| # taz.de -- Biometrie und veraltetes Recht: Mehr Macht dem Datenschutz! | |
| > Das Hamburger Urteil zur G20-Fahndung wird zu einer massiven Ausweitung | |
| > biometrischer Fahndung führen, wenn der Datenschutz nicht gestärkt wird. | |
| Bild: Gesichtserkennung mittels Biometrie: Für Fahndungszwecke ganz wichtig | |
| Auch wenn das Hamburger Verwaltungsgericht selber redlich bemüht war, die | |
| Bedeutung seines [1][Urteils] tief zu hängen: Die krachende Niederlage des | |
| Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar gegen die Hamburger Innenbehörde | |
| wird bundesweit interessiert zur Kenntnis genommen werden. Und sie wird | |
| Folgen beim Einsatz biometrischer Daten bei der Strafverfolgung haben. | |
| Dieser könnte sich inflationär ausweiten, und das auf Kosten der | |
| informationellen Selbstbestimmung der Einzelnen. | |
| Das Urteil verweist dabei auf zwei grundlegende Missstände: Die | |
| ungenügenden gesetzlichen Regelungen für den Einsatz solch hochsensibler | |
| Daten auf der einen Seite. Auf der anderen die schwache Eingreifkompetenz | |
| der Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern. | |
| Es ist bezeichnend, dass in dem Hamburger Verfahren zum Teil auf rechtliche | |
| Regelungen zurückgegriffen wurde, die – kein Verschreiber – aus dem Jahr | |
| 1871 stammen. Nicht alle diese Paragraphen sind im Zeitalter von Internet | |
| und künstlicher Intelligenz, von Biometrie und KFZ-Schild-Scanning auf | |
| Autobahnen, noch wirklich zeitgemäß. | |
| Weil das Recht der technischen Entwicklung hinterherhinkt, werden Polizei | |
| und Staatsanwaltschaft bei der immer intensiveren Verwendung von | |
| biometrischen Daten für ihre Interessen kaum gebremst – auch nicht von | |
| DatenschützerInnen, weil diese eben keine rechtlich präzise Handhabe | |
| neueren Datums haben. | |
| ## Der Datenschutz rennt der Praxis hinterher | |
| Eine Rechtsgrundlage zu überwachen, die nur aus ein paar allgemeinen | |
| Grundsätzen besteht, ist eine recht sinnfreie Aufgabe. Und wie das Recht | |
| der Technik, so rennt der Datenschutz der Praxis hinterher. Hamburgs | |
| Datenschutzbeauftragter hat präventiv und mit hohem Engagement versucht, | |
| Missbrauch in der Praxis zu verhindern. Und wurde genau dabei juristisch | |
| gestoppt, weil seine Jobbeschreibung eben das nicht zulässt. Gut gemeint | |
| ist eben oft das Gegenteil von gut. | |
| Was daraus folgen müsste, ist: Die Kompetenzen der Datenschutzbeauftragten | |
| müssten ausgeweitet und nicht – wie etwa im [2][neuen Hamburger | |
| Polizeirecht vorgesehen] – noch weiter eingeschränkt werden. Und vor jeder | |
| Ausweitung hochtechnischer Instrumente, die uns der Totalkontrolle unseres | |
| Alltags durch den Staat näher bringen, bedarf es klarer gesetzlicher | |
| Regelungen und eben auch Einschränkungen. | |
| Wir brauchen Regelklarheit statt Überwachungswildwuchs – das ist das wahre | |
| bundespolitische Signal des Hamburger Urteils. Ob es die zuständigen | |
| InnenpolitikerInnen wohl vernehmen werden? | |
| 24 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /G20-Ermittler-duerfen-weiter-scannen/!5633111 | |
| [2] /Hamburg-setzt-auf-Algorithmus/!5627749 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
| ## TAGS | |
| Biometrie | |
| Gesichtserkennung | |
| G20-Gipfel | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Innere Sicherheit | |
| Spanien | |
| Digital | |
| Datenschutzbeauftragte | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fingerabdruck für Personalausweis: Von wegen sicherer | |
| Der Personalausweis soll mit Fingerabdruck fälschungssicherer werden. Das | |
| ist mindestens überflüssig. | |
| Software zur Gesichtserkennung: Seehofer verzichtet drauf | |
| Erst sorgen Berichte über das Gesichtserkennungssystem Clearview für | |
| Aufregung. Nun streicht Seehofer Pläne für den automatisierten | |
| Bild-Abgleich. | |
| Bewegungsdaten von Handy-Nutzern: Datensammeltage in Spanien | |
| Das spanische Statistikinstitut kauft Daten aller Mobiltelefone von | |
| mehreren Tagen. So will es sehen, wo sich die Bevölkerung aufhält. | |
| Digital-Gipfel in Dortmund: Weniger Geflimmer, mehr Datenschutz | |
| Daten sind der wichtigste und kostbarste Rohstoff unserer Zeit. Das hätte | |
| ganz oben auf der Agenda des Digital-Gipfels stehen müssen. | |
| Datenschützer unterliegt vor Gericht: G20-Fahnder dürfen weiter scannen | |
| Das Verwaltungsgericht wischt die Anordnung des Hamburger | |
| Datenschutzbeauftragten, die G20-Fahndungsdatei zu löschen, vom Tisch. |