# taz.de -- Schwarz-Grün in Hamburg: "Keine Law-&-Order-Koalition" | |
> Schwarze und grüne Innenpolitik sind vereinbar: Hamburgs grüne | |
> Innenexpertin Antje Möller im taz-Interview über Anti-Konflikt-Teams und | |
> zwei Parteien, die in verschiedenen Welten leben. | |
Bild: Ab in den Bürgerkrieg: Demonstration gegen geplante Abschiebungen nach A… | |
taz: Frau Möller, nach einem Dreivierteljahr schwarz-grüner Regierung in | |
Hamburg erlauben wir uns die Frage: Wo ist die grüne Handschrift in der | |
Innenpolitik, die im Koalitionsvertrag versprochen wurde? | |
Antje Möller: Dafür kann ich Ihnen ein aktuelles Beispiel geben: Wir haben | |
uns zwischen Innenbehörde und GAL gerade auf die Einrichtung von | |
Anti-Konflikt-Teams bei der Polizei verständigt, wie sie im | |
Koalitionsvertrag vereinbart worden waren. Sie sollen Kommunikations-Teams | |
heißen und bei Versammlungen und Demonstrationen und wahrscheinlich auch | |
bei Fußballspielen eingesetzt werden. | |
Also speziell geschulte Polizisten, die deeskalierend arbeiten sollen? | |
Genau das. | |
Das Ziel lautet: Weniger Steine, weniger Scherben? | |
Die Teams sollen sehr früh ansetzen, mit den Beteiligten zu kommunizieren, | |
schon weit vor bestimmten Ereignissen. Es gibt da gute Erfahrungen aus | |
Berlin und beim G8-Gipfel in Rostock. Das übertragen wir auf Hamburg. | |
Bislang war die Polizeiführung gegen Anti-Konflikt-Teams. Wer hat die | |
überzeugt? | |
Ich habe viel mit Innensenator Christoph Ahlhaus darüber gesprochen. Gehen | |
Sie davon aus, dass er diese Überzeugungsarbeit geleistet hat. | |
Der als Hardliner bekannte CDU-Innensenator steht nach Ihrer Einschätzung | |
mit all seinem politischen Gewicht hinter einer neuen polizeilichen | |
Deeskalationsstrategie? | |
Nach meiner Einschätzung steht der Innensenator zum Koalitionsvertrag. | |
Wie schön. In dem Vertrag wurden noch weitere innenpolitische Maßnahmen | |
vereinbart. Darf auch da demnächst auf Vollzug gehofft werden? | |
Ja. Die Arbeitsstelle "Vielfalt" bei der Justizbehörde ist in Arbeit, da | |
sind noch Feinplanungen erforderlich. Sie wird über Rassismus und | |
Rechtsextremismus aufklären und für interkulturelle Angelegenheiten | |
zuständig sein. Das wird demnächst spruchreif werden. Ähnlich ist es mit | |
der Arbeitsstelle "Transparenz und Bürgerrechte" in der Senatskanzlei, die | |
für die Wahrung der Grundrechte der Bürger zuständig ist. Die Stellen dafür | |
sind im Haushalt eingeplant, das kann im Sommer losgehen. | |
Und was ist mit der Härtefallkommission, die bei drohenden Abschiebungen | |
letzte parlamentarische Instanz ist? | |
Vereinbart wurde, zu prüfen, ob Kirchen, Flüchtlingsorganisationen und | |
Wohlfahrtsverbände einbezogen werden sollen. Allerdings ist die Bilanz der | |
Kommission in ihrer jetzigen Zusammensetzung mit Abgeordneten der | |
Bürgerschaft ausgesprochen positiv. Mehr als die Hälfte der Fälle wird zu | |
Gunsten der von Abschiebung bedrohten Menschen entschieden. Diese hohe | |
Quote erreicht kein anderes Bundesland. Und die Innenbehörde hält sich an | |
das Votum der Kommission, bisher zu 100 Prozent. Das läuft in anderen | |
Ländern ganz anders. Für Hamburg sehe ich deshalb bei diesem Punkt zurzeit | |
nicht mehr die besondere Dringlichkeit wie noch vor neun Monaten. | |
Das klingt alles sowas von positiv. Dem stehen aber einige Brüskierungen | |
der Grünen durch den Innensenator gegenüber: Online-Durchsuchungen oder | |
Aufteilung von Straftätern nach Deutschen und Nicht-Deutschen - haben Sie | |
das alles schon vergessen? | |
Natürlich nicht! Im Vordergrund steht aber für uns die Möglichkeit des | |
politischen Einwirkens auf behördliches Handeln. In keinem der Fälle, die | |
Sie genannt haben, gibt es eine Umsetzung. Wir halten uns an das, was wir | |
im vorigen April vereinbart haben. Sicher gibt es manchmal | |
Muskelspielereien, aber das ist normal in der Politik. | |
Die CDU ist die Partei von Recht und Ordnung, die Grünen die der | |
Bürgerrechte. Glauben Sie wirklich, diesen Spagat ohne Zerrungen | |
durchhalten zu können? | |
Das weiß ich noch nicht. Aber erstens haben wir keine | |
Law-&-Order-Koalition. Zweitens ist es doch eher so, dass die SPD mit | |
populistischen Forderungen versucht, die CDU rechts zu überholen. | |
Entscheidend für mich ist, die Innenpolitik in Hamburg auch strukturell zu | |
verändern. Das ist aber ein langer Weg. | |
Sie glauben tatsächlich, die Hardliner in der Union zivilisieren zu können? | |
CDU und Innenbehörde halten sich an den Koalitionsvertrag. Wenn wir | |
Auseinandersetzungen über innenpolitische Themen haben, sind die stets | |
pragmatisch und lösungsorientiert. | |
Wie bei der Duldung von Afghanen? | |
Ja. Wir haben sehr rasch ein Aufenthaltsrecht für etwa 700 afghanische | |
Flüchtlinge erreicht, die bisher nur geduldet in Hamburg lebten. Zur | |
Erinnerung: Der CDU-Senat wollte 2005 mit der Abschiebung tausender | |
afghanischer Flüchtlinge in das Bürgerkriegsland beginnen. Davon redet | |
heute niemand mehr. | |
Das heißt: Aus Ihrer Sicht sind schwarze und grüne Innenpolitik in der | |
Praxis vereinbar? | |
Ja, in Hamburg sieht es gerade so aus. Dazu braucht es klare Absprachen und | |
den beiderseitigen Willen, sich daran zu halten. CDU und GAL wissen, dass | |
sie innenpolitisch in zwei verschiedenen Welten leben. Wenn man das | |
respektiert, geht das gut. | |
ANTJE MÖLLER, 51, ist Fraktionsvize und innenpolitische Sprecherin der | |
Grünen in der Hamburger Bürgerschaft. | |
13 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
Sven-Michael Veit | |
## TAGS | |
Grüne Hamburg | |
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