# taz.de -- Kurden in Berlin: Angst vor Übergriffen | |
> In Berlin wird weiter gegen Angriffe der Türkei in Nordsyrien | |
> protestiert. Kurdische Berliner*innen rufen zu friedlichem Umgang auf. | |
Bild: Teilnehmerin der Demo am Potsdamer Platz | |
„Überall Rojava, überall Widerstand“, hieß es am Wochenende wieder in | |
Berlin. Mit mehreren Aktionen protestierten linke und kurdische Gruppen | |
gegen die anhaltenden Angriffe der Türkei gegen die kurdische | |
Selbstverwaltung in Nordsyrien. Der sogenannte EU-Flüchtlingsdeal und | |
deutsche Waffenexporte in die Türkei waren dabei ebenso Thema. Doch der | |
Krieg in Nordsyrien wirkt sich auch über die Protestaktionen hinaus auf das | |
Zusammenleben in der Stadt aus. | |
Die Wochenendproteste starteten am Freitagmittag mit den Blockaden des | |
Check-Ins der teilstaatlichen Fluglinie Turkish Airlines am Flughafen Tegel | |
und des Volkswagen-Showrooms in Mitte. Die Forderungen: eine definitive | |
Absage für den Bau eines VW-Werks im türkischen Izmir und der Stopp von | |
Zulieferungen für den türkischen Kampfpanzer Altay durch die VW-Tochter | |
MAN. Die Blockaden am Freitag sowie eine versuchte Blockade der | |
Oberbaumbrücke am Samstagabend wurden von der Polizei aufgelöst. Dabei kam | |
es laut dieser zu „einfacher körperlicher Gewalt“ und vereinzelten | |
Festnahmen. | |
Weitgehend friedlich verliefen am Samstag die angemeldeten Demonstrationen. | |
Auf dem Hermannplatz kamen laut Polizei etwa 100, auf dem Zug vom Potsdamer | |
bis zum Pariser Platz über 2.000 Personen zusammen. Lediglich zwei | |
Passant*innen hätten die Demonstrant*innen provoziert. Das Bündnis | |
#riseup4rojava spricht von 4.000 Demonstrant*innen in Mitte, wo das | |
Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit aufgerufen hatte. | |
Bei dem Protestzug sprachen eine Vertreterin des Kurdistan Human Rights | |
Network, eine Kommandantin der Demokratischen Kräfte Syriens, die linke | |
Europaabgeordnete Martina Michels sowie Hakan Taş, der für die Linke im | |
Abgeordnetenhaus sitzt. Es gehe darum, mit demokratischem Protest ein | |
Zeichen gegen Erdoğans Krieg und Faschismus zu setzten, sagte Taş am Rande | |
der Demonstration: „Nicht einmal die Waffenruhe wird von Erdoğan | |
eingehalten.“ | |
Erdoğan-Anhänger gingen aber auch gegen die Opposition in Berlin vor und | |
nicht nur gegen die kurdische, so der Abgeordnete. Demonstrant*innen würden | |
fotografiert und gefilmt, um sie in Ankara zu denunzieren. Sogar ein | |
türkischstämmiger deutscher Polizist habe sich kürzlich bei einer | |
Rojava-Demo auf Türkisch sexistisch und anti-kurdisch geäußert. Auch sei er | |
selbst seit der Militäroffensive verstärkt Ziel von homophoben Hassmails | |
und Anfeindungen, ergänzt der offen schwule und kurdischstämmige | |
Parlamentarier. „Mittlerweile habe ich auf der Straße Angst, wenn ich | |
schief angeguckt werde“, so Taş. | |
## Folgen in den Schulen | |
Auch Bekir Sozeri, der in Weißensee lebt und am Samstag zur Demo gekommen | |
ist, macht sich Gedanken zu Übergriffen auf der Straße. Den traditionellen | |
kurdischen Schal in Gelb-Grün-Rot, den er trägt, wird er auf dem Heimweg | |
wieder einpacken. „Ich habe noch keine Übergriffe erlebt in den letzten | |
Wochen, aber ich weiß, was passieren würde, wenn ich den Schal auf der | |
Straße trage. Ich komme aus der Türkei, ich kenne die Türken.“„Das ist k… | |
Konflikt zwischen den Kurden und den Türken, sondern ein Konflikt mit dem | |
türkischen Staat“, hatte Ali Çiçek vom Kurdischen Zentrum für | |
Öffentlichkeitsarbeit vergangene Woche gesagt, nachdem türkischstämmige | |
Passant*innen kurdische Demonstrant*innen mit dem sogenannten Wolfsgruß | |
der rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“ provoziert hatten und es zu | |
Zusammenstößen gekommen war. „Wir lassen uns das Zusammenleben vieler | |
Nationalitäten in Berlin nicht kaputtmachen“, hatte sich auch Riza Baran, | |
Sprecher der Kurdischen Gemeinde in Berlin und Brandenburg, dazu geäußert | |
und zu Besonnenheit aufgerufen. | |
Aycan Demirel, der türkischstämmige Direktor der Kreuzberger Initiative | |
gegen Antisemitismus, äußerte gegenüber der taz die Befürchtung, dass | |
Folgen des Krieges in den Schulen zu spüren sein würden. „Nach unserer | |
Erfahrung kann es in solch einer Situation auch zu einer Konfliktlage | |
zwischen türkischstämmigen und kurdischstämmigen Schülern kommen.“ Demirel | |
leitet ein Projekt, das Lehrer*innen darin schult, die nationalen Bezüge | |
und Gefühle von Schüler*innen in demokratische Bahnen zu lenken. | |
20 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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