Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sozialunternehmen gegen Betriebsrat: Luxus für den guten Zweck
> Das Berufsbildungswerk Bremen hat seinen Betriebsrat verklagt, weil der
> die teure Werder-Loge des BBW öffentlich ansprach. Dahinter steckt
> Kalkül.
Bild: Ganz so edel ist die Loge des Berufsbildungswerks nicht, 20.000 bis 40.00…
BREMEN taz| Wenn UnternehmerInnen Praktikumsplätze oder Arbeitsstellen für
Menschen mit psychischer Beeinträchtigung bereitstellen, liegt das
eventuell daran, dass sie für mehr Chancengleichheit sorgen wollen – oder
man ist schlicht überzeugt von der Qualität der neuen Beschäftigten.
Das [1][Berufsbildungswerk (BBW) Bremen] scheint diesen Beweggründen nicht
ganz zu trauen: Das Sozialunternehmen leistet sich seit 2017 eine Loge im
Weser-Stadion – als Marketingmaßnahme, heißt es. Man wolle hier Unternehmen
als Partner für Praktika gewinnen. Zwischen 20.000 und 40.000 Euro pro
Saison kostet eine solche Loge auf der Südseite laut Werder Bremen.
Die Logenpartnerschaft steht [2][öffentlich auf der Werder-Homepage], im
eigenen Betrieb jedoch wusste man von dieser Art des Marketings lange
nichts. Als einige MitarbeiterInnen Anfang des Jahres Wind davon bekamen,
sei die Stimmung schnell hochgekocht, erzählt die Betriebsratsvorsitzende
Sabine Ehrenberg.
„Der Betriebsfrieden war gestört. Wir mussten reagieren“, erklärt sie. Ü…
das Schwarze Brett informierte der Betriebsrat die Belegschaft über die
Loge und kündigte an, die Geschäftsführung bei der nächsten Sitzung mit den
Fragen der MitarbeiterInnen zu konfrontieren.
Die Geschäftsführung hat die betriebsinterne Veröffentlichung dieser
öffentlich bekannten Tatsache als „Verstoß gegen die vertrauensvolle
Zusammenarbeit“ und „diskreditierend“ eingestuft – dabei bleibt der Aus…
recht sachlich: Der Betriebsrat informiert die MitarbeiterInnen über die
geschätzten Kosten – und fragt, was der Sinn einer solchen Anmietung sei
und durch wen die Loge eigentlich genutzt werde.
Bis heute hat sich das BBW gegenüber den MitarbeiterInnen nicht zur Loge
geäußert. Mit der Klage hat die Geschäftsführung nun selbst für
Öffentlichkeit gesorgt. Der Sinn erschließt sich erst auf den zweiten
Blick: Die Geschäftsführung will eine Vorverurteilung des Betriebsrates
über ein Feststellungsverfahren erreichen, um, so Arbeitgeber-Anwalt
Friedhelm Keck, ihn beim nächsten Regelverstoß freistellen zu können.
„Wenn wir in Zukunft irgendwas sagen, was Ihnen missfällt, würden wir also
eine Amtsenthebung riskieren“, fasste Ehrenberg während des Prozesses vor
dem Bremer Arbeitsgericht am Donnerstag das Verfahren zusammen – und
weigerte sich, über ein Schuldeingeständnis eine friedliche Einigung zu
erreichen.
„Wir wären nicht mehr frei in der Ausübung unserer Rechte als Betriebsrat�…
erklärt sie. Die Arbeitnehmervertretung tat gut daran, es auf ein Urteil
ankommen zu lassen: Das Gericht entschied, es gebe kein begründetes
Interesse an der Feststellung.
Der Versuch, eine Absetzung des Betriebsrates vorzubereiten, passt in eine
lange Reihe von Klagen: Seit ihrem Bestehen im Jahr 1978 gab es laut dem
ehemaligen Ausbildungsleiter Eckard Hasselmann 300 Prozesse zwischen
Leitung und MitarbeiterInnen beziehungsweise Betriebsrat.
Auch die taz berichtete schon über die [3][„Gutsherrenart“,] die der
Geschäftsführung von Teilen der Belegschaft vorgeworfen wurde – und über
einen älteren Fall, bei dem der ehemalige Betriebsratsvorsitzende noch
[4][am Tag seiner Pensionierung ein Hausverbot bekam]. „Eigentlich müsste
man etwas tun, um dem Betriebsrat den Rücken zu stärken“, fordert
Hasselmann.
Das BBW gehört zum Sozialverband Deutschland. Der sieht auf seiner Homepage
„[5][ein respektvolles, partnerschaftliches Miteinander und gegenseitige
Wertschätzung“] als Grundlage seines Handelns – zum Bremer
Berufsbildungswerk möchte sich der Verband aber auch eine Woche nach der
ersten Anfrage nicht äußern, „bis das Arbeitsgerichtsverfahren endgültig
abgeschlossen ist“ – schließlich sei das Urteil vom vergangenen Donnerstag
noch anfechtbar.
## Der Sinn einer Loge
Die Frage nach dem Sinn der Loge wurde im Prozess nur gestreift. Finanziert
wird das Berufsbildungswerk aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit,
[6][monatlich rund 2.090 Euro] hat das BBW 2017 für jeden ihrer etwa 500
Auszubildenden bekommen – die Kosten für die Loge umfassen also etwa die
Erlöse, die durch ein bis zwei Azubis eingenommen werden. Prüfrechte zum
Haushalt des BBW hat die Bundesagentur für Arbeit nicht.
Das BBW ist das einzige Sozialunternehmen, das bei Werder eine Loge mietet,
neben zahlreichen Logistik-, Handels- und Bauunternehmen. Die Zahlen aber
sprächen für die Maßnahme, so Anwalt Keck: In einem Jahr sei die
Vermittlungsquote der Jugendlichen in andere Betriebe von 71 auf 80 Prozent
gestiegen.
Hasselmann überzeugt das nicht. Nie habe es in der Vergangenheit
Geschäftspartner gegeben, die über ein besonders repräsentatives Auftreten
für die Kooperation gewonnen werden mussten, meint er. Gemeinsam mit dem
ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden Michael Müller hat er am Montag
Strafanzeige erstattet – wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel. Der
nächste Prozess kommt bestimmt.
27 Sep 2019
## LINKS
[1] /Inklusion-in-der-Ausbildung/!5224297
[2] https://www.werder.de/de/business/hospitality/uebersicht-vip-bereiche/vip-l…
[3] /Streit-in-Bremens-Berufsbildungswerk/!5499288
[4] /Hausverbot-fuer-Aufmuepfigen/!5200658
[5] https://www.sovd.de/der-sovd/wer-wir-sind/leitbild/
[6] https://www.bundesanzeiger.de/ebanzwww/wexsservlet
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Werder Bremen
Ausbildung
Arbeitsrecht
Betriebsrat
Hamburger Hochbahn
Florian Kohfeldt
Ausbildung
Bremen
Betriebsrat
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gekündigter Busfahrer und Betriebsrat: Kurioser Kurswechsel
Die Hamburger Hochbahn hat einen Betriebsrat rausgeworfen. Daraufhin
stellen sich die Kollegen hinter ihn – und ändern dann überraschend ihre
Meinung.
Werder nach dem Remis gegen Berlin: Des Trainers Dialektik
Werder Bremen vergibt beim 1:1 gegen Hertha BSC viele Chancen.
Werder-Trainer Florian Kohfeldt blickt trotzdem optimistisch auf das große
Ganze.
Streit in Bremens Berufsbildungswerk: Gelebte Hierarchie
In Bremens größtem Ausbildungsbetrieb beklagen MitarbeiterInnen und
Betriebsrat die „Gutsherrenart“ des Chefs. Der jedoch ist sich keiner
Schuld bewusst.
Inklusion in der Ausbildung: „Viele fallen durchs Raster“
Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen. Ein Gespräch über beeinträchtigte
Menschen, unwissende Unternehmen und verschenkte Ressourcen.
Hausverbot für Aufmüpfigen: Nachtreten gegen Betriebsrat
Weil er in seiner Zeit als Betriebsrat beim Berufsbildungswerk für zu viel
Aufruhr sorgte, erhielt Michael Müller dort Hausverbot.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.