# taz.de -- Empfang für Oleg Senzow in Berlin: Gegen die Propaganda-Armee | |
> Anfang September ist Oleg Senzow aus russischer Haft freigekommen. Nun | |
> lud die ukrainische Botschaft seine Unterstützer zu einem Treffen mit | |
> ihm. | |
Bild: Oleg Senzow im September 2019 in Berlin | |
Es war ein anrührender Empfang. Die ukrainische Botschaft in Berlin hatte | |
die Menschen eingeladen, die sich in den vergangenen Jahren in Deutschland | |
für die Freilassung des ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow aus | |
russischer Haft eingesetzt hatten. | |
Alle Plätze in dem kleinen Raum waren besetzt, als der ukrainische | |
Botschafter Andriy Melnyk den Regisseur begrüßte, der zu Monatsbeginn im | |
Zuge eines [1][Gefangenenaustauschs] zwischen der Ukraine und Russland | |
freigekommen war. | |
Immer wieder standen die Menschen, die sich versammelt hatten, auf und | |
applaudierten. Dankesworte wurden gesprochen, Tränen flossen. Die | |
Unterstützer, von denen nicht wenige an den regelmäßigen Mahnwachen vor der | |
russischen Botschaft in Berlin teilgenommen haben, ließen sich ihre | |
Transparente signieren, versuchten mit Senzow ins Gespräch zu kommen. | |
## Die Freiheit vernichten | |
Sie hätten gerne mehr gewusst über die Lagerhaft, zu der der | |
[2][Filmkünstler] 2014 in Russland verurteilt worden war. Er soll, so die | |
russische Justiz, Terroranschläge auf der Krim vorbereitet haben, nachdem | |
sich die Russen angeschickt hatten, die Halbinsel zu übernehmen. Zu zwanzig | |
Jahren ist er in Russland verurteilt worden. | |
Worum es Senzow ging, machte er am Freitagabend in Berlin noch einmal | |
deutlich. Auf dem Euromaidan, für den er sich drei Monate lang in Kiew | |
engagiert hat, habe er gespürt, wie es sich anfühlt, wenn die | |
Zivilgesellschaft erwacht. Als er sah, wie sich die Russen drangemacht | |
hätten, genau die Freiheit zu vernichten, für die in Kiew Tausende auf die | |
Straßen gegangen waren, engagierte er sich auf der Halbinsel, auf der er | |
1976 geboren wurde. | |
Auch wenn er müde aussieht nach einem dreitägigen Terminmarathon in Berlin, | |
ist die Kraft zu spüren, die ihn antreibt, wenn er sagt, dass er seinen | |
Kampf weiterführen wird. Ideen für fünf Kinoprojekte habe er im Kopf, | |
gerade ist in der Ukraine eine neue autobiografische Erzählung von ihm | |
erschienen, in der es um seine Uni-Zeit im Kreis von Businessstudenten | |
geht. Und doch will er Aktivist bleiben, seinen Kampf gegen die Diktatur | |
fortsetzen. | |
Er überrascht mit zwei Zahlen, die noch keiner genannt hat: Auf der Krim | |
gebe es 86 politische Gefangene, im Donbass seien es 227. Wenn er das sagt, | |
weiß er, dass die russische Propagandaarmee im Netz alles unternehmen wird, | |
die Zahlen als unglaubwürdig dastehen zu lassen. Propaganda und | |
Provokationen sei er gewohnt, schreibt er auf seiner Facebook-Seite. Er | |
lasse sich davon nicht beeindrucken. | |
Einem, der 144 Tage im Hungerstreik war, um Russland die WM 2018 „zu | |
versauen“, wie er sagt, muss man das glauben. Auch deshalb sind es die | |
Aktivist_innen, die Senzow am Ende danken für seinen Kampf für die Ukraine. | |
Sie wollen noch wissen, was man denn nur tun könne, um den Gefangenen zu | |
helfen, die noch immer einsitzen. | |
„Briefe schreiben“, sagt Senzow. „Einfach etwas aus dem Alltag erzählen�… | |
Auf Russisch, nicht auf Ukrainisch, sonst kämen die Briefe nicht durch. Er | |
jedenfalls habe alle Briefe aufgehoben, die bei ihm angekommen seien, habe | |
sie immer mitgenommen, wenn er an einen anderen Ort verlegt worden sei. | |
Noch so ein rührender Moment an diesem Abend in Berlin. | |
27 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Gefangenenaustausch-Russland/Ukraine/!5624029/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Oleh_Senzow | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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