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# taz.de -- Turbokapitalisten und Rechtspopulisten: Zur Freude der Klimaleugner
> Der Klimawandel spielt den Klimaleugnern in die Karten: Er hilft, ihre
> Klientel zu mobilisieren. Dass dabei die Argumente fehlen, ist ihnen
> egal.
Bild: Sonne satt – Klimaleugner behaupten, mit dem Handeln der Menschen habe …
Klimaleugner leugnen nicht das Klima, davon hätten sie nichts. Sie leugnen
den menschengemachten Klimawandel. Das Wort ist eine falsche Verkürzung,
die in den Sprachgebrauch hineingesickert ist: griffig, hart und kalt. Was
sich im Sprachgebrauch verankert, ist jedoch gesetzt. Klimaleugner sind
Leute, die damit hausieren gehen, dass es so bleiben kann, wie es ist –
inklusive Ressourcenverschwendung, Raubbau an der Natur wie auch Konsum-
und Wegwerfmentalitität. Turbokapitalisten sind oft [1][Klimaleugner],
Trump an vorderster Stelle. Und Populisten, vor allem Rechtspopulisten,
sind es auch.
In Deutschland fährt die AfD auf dem Ticket. Viele ihrer Mitglieder leugnen
den Klimawandel. Es ist eins der Themen, mit dem sie ihre Klientel
mobilisieren. Versprochen wird diesem, dass die Welt besser bleibt, wenn
man den Klimawandel ignoriere – und die Leute glauben es. Weil’s bequemer
ist und weil die Populisten geschickt vorher geschürte Unrechtsgefühle
ihrer Anhänger damit ansprechen.
Wer sich auf Foren von [2][Rechtspopulisten] umsieht (die mitunter als
seriös getarnt sind), trifft auf eine überbordende Menge an Hassbotschaften
gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, gegen alle, die eine CO2-Steuer
einführen, Benzin verteuern, Subventionen des Fliegens abbauen wollen.
Klimawandel, das sei nur eine Methode, um neue Steuern zu erheben, die dann
den Flüchtlingen zugutekämen, bekommt, wer mit Rechten spricht, schnell zu
hören.
Kürzlich wollten AfD-Mitglieder des Bundestags in einer Kleinen Anfrage von
der Bundesregierung wissen, wie diese überhaupt darauf käme, dass 97
Prozent aller Wissenschaftler behaupten können, dass der Klimawandel
menschengemacht sei. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort nun auf
eine Metastudie von James Powell aus dem Jahr 2016 und die kommt zum
Schluss: 97 Prozent ist falsch. Mittlerweile gehen 99,94 Prozent aller
Studien davon aus, dass der Mensch die Erderwärmung verursacht hat. Der
Faden, an dem sich die Klimaleugner festhalten, wird dünner und dünner.
## Flucht und Tod sind auch Folgen des Klimawandels
Das ist ihnen aber egal. Denn Skeptiker des Klimawandels werden trotzdem
viel öfter auch in seriösen Zeitungen wie der New York Times oder dem
Guardian zitiert, befand eine Studie der University of California, die
100.000 Artikel analysiert hatte. Den Wissenschaftlern zufolge
diskreditiere dies fortwährend die Arbeit seriöser Klimaforscher, die seit
Jahrzehnten vor den Folgen der Erderwärmung warnen. Ein Punktsieg für die
Klimaleugner, denn die Medien arbeiten ihnen damit zu.
Noch aus einem anderen Grund fahren Klimaleugner mit ihrem Mantra, dass
Klima immer schon schwankend gewesen sei, gut. Denn der Klimawandel
erledigt etwas, das sehr gut in ihre Ideologie passt. Tritt ein, was
Wissenschaftler vorhersagen, sind die Folgen der Erderwärmung verheerend,
sehr schlimm werden sie für Länder in Afrika und Asien, wo sich dies
bereits zeigt. Überschwemmungen, Dürren, ausgetrocknete Flüsse,
schrumpfende Gewässer, Desertifizierung, veränderte
Niederschlagsverteilung, Missernten, Hunger, schmelzende Gletscher,
Starkregen oder gar kein Regen, ein Monsun, der an manchen Orten ausbleibt,
an anderen alles überschwemmt.
Zu den Folgen des Klimawandels gehören Flucht und Tod. Der Weltklimarat
IPCC warnte schon 2014, dass Kinder und ältere Menschen aufgrund ihrer
geringen Mobilität, aber auch ihrer geringeren Nahrungsaufnahme bei Dürren,
Hitzewellen und Waldbränden körperlich gefährdet und vom Tod bedroht seien.
Erwartet wird, dass viele Kinder an Mangelernährung, Durchfall, Malaria und
bei Überschwemmungen sterben. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht
des UN-Menschenrechtsrats wird bereits davor gewarnt, dass der Klimawandel
die Menschenrechte bedrohe und dass er, was in den letzten 50 Jahren in
Bezug auf Weltgesundheit und Armutsreduktion erreicht wurde, zunichtemachen
könnte.
Es wird Fluchtbewegungen geben aufgrund des Klimawandels, aber die
wenigsten Klimaflüchtlinge werden es auf ihrer Odyssee bis in die
Industrieländer schaffen. Das mag ein weiterer ein Grund sein, warum die
Populisten in europäischen Ländern, die wie die AfD in Deutschland ihre
Aussagen mit nationalsozialistischen Wortfindungen wie „Umvolkung“ und
„Volksstod“ befeuern, den Klimawandel leugnen. Dies, obwohl
Flüchtlingsbewegungen eines ihrer liebsten Bedrohungsszenarien ist.
## Die Überbevölkerungsdebatte dient den Rechten
Und es gibt noch einen dritten Aspekt, der in diesen ganzen Brei aus
billigen Parolen und falschen Argumentationen der Populisten hineinreicht:
die Überbevölkerungsdebatte. Die immer weiter zunehmende Bevölkerung ist
manchen Überlegungen zufolge die größte Bedrohung für das Klima. Heute
leben laut UN etwa 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Bis zum Ende des
Jahrhunderts, prognostizieren die Vereinten Nationen im World Population
Prospects 2019, werden es 10,8 Milliarden Menschen sein. Der Hauptanstieg
werde in Afrika geschehen, wo jetzt etwa 1,3 Milliarden Menschen leben. Zum
Jahrhundertende sollen es dort 4,1 Milliarden sein.
Es sind nicht nur Rechtsnationalisten und Populisten, die verbreiten, dass
die Überbevölkerung eigentlich die größte Gefahr für das Klima sei. Diese
Behauptung taucht auch in demokratiefreundlicheren Zusammenhängen auf. Im
Sommer etwa machte sich Wolfgang Kubicki von der FDP diese Argumentation zu
eigen. Denn solange Populisten den Klimawandel leugnen und damit gewählt
werden, passen sich bürgerliche Parteien ihren Forderungen an. Sie
erledigen wieder die Arbeit der Rechten.
Die Behauptung, der Bevölkerungszuwachs sei die größte Klimagefahr, ist
jedoch widerlegbar. Dort, wo die Geburtenraten am höchsten sind, gibt es
die wenigsten CO2-Emmissionen. Ein Mensch in Burundi produziert laut einer
Studie von Christian Aid, der offiziellen Hilfs- und Entwicklungsagentur
von 41 protestantischen und orthodoxen Kirchen in Großbritannien und
Irland, im Jahr 0,027 Tonnen CO2 pro Person. Ein US-Amerikaner verursacht
581 Mal so viel. Ohnehin ist es eine fatale Volte, jenen Ländern nun die
Verantwortung für die Klimaerwärmung zuschieben zu wollen, die am wenigsten
dazu beigetragen haben. Historisch, so die große private Hilfsorganisation
Care, sind die Industrieländer zu 99 Prozent für das Zuviel an CO2 in der
Atmosphäre verantwortlich.
Dass sich die Behauptung, die Überbevölkerung sei die größte Gefahr für das
Weltklima, dennoch hartnäckig hält, deutet darauf hin, dass es angenehm
ist, andere für das Versagen verantwortlich zu machen, um bei sich nichts
zu ändern. Der Klimawandel kommt den Klimaleugnern also ganz recht, weil er
für die Populisten in den Industrieländern ein Problem löst. Er sorgt
dafür, dass Menschen sterben. Und zwar dort, wo eurorassistischer Ideologie
zufolge Menschen leben, die wegbleiben oder erst gar nicht geboren werden
sollen.
21 Sep 2019
## LINKS
[1] /Umgang-mit-Klimaskeptikern/!5625760
[2] /Debatte-Rechte-Klimaleugner/!5572372
## AUTOREN
Waltraud Schwab
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