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# taz.de -- Streit in Bremens Berufsbildungswerk: Gelebte Hierarchie
> In Bremens größtem Ausbildungsbetrieb beklagen MitarbeiterInnen und
> Betriebsrat die „Gutsherrenart“ des Chefs. Der jedoch ist sich keiner
> Schuld bewusst.
Bild: Bremens größter Ausbildungsbetrieb: das Berufsbildungswerk
Bremen taz | Es war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte, als
der Chef des Berufsbildungswerks einem Mitarbeiter drohte. Der hatte
gesehen, wie Geschäftsführer Torben Möller im Auto saß – mit einem Handy …
Ohr. Per Handzeichen wies er seinen Chef darauf hin. Der stieg prompt aus
und fragte, was das solle. Als der Mitarbeiter Möller erklärte, es sei doch
verboten, am Steuer zu telefonieren, platzte dem Chef der Kragen: Er drohte
mit einem Personalgespräch. Schon per sofort verbot er dem Mitarbeiter, die
hauseigene Autowäsche in Anspruch zu nehmen.
Der Mitarbeiter arbeitet seit 37 Jahren im Berufsbildungswerk Bremen (BBW),
einer Ausbildungsstätte für Jugendliche mit Behinderung. Träger der
Einrichtung ist der Sozialverband Deutschland, finanziert wird das BBW von
der Arbeitsagentur und der Rentenversicherung. Das Ziel ist, Menschen mit
Einschränkungen auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Beim betroffenen
Mitarbeiter hat das geklappt: Er ist selbst behindert, hat im BBW seine
Ausbildung gemacht und arbeitet bis heute dort. Er ist beliebt bei
KollegInnen und SchülerInnen, gerade wegen seiner immer hilfsbereiten,
couragierten und geradlinigen Art.
Als die KollegInnen und der Betriebsrat von dem Zwischenfall erfahren, sind
sie empört. Der Betriebsrat verschickt ein Rundschreiben an die
Belegschaft, das der taz vorliegt. Und gleich mehrere ehemalige und
aktuelle MitarbeiterInnen entschließen sich, mit dieser Geschichte und
weiteren Missständen an die Öffentlichkeit zu gehen. Unabhängig voneinander
wenden sie sich an die taz. Aus Angst vor ihrem Chef wollen sie lieber
anonym bleiben. Möller sei nämlich klagefreudig und habe ein „Klima der
Angst“ geschaffen.
## „Klima der Angst“
Die Vorwürfe, die sie der taz schildern, reichen von heimlichen
Sonderzahlungen über Vetternwirtschaft bis hin zur Einschüchterung von
MitarbeiterInnen. Der Rundbrief des Betriebsrats stützt sie: Der Chef
regiere nach „Gutsherrenart“, heißt es dort, sein Vorgehen sei eine
„Zumutung gegenüber der Belegschaft“. Die Geschäftspolitik sei
intransparent, zudem würden Mitarbeiter ungleich behandelt. Auch ein der
taz vorliegender offener Brief vom Lehrerkollegium der betriebseigenen
Berufsschule kritisiert Torben Möllers repressives Verhalten.
Mitarbeiter berichten der taz, dass der Betriebsrat wegen des Verdachts auf
Unregelmäßigkeiten die Gehaltslisten kontrolliert habe. Der Betriebsrat
habe nach der Kontrolle bei einigen Zahlungen nachgehakt, wofür diese
gewesen seien. Der Geschäftsführer habe sie daraufhin zurückgenommen – die
Zahlungen sei ein „Versehen“ gewesen.
Zudem genieße Geschäftsführer Möller regelmäßig Vorteile, indem er die
verschiedenen Ausbildungswerkstätten für private Zwecke nutze. Es kursieren
im Betrieb sogar Gerüchte, dass Azubis des Berufsbildungswerks sein
Segelboot aufgepolstert hätten. Im Berufsbildungswerk gibt es einen
Gastrobetrieb sowie Holz- und Metallwerkstätten, die der Geschäftsführer
immer wieder für private Zwecke genutzt haben soll.
In seinem Rundbrief beklagt der Betriebsrat, er werde inzwischen von
Vorstellungsgesprächen ausgeschlossen. Das sei bei einem Tendenzbetrieb wie
dem BBW nur zulässig, wenn der Betriebsrat unterrichtet werde. Davon könne
allerdings keine Rede sein: „Im BBW geht es aktuell bei einigen
Einstellungen zu wie bei Hofe“, heißt es in dem Rundbrief. Kriterien für
die Bewerberauswahl und deren Anzahl blieben vollkommen im Dunkeln: „Es
darf nicht reichen, wenn der Arbeitgeber Frau/Herrn XY einstellen möchte,
weil seine beste Qualifikation ein privater Bezug zu einer Leitungsperson
ist.“
Auf taz-Nachfrage bestätigte ein Mitglied des Betriebsrates Inhalt und
Echtheit des Rundschreibens. Kurzfristig wolle sich jedoch niemand aus dem
neunköpfigen Betriebsrat äußern, die Vorsitzende sei gerade im Urlaub. Klar
ist aber: Der Betriebsrat klagt nun auf seine Mitbestimmungs- und
Informationsrechte und auch wegen verschiedener anderer Missstände.
## Geschäfstführer sieht „Schreihalstum“
Für den Geschäftsführer selbst sind die Vorwürfe des Betriebsrates
„Schreihalstum“. Möller sagte der taz: „Es ist albern, persönlichen Pro…
zu unterstellen.“ Natürlich komme es infolge von persönlichen Beziehungen
auch mal zu einer Bewerbung im BBW: „Man ist auf einer Kohlfahrt und wird
gefragt, ‚Was machst du denn so?‘ und dann wirbt man natürlich für sein
Unternehmen“ – das sei doch vollkommen normal. Zur Klage des Betriebsrats
gegen den Ausschluss aus Bewerbungsgesprächen sagt Möller, dass er zunächst
den Ausgang des Rechtsstreits abwarten wolle.
Von Sonderzahlungen hingegen will Möller nichts wissen. Man habe lediglich
fünf Mitarbeiter versehentlich falsch eingruppiert: „Das kann schon mal
passieren bei 500 Leuten“, so Möller. Man zahle regulär nach Tarif für den
öffentlichen Dienst. Die Betroffenen müssten nun Lohnsteigerungsrunden
aussetzen. Und die verschiedenen Gewerke des BBW dürften alle
MitarbeiterInnen nutzen: „Alle Mitarbeiter dürfen etwa bei den Tischlern
eine alte Schranktür reparieren lassen, wenn es in ein Ausbildungsprojekt
passt.“ Es sei ungerecht, wenn ihm das nicht ermöglicht würde – und
selbstverständlich müsse jeder dafür zahlen. Ein Segelboot habe Möller im
Übrigen nicht. „Ich habe nur eine Jolle und da gibt es gar keine
Polsterung.“
Angesprochen auf anonym kolportierte Einschüchterungen gegenüber
Mitarbeitern sagt Möller: „Der eine ist Ökonom, der andere Sozialpädagoge …
die Ansichten sind diametral.“ Die entscheidende Frage sei jedoch, welcher
Stil zum Ziel führe. „Hierarchie leben ist auch mal wichtig“, sagt Möller.
So ordnet der Chef auch die Auseinandersetzung um das Handy am Steuer ein:
„Mein Fahrzeug stand“, sagt er, „deswegen habe ich nicht falsch gehandelt…
Er respektiere die Meinung des Mitarbeiters natürlich, aber „der muss mich
auch respektieren als der, der ich bin: sein Vorgesetzter.“
Nun will er den Mitarbeiter noch mal zu einem Gespräch auffordern. Möller
sagt: „Wenn er seinen Fehler auch einsieht, lasse ich sämtliche Sanktionen
fallen.“
28 Apr 2018
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Ausbildung
Bremen
Betriebsrat
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