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# taz.de -- Kürzungen bei Axel Springer: Allein ist schlecht streiten
> Nach dem Sparprogramm bei Axel Springer bleiben weniger Leute für viele
> Kanäle. Betriebswirtschaftlich ergibt das Sinn, journalistisch nicht.
Bild: Die Skulptur „Balanceakt“ vor der Springer-Zentrale in Berlin
Wie viele Reporter*innen sind nötig, um von einem Fußballspiel zu
berichten? Das wird jetzt kein Flachwitz, sondern ist eine Frage, die sich
der Axel-Springer-Verlag in diesem Jahr gestellt hat. Die Antwort: Weniger
als bisher. Das Berliner Medienhaus legt nämlich die Sportredaktionen von
Welt und Bild zusammen. [1][Das ist einer von vielen Punkten eines
Sparprogramms, das der Verlag Anfang der Woche seinen Mitarbeitenden
vorgestellt hat]. Und man könnte ihn als den radikalsten bezeichnen.
Denn zwar mag dieser Schritt aus Sicht einer Unternehmensberater*in
sinnvoll sein – Sportberichterstattung kostet viel Geld, und Tore sind
Tore, richtig? –, aber für Springer bedeutet er, dass zum ersten Mal die
einst penible Trennung der Marken Bild und Welt in der Redaktion aufgehoben
wird.
Springer arbeitet mit diesen Marken nach außen von jeher sorgsam, Anspruch
und Ansprache unterscheiden sich klar: Die Welt-Medien im kühlen Blau
sollen für die Entscheider und die politisch interessierten Konservativen
mit höherer Bildung sein. Die Welt ist die wesentlich kleinere, aber
seriösere Marke, die Zeitung, die Verlegerin Friede Springer „[2][liebt“],
wie sie der Süddeutschen Zeitung verraten hat.
Die roten Bild-Medien dagegen sind die Erfolgstitel, die Massenmedien, der
schillernde Boulevard. Trotz Auflagenverlusten ist die Bild mit Abstand die
meistverkaufte Tageszeitung in Deutschland und bild.de eins der
reichweitenstärksten Zeitungsportale im deutschen Netz. Deswegen soll auch
diese Marke durch neue Kanäle ergänzt werden – ein Bild-Videokanal wird
dazukommen –, während Blau kleiner wird. Es verschwinden die Nebenausgabe
Welt kompakt (bekannt aus Flughäfen und Hotellobbys) und die
Regionalausgabe Welt Hamburg. Klar, beim Umbau zum Digitalverlag sind
kleinteilige Printausgaben wirtschaftlicher Ballast.
## Einstieg in den Kürzungswettlauf
Weil der Axel-Springer-Verlag am digitalen Markt profitabel bleiben will,
hat er sich kürzlich von dem US-Investor KKR von der Börse freikaufen
lassen und will nun zweierlei. Erstens intensiv in die nichtjournalistische
Sparte investieren, also in Anzeigen- und Vermarktungsplattformen, in den
Bereich mit Aussicht auf Wachstum also. Und zweitens die journalistische
Sparte digital umbauen und gleichzeitig stark zusammenkürzen: 50 Millionen
Euro sollen hier in drei Jahren eingespart werden, damit am anderen Ende
das Doppelte investiert werden kann.
Damit steigt nun auch Springer in einen Kürzungswettlauf ein, der anderswo
schon lange begonnen hat. Wer sich die Zeitungsauslagen am Kiosk oder die
Angebote im Netz betrachtet, bekommt zwar den Eindruck, dass in Deutschland
journalistisch alles beim Alten ist: etliche Titel, überregional wie
regional, Boulevard wie Qualität. Dahinter stehen aber immer kleiner
werdende Verlage und Redaktionen.
[3][Die größten Lokalverlage, Madsack, DuMont und Funke, beliefern ihre
diversen Blätter längst zentral mit überregionalen Inhalten] – Madsack und
DuMont unterhalten seit vergangenem Jahr sogar eine gemeinsame
Zentralredaktion in Berlin. Beim Berliner Verlag, [4][gerade gekauft von
einem Berliner Unternehmerpaar], schreiben seit 2016 dieselben
Redakteur*innen für die Marken Berliner Zeitung und Berliner Kurier –
ungeachtet der Tatsache, dass Erstere Qualitätsjournalismus verspricht und
Letztere Boulevard, also zwei grundverschiedene Herangehensweisen an
Journalismus.
Womit wir wieder bei Springer wären. Nicht nur die Trennung zwischen
Qualität und Boulevard verschwindet dort, auch innerhalb der roten Gruppe
wird rationalisiert: bei Bild, bild.de, Bild am Sonntag und der Berliner
lokalen B.Z. Keine der Marken wird verschwinden, aber es wird weniger
Inhalte geben, vor allem weniger verschiedene Inhalte zum selben Thema.
Bild und BamS „rücken zusammen“, wie es euphemistisch heißt.
Die Redaktionen von Bild und B.Z. konzentrieren sich aufs Überregionale
beziehungsweise aufs Lokale und beliefern sich dann gegenseitig mit dem
jeweils anderen. Bisher arbeiteten die Redaktionen unabhängig voneinander,
[5][die B.Z. machte sogar zeitweise Eindruck mit eigener überregionaler
Themensetzung auf ihrer Seite eins und stellte damit die große Schwester in
den Schatten].
## Redaktioneller Einheitsbrei
Und hier kommen wir zum journalistischen Problem, das beim Zusammenkürzen
von Redaktionen allerorten entsteht, neben dem sozialen Problem, dass
Mitarbeitende auf der Strecke bleiben: Vielfalt und Konkurrenz, auch
innerhalb der Verlagshäuser, beleben den Journalismus. Wenn Redaktionen
zeitgleich an ähnlichen Themen arbeiten, führt das unweigerlich zu dem
Bedürfnis, einander zu toppen: mit der schnelleren Exklusivnachricht, dem
besseren Dreh, dem witzigeren Titel. Das gilt auch dann, wenn letztlich
derselbe Arbeitgeber dahintersteht.
Journalismus kann eine mühselige Angelegenheit sein, es geht immer alles
noch schneller, noch genauer, noch hintergründiger, wenn man denn bereit
ist, die Zeit zu investieren. Klicks hingegen gibt es meistens schon für
die krasse, schnell vom Schreibtisch aus hingeschriebene These. Der Drang,
einem Thema doch noch einmal genauer nachzugehen – doch noch einmal zu
telefonieren oder Dokumente zu wälzen – entsteht letztlich durch den
Ehrgeiz, schneller und besser sein zu wollen als die anderen.
Ganz abgesehen davon, dass Journalist*innen fast alle ihre Spezis haben,
ihre üblich-verdächtigen Kontakte in Politik, Wirtschaft oder
Zivilgesellschaft, die ihnen Informationen oder Zitate liefern und
Interviews geben, kommt es dabei nicht selten zu einer problematischen
Co-Abhängigkeit beider Seiten.
Und gleichermaßen haben Journalist*innen ihre Antispezis, mit denen sie es
sich verscherzt haben oder mit denen sie einfach nie warm geworden sind.
Kurzum, wo immer weniger Journalist*innen an einem Themenbereich arbeiten,
werden die Geschichten einförmiger und einseitiger. Und das passiert
bereits, wo Redaktionen zusammengelegt und verkleinert werden und wo
Redakteur*innen lieber das Minimum recherchieren, weil sie ihren Text
nachher noch für eine weitere Ausgabe und einen weiteren Onlinekanal
umschreiben müssen.
Bei Bild kommt erschwerend hinzu: Wenn nach und nach immer mehr Redaktionen
in der Bild aufgehen, wird der Springer-Journalismus allmählich, aber
sicher zur Julian-Reichelt-Show werden. Noch vor wenigen Jahren hatte jede
Springer-Marke eine starke Persönlichkeit an der Spitze. Mittlerweile sind
Bild und bild.de unter dem Goldene-Kartoffel-Preisträger Reichelt vereint,
Bild am Sonntag dürfte demnächst folgen. Streiten könnte Reichelt dann nur
noch mit Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt. Vielleicht über Fußball.
3 Oct 2019
## LINKS
[1] /Umbau-beim-Axel-Springer-Verlag/!5626672
[2] https://www.sueddeutsche.de/medien/springer-doepfner-kkr-welt-1.4601841
[3] /Zentralredaktionen-im-Trend/!5505329
[4] /Verkauf-des-Berliner-Verlags/!5622989
[5] /Trendwende-bei-der-BZ/!5310874
## AUTOREN
Peter Weissenburger
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