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# taz.de -- Grüne Antje Möller verlässt Bürgerschaft: Abgang der letzten Li…
> Nach 26 Jahren verlässt die Grüne Antje Möller Hamburgs Bürgerschaft. Als
> Kämpferin für die Rechte von Minderheiten wird sie wertgeschätzt.
Bild: Nicht nur im Parlament engagiert: Antje Möller bei einer Demo der Roten …
Hamburg taz |Jetzt ist mal Schluss. Nach über 26 Jahren. Bei der
Bürgerschaftswahl im kommenden Februar wird Antje Möller nicht erneut
kandidieren. Eine radikale Reformpolitikerin, der das Etikett „die letzte
Linke der Hamburger Grünen“ anhaftet, verlässt die parlamentarische Bühne.
Antje Möller, 1957 in Minden geboren, studierte Stadtplanung in Berlin und
stieß 1990 zur Hamburger Grün-Alternativen Liste (GAL), zunächst als
Fachreferentin für Abfall und Energie. Seit Oktober 1993 ist Möller ohne
Unterbrechung Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, fungierte dort als
Fraktionschefin, Fraktionsgeschäftsführerin und
Bürgerschafts-Vizepräsidentin. Nur die SPD-Frau Barbara Duden ist länger
dabei.
In einer Partei, in der einst das Rotationsprinzip galt, war eine solche
Karriere lange nicht vorgesehen. Da mussten Ausnahmebeschlüsse auf
Parteitagen her, damit Möller wieder kandidieren durfte.
Ein wenig ist Möller aus der Zeit gefallen. Als die heute 62-Jährige
Abgeordnete wurde, verstanden sich die Grünen vor allem als Anti-Partei mit
antikapitalistischen Einsprengseln, gewillt, das Schlimmste zu verhindern:
neue Atomkraftwerke, die gesellschaftliche Diskriminierung von
Minderheiten, den Rechtsruck der Politik, den Abbau von Bürgerrechten im
zunehmenden Überwachungsstaat. Die drei letztgenannten Themen, sie sind für
Möller bis heute Herzensangelegenheit.
## Viele Weggefährten wechselten zu „Regenbogen“
Eine der größten Einschnitte in Möllers politischer Laufbahn war die
Spaltung der grünen Bürgerschaftsfraktion 1999, als fünf grüne Abgeordnete
vom linken Flügel die Partei verließen und den „Regenbogen“ gründeten.
Lange bearbeiteten die Fünf Möller, sich ihnen anzuschließen. Doch sie
blieb, verlassen von ihren engsten politischen Weggefährten, bei den Grünen
zurück. Seitdem wird sie oft als „die letzte Linke der Hamburger Grünen“
tituliert, und bezeichnet sich mitunter auch selbst so.
Den Weg der Grünen zur Volks- und Gestaltungspartei mitzugehen, die
bestrebt ist, mit modernen Gesellschafts- und Mobilitätskonzepten
mehrheitsfähig zu werden, gelang Möller aufgrund der ihr eigenen Balance
zwischen radikalen Politikansatz und beinharter Realpolitik. Weil das, was
veränderbar ist, doch dringend verändert werden muss.
Die Medien erleben Antje Möller oft als schmallippig. Sie scheut die
Öffentlichkeit, wenn etwas nicht in ganz trockenen Tüchern ist, durch eine
Kampagne noch gefährdet werden könnte. „Ich versuche, den Konsens zu
finden, GesprächspartnerInnen nicht zu brüskieren und nicht über die
Öffentlichkeit zu spielen“, beschreibt Möller ihren Politikstil, der viel
zur überparteilichen Wertschätzung, die sie erfährt, beiträgt.
Wert geschätzt wird Möller etwa von der ebenfalls aus der Bürgerschaft
ausscheidenden Christiane Schneider, die bei der Linkspartei – wie Möller
bei den Grünen – für Flüchtlings- und BürgerInnenrechte streitet. Zwischen
den Politikerinnen ergab sich im Laufe der gemeinsamen Bürgerschafts-Zeit
oft eine rot-grüne Arbeitsteilung. Schneider formulierte aus der Opposition
heraus das Wünschenswerte, Möller setzte das Machbare mit um.
Dazu gehört etwa, dass sie mit großem Einsatz hinter den Kulissen mit dafür
sorgte, dass die Rote Flora alle Attacken der CDU überlebte, die auch die
SPD wackeln ließen. Zuletzt hat sie an der Novellierung des Polizeigesetzes
mitgearbeitet, darum gerungen, die polizeiliche Ermittlungsallmacht
einzugrenzen. „Anders als in anderen Bundesländern wird es keine
Online-Durchsuchungen in Hamburg geben“, sagt sie stolz.
Als eine ihrer schmerzhaftesten politischen Niederlagen begreift Möller,
dass es ihr nicht gelang, zu verhindern, dass Olaf Scholz – getrieben vom
Rechtspopulisten Roland Schill – im Juli 2001 als Innensenator die
Zwangs-Verabreichung von Brechmitteln zur Beweissicherung bei mutmaßlichen
Drogendealern einführte. Die grünen warnten vor dem schwerwiegender
Eingriff in Persönlichkeitsrechte und die körperliche Unversehrtheit,
trugen die Brechmitteleinsätze schließlich mit, zerbrachen aber fast daran.
Antje Möller war immer auch das Gewissen der Grünen. Jahrelang vertrat sie
die Partei im Eingabenausschuss und in der Härtefallkommission, dort wo
entschieden wird, ob ein Flüchtling bleiben darf oder gehen muss. Diese
„Entscheidungen über das Schicksal von Menschen“ ist das, was sie am
meisten berührt habe, sagt Möller. Und sie erinnert sich an viele „bittere
Momente“, wenn sie eine Abschiebung auch mit guten Argumenten nicht
verhindern konnte. Hier fällt es ihr schwer loszulassen, nicht mehr für
eine Bleibeperspektive von Menschen zu kämpfen und ab und zu auch mal zu
gewinnen.
Was ihr nach 26 Jahren in der Grünen-Fraktion am meisten fehlen wird? „Der
Austausch mit den KollegInnen und die tägliche politische Diskussion“
blickt Möller voraus. Doch sie freue sich auch darauf, „keine öffentliche
Person mehr“ zu sein, Zeit für sich, ihre beiden Kinder und Enkelkinder zu
haben.
Was nun kommt? Bislang hätten ihr „die Kapazitäten gefehlt, meine Zukunft
komplett zu planen“. Doch auch ohne Mandat und Posten werde sie natürlich
„ein politischer Mensch“ bleiben und sich auch als einfaches Mitglied der
Grünen einmischen. Ihre Stimme wird weiter Gewicht haben.
24 Sep 2019
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Grüne Hamburg
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Bürgerrechte
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