wurde. Es sind [2][verkleidete Menschen], die für ein Foto von | |
| sich von den Touristen Geld nehmen. Offenbar nicht zu knapp und offenbar | |
| auch mit Nachdruck: Die Beschwerden von Bürgern und Touristen hätten sich | |
| zuletzt gehäuft, heißt es aus dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, | |
| unter dessen Kontrolle der Checkpoint heute ist. Passanten seien gedrängt | |
| beziehungsweise „regelrecht genötigt“ worden, am Kontrollhäuschen für ein | |
| Foto mit den Fake-Soldaten zu zahlen. | |
| So entwickelte sich eine soziale Situation, die jener vor 30 Jahren auf der | |
| östlichen Seite der Mauer nicht ganz unähnlich ist: Unmut in der | |
| Bevölkerung gepaart mit dem Murren über das eigene Konsumverhalten. | |
| Aber während vor 30 Jahren noch Hunderttausende auf die Straße gehen | |
| mussten, um die Grenzkontrollen an der Mauer Vergangenheit werden zu | |
| lassen, reicht heute eine Anordnung des Bezirksamts, auf dessen Terrain der | |
| Checkpoint Charlie liegt: „Dem Betreiber wurde mitgeteilt, dass die Duldung | |
| ab sofort aufgehoben ist und er mit Verfolgung einer Zuwiderhandlung | |
| rechnen muss“, heißt es darin. | |
| ## Mitte hat die falschen Soldaten schon 2014 verboten | |
| Angeblich fiel die Entscheidung bereits im August – bekannt wurde sie | |
| allerdings erst am Montag, just zu Beginn der Feierlichkeiten zum 30. | |
| Jahrestag des Mauerfalls. Zufall? Diskussionen, ob dieses mit Anleihen an | |
| Karneval auch „Mummenschanz“ genannte Treiben der Bedeutung des Ortes | |
| angemessen sei, gab es schon länger. Der Bezirk Mitte hatte bereits vor | |
| fünf Jahren eine ähnliche Abzocke am Brandenburger Tor verboten – mit | |
| Erfolg. | |
| Auch am Checkpoint Charlie soll es damit also nun vorbei sein. Sollten die | |
| Schausteller ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, werde das Ordnungsamt im | |
| Rahmen seiner Personalkapazitäten das Verbot durchsetzen, kündigt der | |
| Bezirk an, gegebenenfalls auch mit Unterstützung der Polizei. Von Panzern, | |
| die dem Ort historisch angemessen wären, ist indes noch keine Rede. | |
| 4 Nov 2019 | |
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| Bert Schulz | |
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