# taz.de -- Inklusion in der Ausbildung: „Viele fallen durchs Raster“ | |
> Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen. Ein Gespräch über beeinträchtigte | |
> Menschen, unwissende Unternehmen und verschenkte Ressourcen. | |
Bild: Manche schaffen eine Ausbildung halt erst in vier statt in drei Jahren. | |
taz: Gestern begann das neue Ausbildungsjahr. Wird in Bremen jetzt dank der | |
Ausbildungsplatzgarantie alles gut, Herr Möller? | |
Torben Möller: Das will ich hoffen! Bremen tut relativ viel für jene, die | |
keine Beeinträchtigungen haben. Wünschenswert wäre aber, dass Bremen sich | |
stärker zu Menschen mit Lernbehinderungen, Körperbehinderungen oder | |
psychischen Erkrankungen bekennen würde. Im Koalitionsvertrag taucht das | |
Thema zwar auf, aber es wäre schön, wenn da jetzt auch Taten folgen würden. | |
Das Berufsbildungswerk (BBW) kümmert sich um rund 500 Menschen mit | |
Beeinträchtigungen. Um wie viele können Sie sich nicht kümmern? | |
Wir lasten unsere Kapazitäten möglichst aus. Unser Problem ist: Wir | |
ermöglichen jungen Menschen eine sehr gute Ausbildung, die auch für den | |
ersten Arbeitsmarkt prädestiniert ist. Trotz der ewigen Proklamation, es | |
herrsche Fachkräftemangel, fallen viele dieser Menschen aber durch das | |
Raster. | |
Nimmt die Zahl derer, die Förderbedarfe haben, zu? | |
Tendenziell haben weniger Menschen körperliche Leiden, aber immer mehr, die | |
psychisch beeinträchtigt sind. Das Verhältnis verschiebt sich. | |
Die Unternehmen klagen, es ist immer schwieriger, passende BewerberInnen zu | |
finden. Zu Recht? | |
Ich habe das Gefühl, bei vielen Unternehmen herrscht eine gewisse | |
Unwissenheit vor. Viele wissen gar nicht, dass wir auch in der in Bremen | |
wichtigen Sparte der Logistik und Hafenwirtschaft ausbilden. Momentan | |
bieten wir 33 Berufe an und versuchen, den bremischen Trend dabei mit | |
aufzugreifen. | |
Schieben die Firmen die Inklusion an das BBW ab? | |
Das glaube ich nicht. | |
Gibt es zu viele schwache AbsolventInnen, wie gerne beklagt wird? | |
Das will ich nicht sagen. 2014 hat die Karl-Nix-Stiftung eine Studie | |
gemacht, mit der Frage: Wer stellt die besten Azubis? Da kam das BBW mit | |
auf Platz eins. Die Arbeitsqualität oder -güte hat nichts damit zu tun, | |
dass jemand behindert ist. Es gibt viele Möglichkeiten, den Arbeitsplatz | |
behindertengerecht anzupassen. Bremen bietet da viele | |
Unterstützungsmöglichkeiten. | |
Es ist immer wieder davon die Rede, viele junge Menschen seien nicht | |
„ausbildungsfähig“. Ist das ein Vorurteil, was gerade auf ihr Klientel | |
zutrifft? | |
Da hat sich vieles zum Positiven geändert. Wenn jemand als | |
ausbildungsunfähig galt, versuchen wir unser Bestes – und haben immer gute | |
Erfolge erzielt. Im BBW können wir auf jeden Menschen einzeln eingehen, | |
zudem wird die Ausbildung flankiert von sozialpädagogischen, | |
psychologischen und medizinischen Fachdiensten. Meine Devise ist: Gib einem | |
Menschen erst mal das richtige Handwerkszeug, lass ihn ein vernünftiges | |
Zeugnis machen. Dann wird er sich durchsetzen. Manche brauchen einfach mehr | |
Zeit, schaffen es erst in vier Jahren und nicht in drei – aber sie schaffen | |
es. | |
Wie viele Ihrer AbsolventInnen landen auf dem 1. Arbeitsmarkt? | |
2014 hatten wir eine Vermittlungsquote von 60 Prozent. | |
Sind die Unternehmen bereit, Menschen mit Beeinträchtigungen zu | |
akzeptieren? | |
Die Gespräche, die ich führe, zeigen, dass viele da aufgeschlossen sind, | |
aber gar nicht wissen, was das alles bedeuten kann. Wer sucht, wird hier | |
immer einen gut ausgebildeten Menschen finden. Aber man muss sich auch | |
etwas drum kümmern. Wir haben hier ein unglaublich hohes Potenzial – da ist | |
es einfach zu plakativ zu sagen, es gibt einen Fachkräftemangel, wenn man | |
solche Ressourcen nicht nutzt. Das können wir uns auch gar nicht leisten. | |
Warum werden die Ressourcen nicht genutzt? | |
Ich denke: Zum größten Teil aus Unwissenheit, dass es sie gibt. | |
Bei Ihnen kann man etwa Tischler lernen – kein klassischer Mangelberuf. | |
Haben die AbsolventInnen da überhaupt Chancen? | |
Ja! Man darf da jetzt nicht nur an den kleinen Zweimannbetrieb denken, | |
sondern auch an Baumärkte oder andere große Spieler. Wir konnten unsere | |
Absolventen immer gut unterbringen. Und wir haben Maschinen, die ein | |
kleiner Betrieb nie haben wird. | |
1 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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