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# taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Thüringen ist nicht wurscht
> Wie viel hält die Demokratie aus, wenn es kompliziert wird? Warum die
> Wahl in Deutschlands Mitte so wichtig ist – und warum sie spannend wird.
Bild: Bodo Ramelows Erfolgsprojekt: nicht die Bratwurst, sondern das Bundesland
Mitten in Deutschland wird am Sonntag gewählt. Aber die Republik redet
lieber darüber, dass die Bayern nur knapp gegen Piräus gewonnen haben. Oder
darüber, ob AKK was Dummes oder was Kluges wagt (und ob sie dem
Außenminister rechtzeitig Bescheid gesimst hat). Während im Sommer vor den
Wahlen in Brandenburg und Sachsen ein medialer Countdown lief, ist von
Thüringen kaum die Rede.
Das hat Gründe. Thüringen hat mit 2,1 Millionen Einwohnern nur ungefähr
halb so viele wie Sachsen. Und nach dem Grusel über die starken
AfD-Ergebnisse vom 1. September wird in Dresden und Potsdam ziemlich
geräuscharm über Kenia-Koalitionen verhandelt.
Ein wenig ist die rot-rot-grüne Regierung in Erfurt an der geringen
Aufmerksamkeit sogar selbst schuld: Sie legte den Wahltermin extra nicht
auf denselben Sonntag wie die anderen, sondern lässt so spät wie möglich
wählen. Das Kalkül: Nach dem AfD-Schocker in Brandenburg und Sachsen
profitieren wir von der Gegenmobilisierung. Jetzt wirkt es aber so, als
wollten viele das Land, [1][wo Björn Höcke seine völkischen Träume
propagiert], am liebsten wegschweigen.
Aber Thüringen ist nicht wurscht, ganz und gar nicht. Es wird spannend –
und es wird wichtig. Vor der Wahl kommt Bodo Ramelows Linkspartei in den
Umfragen auf stattliche 27 bis 29 Prozent. Aber es ist fraglich, ob es für
Rot-Rot-Grün erneut reicht. [2][Die CDU liegt hinten,] aber deutlich über
20 Prozent. [3][Die FDP trainiert an der 5-Prozent-Hürde.]
## Das erste Klimagesetz der ostdeutschen Bundesländer
Höcke treibt die Bundes-AfD vor sich her, nun steht er in seinem Bundesland
selbst zur Wahl. In Umfragen rangiert die thüringische AfD zwischen 20 und
24 Prozent. Wenn der Superstar der Hetzerbranche, der viel bekannter ist
als seinesgleichen in anderen ostdeutschen Ländern, auch nicht mehr
hinbekommt als seine Volksgenossen, zeigt das seine Grenzen. Sein künftiger
Einfluss in der Partei hängt auch am Ergebnis vom Sonntag.
Die wichtigste Frage am Wahltag aber ist: Kann eine Regierung weitermachen,
die in Deutschland einzigartig und bedeutsam für die politische Kultur ist?
Schon ihre Gründung war unglaublich wichtig: Nach zweieinhalb Jahrzehnten
CDU widerlegte Ramelow das Es-regieren-ja-eh-immer-dieselben-Gemecker.
Und der Unterschied zeigte sich. Das Land vergibt Aufträge nur, wenn ein
Mindestlohn über 11 Euro gezahlt wird. Der Verfassungsschutzpräsident sieht
auf dem rechten Auge. Die grüne Umweltministerin hat das erste Klimagesetz
der ostdeutschen Bundesländer vorgelegt.
Aus der Linkspartei machte Ramelow etwas, was seine Genossen anderswo
verpassten: Er entwickelte sie vom Outlaw mit SED-Geruch über die
Protestpartei zur sozialen Alltagspartei. Scheitert dieses Modell, bricht
der Linkspartei eine Erfolgsgeschichte weg.
## In einer Minderheitsregierung weitermachen?
Falls Rot-Rot-Grün keine Mehrheit bekommt, dann wird Thüringen zum Labor.
Eine Zusammenarbeit der CDU mit der Höcke-Partei würde von der Bundespartei
so hart bestraft werden, dass sie äußerst unwahrscheinlich ist. Ramelow
könnte in einer Minderheitsregierung weitermachen und bei der FDP oder
sogar der CDU Mehrheiten suchen. Die Landesverfassung hilft ihm: Ein
Ministerpräsident bleibt in Thüringen im Amt, bis ein neuer gewählt wird.
Es existiert keine Frist.
Wie viel hält die Demokratie aus, wenn es kompliziert wird? Nach der Wahl
könnten wir in diesem Bundesland einen parlamentarischen Crashtest sehen.
Das Land mitten in Deutschland wird ihn bestehen.
24 Oct 2019
## LINKS
[1] /Rechtsextremer-Terroranschlag-in-Halle/!5631897
[2] /Landtagswahl-in-Thueringen/!5634353
[3] /FDP-Wahlkampf-in-Thueringen/!5634371
## AUTOREN
Georg Löwisch
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Stephan Kramer
Mike Mohring
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