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# taz.de -- Klammer Klein-Airport: Kurzstrecke als Köder
> Billige Tickets, neue Destinationen: Der stark defizitäre Flughafen
> Münster/Osnabrück sucht nach Reisenden.
Bild: Seltener Anblick: Fluggast am FMO
Osnabrück taz | Es gibt Augenblicke, da denkt man, die [1][Flugscham] ist
Realität. Allen Passagierzuwächsen zum Trotz, die uns das Statistische
Bundesamt vorrechnet: Wer den [2][Flughafen Münster/Osnabrück (FMO)]
besucht, erlebt solche Augenblicke. Rund 20 Maschinen am Tag heben hier
derzeit ab, oft sind die Terminals fast menschenleer. 2018 hatte der
Airport 1,017 Millionen Passagiere, das waren weniger als im Jahr 1997.
Da sind die FMO-Gesellschafter, zu über 95 Prozent Kommunen aus dem Umland,
froh um jeden Anbieter, der Traffic generiert. Schließlich müssen sie
Bilanzen verdauen, in denen Millionendefizite stehen. Die Folge: Urlauber
werden von Billigfluglinien mit Tickets zum Schleuderpreis geködert. Für
Geschäftsreisende werden Inlands-Kurzstrecken maßgeschneidert.
So startet ab Anfang November [3][die niederländische AIS Airlines] zweimal
an jedem Werktag nach Berlin. „Wünschenswert ist solches
Kurzstreckenfliegen natürlich nicht“, sagt Michael Hagedorn, Ratsmitglied
der Grünen in Osnabrück, spezialisiert auf Wirtschafts- und Finanzpolitik.
„Die Klimabilanz einer Bahnfahrt ist ja weit besser.“
„Viele Geschäftsleute der Region haben auf eine Verbindung gedrungen, die
es ihnen ermöglicht, in Berlin Vormittagstermine wahrzunehmen, ohne schon
am Vortag anreisen zu müssen“, verteidigt FMO-Sprecher Andrés Heinemann die
neue Linie. Mit der Bahn gehe das „nicht zufriedenstellend“: keine Ankunft
in Berlin vor 9 Uhr.
Der [4][neue Fernverkehrszug Ecx] ersetzt den alten IC hier tatsächlich
erst 2023. Aber zeitnah eine konferenzfreundliche Zugverbindung einrichten,
das sollte doch gehen? „Wir müssen die Bahn entscheidend stärken“, sagt
Hagedorn. „Die Schieflage zwischen den Verkehrssystemen ist erschreckend.“
Den FMO kennt er genau, denn von 2011 bis 2015 war er Mitglied im
Aufsichtsrat.
Zeitlich kann die Bahn mit dem Flieger schon heute konkurrieren, auch
zwischen Osnabrück und Berlin. „Sie bringt mich ja direkt von Innenstadt zu
Innenstadt“, sagt Hagedorn. „Wenn ich beim Fliegen den Weg zum und vom
Airport dazurechne, und alle Abfertigungsformalitäten, das kommt ungefähr
aufs Gleiche raus.“
Auch [5][Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen] aus Bramsche bei
Osnabrück, hält die neue Fluglinie für „das völlig falsche Signal“. Aber
die Geschäftsreisenden kann sie verstehen. Sie sitzt ja oft selbst in der
Bahn, wenn in Berlin Sitzungswoche ist, und wünscht sich Zeitersparnis.
Ebenfalls in der Kritik: Billigflüge. Für 25,99 Euro nach Wien, mit
Laudamotion? Für 39,99 Euro nach Antalya, mit Corendan Airlines? Tobias
Demircioglu, Vorsitzender des [6][Kreisverbands Osnabrück des ökologischen
Verkehrsclubs Deutschland (VCD)], findet das „völlig indiskutabel,
angesichts der Klimakrise. Sowas darf einfach nicht mehr möglich sein!“
Fliegen müsse teurer werden. „Momentan ist das ja hochsubventioniert.“
Demircioglu würde den FMO am liebsten komplett schließen: „Die Kommunen
versenken da massenhaft Geld, und wenn du mal vorbeifährst, herrscht
gähnende Leere. Absolute Idiotie!“ Von der Bundesregierung fordert er
„endlich Maßnahmen mit klarer Lenkungswirkung“. Ihr [7][„Klimapaket“]
ernüchtert ihn: „Klar, die Verringerung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets
geht in die richtige Richtung. Aber immer noch keine Steuer auf Flugbenzin!
Und zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid, als Festpreis für
Verschmutzungsrechte? Lächerlich!“
Billigtickets, Kurzstrecken? Dass beides das Klimabewusstsein aushebelt und
so für den FMO zum Imageproblem wird, weist Sprecher Heinemann zurück:
„Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig.“ Eins seiner Beispiele: Die
Umstellung auf LEDs.
Am Dienstag, 1. Oktober, geht es [8][im Osnabrücker Rat] erneut um frisches
Geld für den dahin siechenden Flughafen, und gleich in Absatz 1 [9][der
Beschlussvorlage] „bekennen“ sich die Gesellschafter, auch die Stadt
Osnabrück, „ausdrücklich zu der wichtigen regionalpolitischen Bedeutung des
FMO“. Welche das ist, steht da nicht. Aber Darlehen von 1,2 Millionen Euro
pro Jahr stehen zur Debatte, für 2021 bis 2025. Augen zu und durch.
Hagedorn sieht dieses Bekenntnis kritisch: „Der FMO stellt ja keine
Daseinsvorsorge dar wie der ÖPNV. Wir setzen da öffentliche Gelder ein nur
für ein paar Urlaubs- und Geschäftsflieger. Man muss sich fragen, ob das
auf Dauer zu rechtfertigen ist, ob wir eine Infrastruktur wie diese
wirklich brauchen.“
Zumindest hat der FMO-Aufsichtsrat Ende 2017 den Plan aufgegeben, auch noch
eine 60 Millionen Euro teure Start- und Landebahnverlängerung zu bauen.
Hagedorn: „Da war nicht immer nur Realitätssinn im Spiel.“
30 Sep 2019
## LINKS
[1] /!t5590707/
[2] https://www.fmo.de/
[3] https://aisairlines.com/?lang=de
[4] https://www.deutschebahn.com/de/presse/suche_Medienpakete/medienpaket_ECx-3…
[5] https://www.filiz-polat.de/
[6] https://gliederungen.vcd.org/osnabrueck/
[7] /Debatte-um-Merkels-Klimapaket/!5625051/
[8] https://ris.osnabrueck.de/bi/to010.asp?SILFDNR=1002223
[9] https://ris.osnabrueck.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1013446
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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Luftverkehr
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