# taz.de -- Aufnahme von geretteten Flüchtlingen: Koalition der Willigen | |
> Seehofers Notfallplan zeugt von Erkenntnisgewinn. Er hat verstanden, dass | |
> die EU zwei Geschwindigkeiten bei der Aufnahme von Flüchtlingen braucht. | |
Bild: Gerettete Menschen auf der „Eleonore“, dem Schiff der Hilfsorganisati… | |
Noch steht „XXX“ in dem Papier, das regeln soll, welche EU-Staaten künftig | |
vor Libyen gerettete Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland hat bislang | |
zugesagt, ein Viertel dieser Menschen für ein mögliches Asylverfahren ins | |
Land zu lassen. Beim EU-Innenministertreffen am Dienstag sollen weitere | |
Staaten der Übereinkunft beitreten – wenn sie wollen. | |
Manche sehen die Initiative von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
deshalb als Rückschritt – als Abkehr von Einstimmigkeit und Verbindlichkeit | |
in der EU. Tatsächlich kann man froh sein, dass überhaupt wieder Bewegung | |
in die [1][Frage der Flüchtlingsverteilung] gekommen ist, auch wenn | |
Seehofers Plan nur für einen sehr kleinen Teil der Ankommenden gelten soll. | |
Einigen ist selbst das schon zu viel, etwa dem Unionsfraktionschef Ralf | |
Brinkhaus. Der geht Seehofer für seine Asyl-Initiative fast so an, wie | |
Seehofer selbst es bis zum vergangenen Jahr mit Angela Merkel getan hatte. | |
Leute wie Brinkhaus haben ganz offensichtlich nicht begriffen, wie wichtig | |
dieser – ja überaus zaghafte – Schritt in Richtung [2][europäischer | |
Lastenteilung] ist. | |
Die EU hat von Italien in diesen Monaten noch einmal Aufschub bekommen. Der | |
überraschende Ausgang der Regierungskrise im Sommer hat die Möglichkeit | |
geschaffen, mit den Außengrenzenstaaten endlich ein System gerechten | |
Ausgleichs zu schaffen. Gelingt dies nicht, hat Matteo Salvini beste | |
Chancen, bei der nächsten Wahl endgültig die Macht zu übernehmen. Und eine | |
Neuwahl könnte schon bald anstehen: Die Koalition in Rom ist ausgesprochen | |
fragil. | |
## Der Rest kann dem guten Beispiel folgen | |
Jahrelang hat die EU keine Reform ihrer Dublin-Regelung zuwege gebracht – | |
auch wegen Deutschlands Blockadehaltung. Seehofers Malta-Plan ist nun auf | |
sechs Monate befristet. In dieser Zeit muss die EU einen umfassenden | |
Solidaritätsmechanismus etablieren. Die Bedingungen dafür sind – durch das | |
Ausscheiden von FPÖ und Lega aus Regierungsämtern – besser geworden. | |
Wirklich gut sind sie nicht – Staaten wie Ungarn und Polen werden nicht | |
mitziehen. | |
Seehofers Plan hat daraus wenigstens Konsequenzen gezogen. Die Staaten, die | |
mitmachen wollen, können das tun. Der Rest bleibt draußen – kann aber den | |
guten Beispielen folgen und nachziehen. Nach diesem Prinzip der zwei | |
Geschwindigkeiten könnte eine Vorstufe für eine neue Dublin-Regelung eine | |
Chance haben. Das Signal, das die „Koalition der Willigen“ an Italien, | |
Malta, Griechenland, Zypern und Spanien senden muss, lautet: Wir lassen | |
euch mit den Flüchtlingen nicht wieder allein. Gelingt das nicht, wird die | |
sich schon abzeichnende nächste Flüchtlingskrise unter Garantie auch zur | |
Krise der EU selbst. | |
7 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Innenministertreffen-zur-Seenotrettung/!5629312 | |
[2] /Vor-Treffen-zur-Seenotrettung-auf-Malta/!5627870 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Horst Seehofer | |
Griechenland | |
Italien | |
Claus-Peter Reisch | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Flucht | |
Flucht | |
Europäische Union | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess um Seenotretter: Freispruch für „Lifeline“-Kapitän | |
Der Kapitän der „Lifeline“ hat den Berufungsprozess in Malta gewonnen. Nun | |
dürfte die Hilfsorganisation auch ihr beschlagnahmtes Boot zurückbekommen. | |
Aktionsplan für EU-Asylreform: Neustart gefordert | |
21 Organisationen aus EU-Ländern wollen, dass die neue EU-Kommission die | |
Blockade in der Asylpolitik löst. Dafür haben sie jetzt Ideen | |
veröffentlicht. | |
Aktivistin über Seenotrettung: „Das Treffen war ein Fehlschlag“ | |
Lisa Groß von der NGO Alarm Phone findet das ergebnislose Treffen der | |
EU-Innenminister „tragisch“. Eigentlich brauche es legale Wege nach Europa. | |
Neue Kommission zu Fluchtursachen: Die Diskussion muss wehtun | |
Die Regierung setzt eine Kommission zu Fluchtursachen ein. Deren Arbeit | |
darf aber nicht der hiesigen Migrationsdebatte untergeordnet werden. | |
Innenministertreffen zur Seenotrettung: Notfalllösung steht | |
Deutschland, Frankreich, Italien und Malta einigen sich, Bootsflüchtlinge | |
automatisch aufzunehmen und solidarisch zu verteilen. Der Grunddissens | |
bleibt. |