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# taz.de -- Von der Leyens neue EU-Kommission: Mehr Frauen, Chefs und Posten
> Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mischt ihre
> Behörde kräftig auf. Doch ihr Wunschteam sorgt schon jetzt für
> Widerstand.
Bild: Je länger Ursula von der Leyen sprach, desto unklarer wurden ihre Priori…
Brüssel taz | Noch wenige Stunden bevor Ursula von der Leyen ihre
Wunsch-Kommission vorstellte, rangen die EU-Staaten um Posten in der
Brüsseler Behörde. Einige Kommissare wurden bis zuletzt über ihre
Aufgabenbereiche im Unklaren gehalten. Doch als von der Leyen Punkt zwölf
vor die Presse trat, wirkte sie mit sich und der Welt im Reinen. Eine
„ausgewogene, ambitionierte und erfahrene“ Mannschaft habe sie
zusammengestellt, verkündete sie. Geschlechter, Parteien und Regionen seien
gerecht vertreten.
Tatsächlich: Die neue EU-Kommission, die am 1. November ihre Arbeit
aufnehmen soll, erfüllt alle Proporz-Kriterien, die in Brüssel so wichtig
sind. [1][Frauen sind mit 13 Kommissarinnen so stark vertreten wie nie],
die Parität wurde bei 14 Männern nur knapp verfehlt. Die Konservativen
wurden ebenso berücksichtigt wie Sozialdemokraten und Liberale. Osteuropäer
und Südländer haben wichtige Posten erhalten. Von der Leyens Wunschteam
enthält auch politische Schwergewichte; mit Paolo Gentiloni ist sogar ein
Ex-Regierungschef dabei.
Die beiden großen Zukunftsthemen – Klima und Digitales – wurden an die
Spitzenkandidaten bei der Europawahl, Frans Timmermans und Margrethe
Vestager, vergeben. Die Dänin Vestager soll zudem den Wettbewerb behalten,
mit dem sie sich international einen Namen gemacht hat. Timmermans soll
einen „Green Deal“ einfädeln. „Wir werden den Klimawandel mutig angehen,
unsere Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten ausbauen, unsere
Beziehungen zu einem selbstbewussteren China definieren und ein
verlässlicher Nachbar sein“, sagte von der Leyen.
Doch je länger die erste Frau an der Spitze der EU-Behörde sprach, desto
unklarer wurden die Prioritäten. Auf die drohende Rezession in Deutschland,
die Flüchtlingskrise oder das Brexit-Chaos ging sie kaum ein. Dabei drohen
sie den Start der neuen EU-Kommission zu überschatten.
Auch die Vorstellung der Kommissare und ihrer Zuständigkeiten ergab kein
klares Bild. Künftig wird es nicht nur drei „geschäftsführende
Vizepräsidenten“ geben – neben Timmermans und Vestager darf sich auch
Valdis Dombrovskis mit diesem Titel schmücken. Sein Aufgabengebiet heißt
„Eine Wirtschaft für die Menschen“. Von der Leyen hat gleich noch fünf
weitere Kommissare zu „einfachen“ Vizepräsidenten ernannt. Dazu zählen der
neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, die Tschechin Vera Jourová („Werte
und Transparenz“) und der Grieche Margaritis Schinas („den europäischen Way
of Life schützen“, wohinter sich die Migrationspolitik verbirgt).
## Kritik an ungarischem und polnischem Kommissar
Dann gibt es noch „Cluster“, in denen mehrere Kommissare
zusammengeschlossen werden. Das führte schon bei der Vorstellung zu
Verwirrung. So werden Jourová und der belgische Justizkommissar Didier
Reynders für Rechtsstaat und Demokratie zuständig sein. Um die Wirtschaft
wird sich neben Gentiloni und Dombrovskis auch die [2][französische
Binnenmarkt-Kommissarin Sylvie Goulard] kümmern. Sie mischt auch in der
Sicherheitspolitik mit und leitet die neue Generaldirektion
„Verteidigungsindustrie und Rüstung“. Nebenbei soll sie sich um den
digitalen Binnenmarkt kümmern. Die 54-jährige Vertraute von Frankreichs
Staatschef Macron wird damit eine der mächtigsten Frauen im „Team von der
Leyen“ sein. Wohl kein Zufall: Schließlich hatte Macron beim EU-Gipfel im
Juli die Wahl von der Leyens durchgedrückt.
Erstaunlich viel Macht erhalten die ungarischen und polnischen Kommissare
Laszlo Trocsanyi und Janusz Wojciechowski. Der Vertraute von Ungarns
Regierungschef Viktor Orbán ist für Erweiterung und Nachbarschaft
zuständig. Wojciechowski wird Agrarkommissar – und übernimmt das mit
Abstand größte Budget im EU-Haushalt. Diese beiden Nominierungen werden in
Brüssel damit in Zusammenhang gebracht, dass Macron, aber auch Kanzlerin
Angela Merkel nach der Europawahl offensiv um Ungarn und Polen geworben
haben, um von der Leyen eine Mehrheit zu sichern.
Im Europaparlament baut sich bereits Widerstand gegen die beiden
„Wackelkandidaten“ auf. Trocsanyi wird vorgeworfen, dass er als
Ex-Justizminister aktiv am Abbau von Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn
beteiligt war. Und gegen Wojciechowski läuft sogar ein Verfahren der
EU-Antibetrugsbehörde OLAF; es geht um Reisespesen aus seiner Zeit als
Europaabgeordneter.
Abgeordnete von CDU und SPD haben bereits angekündigt, die beiden
Osteuropäer bei den Anhörungen im Europaparlament, die Ende September
beginnen, zu „grillen“. Auch Goulard muss bei den Hearings mit Problemen
rechnen, denn gegen sie ermittelt ebenfalls OLAF – wegen einer alten
Affäre, bei der es um Scheinbeschäftigung geht. Sollte ein Kommissar
durchfallen, so muss von der Leyen neue Kandidaten anfordern. Andernfalls
riskiert sie, dass ihr Team bei der Abstimmung über die EU-Kommission am
23. Oktober durchfällt. Ihre eigene Wahl hatte sie im Juli nur mit einer
hauchdünnen Mehrheit von neun Stimmen geschafft.
10 Sep 2019
## LINKS
[1] /Kommentar-Frauen-in-der-EU-Kommission/!5621792
[2] /Frankreich-und-die-EU/!5621694
## AUTOREN
Eric Bonse
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Ungarn
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