# taz.de -- Streit ums Mauergedenken: Konfrontation am Checkpoint Charlie | |
> Seit Jahren posieren als Soldaten verkleidete Studenten am Checkpoint | |
> Charlie für Touristen. Senat und Exkultursenator Flierl finden das | |
> geschmacklos. Der Bezirk hält die Soldaten für Künstler. | |
Bild: Berlins beliebtestes Fotomotiv: Schauspieler mit Fahnenattrappe vor nach … | |
Attraktion und Ärgernis zugleich: Die studentischen Aushilfen, die sich | |
täglich als Soldaten verkleidet am Checkpoint Charlie ablichten lassen und | |
dafür je Bild einen Euro kassieren, sorgen für Misstöne zwischen Senat und | |
dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. "Uns erreichen immer wieder | |
Beschwerden von Touristen, die beim bloßen Fotografieren des Checkpoints | |
belästigt werden", sagt Rainer Klemke, der Gedenkstättenreferent des | |
Senats. "Es ist einfach ärgerlich." Auch ein früherer US-Kommandant am | |
Checkpoint Charlie habe sich bereits beschwert. Der Bezirk müsse Abhilfe | |
schaffen. | |
Außerdem sei es Geschichtsfälschung, wenn dort verkleidete Schauspieler in | |
Uniformen jedweder Nation und Funktion umherstolzierten, beklagt Klemke. Er | |
äußert sich damit ähnlich wie der frühere Kultursenator Thomas Flierl | |
(Linke), der "die bisher einseitig touristisch-kommerzielle Orientierung" | |
am früheren alliierten Grenzübergang als "problematisch und geschmacklos" | |
bezeichnet hat. | |
In den Tagen nach dem Mauerbau am 13. August 1961 und während des Kalten | |
Krieges hatten sich US-amerikanische und sowjetische Panzer am Checkpoint | |
Charlie in direkter Konfrontation gegenübergestanden. Seit mehreren Jahren | |
posieren vor dem auf einer Verkehrsinsel gelegenen Häuschen auf der | |
Friedrichstraße von 10 bis 18 Uhr zwei "Soldaten", einer mit amerikanischer | |
Uniform und einer in französischer oder russischer Uniform. Lassen sich | |
Touristen mit ihnen fotografieren, müssen sie einen Euro bezahlen. | |
Vorwürfe, Touristen würden beim ausschließlichen Fotografieren des | |
Checkpoints genötigt zu zahlen, weist Tom Luszeit zurück. Er ist Chef der | |
DanceFactory, bei der die Soldaten-Schauspieler angestellt sind. "Das ist | |
völliger Quatsch", sagt er. Selbst wenn Besucher sich mit den Männern in | |
Uniform ablichten ließen und dann nicht zahlten, würden sie höflich | |
behandelt. "In anderen Ländern werden Sie da bespuckt", so Luszeit. Auch | |
der Student, der unter dem Namen "Charlie" vor dem Museum Stempel auf | |
Papier druckt, schiebt die Kritik auf "schlechte Presse". Die Schlagzeilen | |
kämen stets vor dem 13. August, dem Jahrestag des Mauerbau-Beginns auf, | |
sagt der junge Mann. | |
Stimmt nicht, kontert Klemke von der Senatskanzlei. Er stehe seit Jahren | |
mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in einem Briefwechsel. Der | |
zuständige Stadtrat Peter Beckers (SPD) sagt, er werde den Vorwürfen | |
nachgehen. Dass die Schauspieler Geld verlangen, sei nicht vereinbart | |
gewesen; das Bezirksamt sei bislang davon ausgegangen, dass es sich um | |
Künstler, nicht um Gewerbetreibende handele. Möglicherweise solle ein | |
alternativer Standort für die falschen Soldaten gefunden werden. | |
Klemke verweist gern auf das Bezirksamt Mitte, das die Situation am | |
Brandenburger Tor gut unter Kontrolle habe. Nach den Worten des für das | |
Ordnungsamt zuständigen Bezirksstadtrat Joachim Zeller (CDU) sind dort | |
fliegender Handel und Stände verboten, seit es vor Jahren Probleme mit | |
massiv auftretenden Devotionalienhändlern gab. | |
Der Präsident des Abgeordnetenhauses Walter Momper (SPD) sieht das Ganze | |
entspannter. "Wo viele Menschen und Touristen sind, ist auch viel Kommerz." | |
Momper, der zur Wendezeit Regierender Bürgermeister war, findet nicht, dass | |
der Ort entweiht werde. "Junge Leute wollen es eben authentisch | |
nachgestellt haben", sagt er. | |
11 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Kristina Pezzei | |
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Mauerfall | |
Checkpoint Charlie | |
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