# taz.de -- Entscheidung nach Plagiatsvorwurf: Giffey bleibt Doktorin | |
> Die FU Berlin hat beschlossen: Franziska Giffey darf ihren Doktortitel | |
> behalten und kommt mit einer Rüge davon. Nicht alle sind damit | |
> einverstanden. | |
Bild: Frau Doktorin bleibt Doktorin. Die SPD möchte sie trotzdem nicht leiten | |
Berlin taz | Die Ministerin hat geschummelt, aber das war nicht so schlimm: | |
Franziska Giffey (SPD) darf ihren Doktortitel behalten. Die Freie | |
Universität Berlin (FU), an der sie 2010 erfolgreich promoviert hatte, | |
erteilte ihr lediglich eine Rüge, weil sie in ihrer Doktorarbeit „die | |
Standards wissenschaftlichen Arbeitens [1][nicht durchgängig beachtet] | |
hat“. Den Doktorgrad zu entziehen sei „nicht gerechtfertigt“, teilte die … | |
am Mittwochabend mit. Giffey erklärte, sie werde nun „mit großem | |
Engagement und viel Freude“ ihre Arbeit als Familienministerin fortsetzen. | |
Ins Rennen um den SPD-Vorsitz will sie dennoch nicht mehr einsteigen. „Ich | |
habe mich am Anfang des Verfahrens entschieden, nicht anzutreten, und zum | |
jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens, kann ich Ihnen sagen, werde ich auch bei | |
dieser Entscheidung bleiben“, sagte sie am Donnerstag in Mainz. Giffey | |
hatte wegen der Plagiatsvorwürfe Mitte August erklärt, nicht als mögliche | |
Kandidatin bei der Urwahl mitzumachen. Zugleich hatte sie mitgeteilt, als | |
Ministerin zurückzutreten, wenn ihr der Doktortitel aberkannt wird. Giffey | |
selbst hatte ein bewusstes Plagiat immer zurückgewiesen. | |
Die Internetplattform VroniPlag hatte bei der Prüfung von Giffeys | |
Dissertation mit dem Titel: „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der | |
Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ letztlich | |
auf gut einem Drittel der rund 200 Seiten „wörtliche und sinngemäße | |
Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind“, | |
[2][gefunden]. Giffey selbst hatte daraufhin Anfang Februar die FU um die | |
Überprüfung ihrer Arbeit gebeten. Diese dauerte mit gut acht Monaten | |
ungewöhnlich lange. | |
In den letzten Jahren hatten mehrere hochrangige Bundespolitiker ihren | |
Doktortitel wegen Pfusch bei der Dissertation verloren, darunter der | |
damalige Verteidigungsministers [3][Karl-Theodor zu Guttenberg] (CSU), der | |
2011 deswegen zurücktrat; 2013 trat Bildungsministerin [4][Annette Schavan] | |
(CDU) nach der Aberkennung des Titels zurück. Verteidigungsministerin | |
[5][Ursula von der Leyen] (CDU) durfte 2016 hingegen trotz nachgewiesener | |
Mängel in ihrer Dissertation Doktorin der Medizin bleiben. | |
## Verfahren nicht im Ansatz neutral | |
Im Fall von Franziska Giffey war allgemein ebenfalls mit einer Aberkennung | |
gerechnet worden. Doch die fünfköpfige Prüfungskommission der FU kam zum | |
Schluss, es könne „trotz der festgestellten Mängel nicht grundsätzlich in | |
Frage gestellt werden, dass es sich bei der Dissertation um eine | |
eigenständige wissenschaftliche Leistung handelt“. Der Kommission gehörten | |
vier MitarbeiterInnen der FU an und lediglich ein externer Hochschullehrer. | |
Martin Heidingsfelder, Gründer der Plattform VroniPlag, nannte die | |
Entscheidung angesichts der vielen monierten Stellen „einen Witz“ und eine | |
„Gefälligkeitsgeschichte“: „Jedem anderen wäre der Doktortitel mit einer | |
solchen Arbeit nicht verliehen worden.“ Zudem hätten die Prüfer die Arbeit | |
nicht einmal selbst untersucht, sondern lediglich die von VroniPlag als | |
geklaut nachgewiesenen Textstellen betrachtet. Er forderte, dass künftig | |
solche Untersuchungen nicht mehr von der Hochschule gemacht werden dürften, | |
an der die Promotion angenommen wurde: Sonst sei das Verfahren – da die Uni | |
sich ja selbst Fehler nachweisen müsse – nicht im Ansatz neutral. | |
Pikant im Fall Giffey: Die Verbindungen zwischen der FU und der SPD sind | |
traditionell eng. Seit Jahrzehnten bilden insbesondere Absolventen des | |
[6][Otto-Suhr-Instituts] der Uni einen wichtigen Teil des Personals der | |
Berliner Sozialdemokratie. Auch Giffey hat am OSI promoviert. Politisch | |
zuständig für die Hochschule ist der Regierende Bürgermeister Michael | |
Müller selbst – der SPD-Mann ist ebenfalls Senator für Wissenschaft und | |
Forschung und Landeschef der Partei. | |
## FU reagiert bis Redaktionsschluss nicht auf taz-Anfrage | |
Für Giffey sind dank der Entscheidung viele politische Perspektiven wieder | |
offen, zunächst im Bund, zumindest solange die Groko noch hält. Die | |
Nachfragen, ob sie nicht doch noch SPD-Chefin werden möchte, zeigen zudem, | |
mit welchen Hoffnungen ihre Person parteiintern verbunden ist. Aber auch | |
auf Landesebene könnte die einstige Neuköllner Bezirksbürgermeisterin | |
gefragt sein. 2021 wird auch in Berlin eine neue Regierung gewählt. | |
Giffey gilt als eine mögliche Nachfolgerin von Michael Müller, der in der | |
Partei zuletzt deutlich an Unterstützung verloren hat. In Umfragen liegt | |
die SPD in Berlin bei rund 15 Prozent; sie ist damit lediglich noch | |
viertstärkste Partei und würde bei einer Neuauflage von Rot-Rot-Grün | |
derzeit darin nur Juniorpartner werden. | |
31 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2019/fup_19_320-dissertati… | |
[2] http://vroniplag.wikia.org/de/wiki/Dcl | |
[3] /Rueckkehr-Karl-Theodor-zu-Guttenberg/!5444389 | |
[4] /Plagiatsaffaere-Annette-Schavan/!5036922 | |
[5] /Plagiatsjaeger-ueber-von-der-Leyen/!5237294 | |
[6] http://www.polsoz.fu-berlin.de/polwiss/index.html | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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