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# taz.de -- Strategien populistischer Politik: Warum „Volk“ antidemokratisc…
> Populisten mögen keinen Widerspruch. Das „Volk“ als Gegenüber ist desha…
> ideal – im Chor kann es kaum Nachfragen stellen. Subjekte können das
> schon.
Bild: Die Fragen des Populisten an „sein“ Volk sind immer auch schon Antwor…
Wie der Begriff „Neoliberalismus“, so ist [1][auch der des „Populismus“…
der Gegenwart] neu besetzt worden und daher nicht mehr allein aus einer
historischen Ableitung zu begreifen. In der Geschichte der
Demokratisierungen und ihrer Krisen gab es zweifellos Formen des
Populismus, die als notwendige Eingriffe, Korrekturen und Veränderungen
wirkten, die ein der Bevölkerung vorenthaltenes Recht wiedereroberten oder
die, nur zum Beispiel, auf einen sozialen Ausgleich hinauswollten.
Populistisch konnte man aber immer auch jene Formen der Demokratie nennen,
die nicht allein auf die demokratischen Instanzen und Institutionen
setzten, sondern auch direkte Formen der Beteiligung nutzten.
Populistisch etwa wäre auch ein „kumpelhafter“ und antiautoritärer Umgang
miteinander, eine betont zivile und legere Beziehung zwischen Regierung und
Menschen, ein bisschen so, wie es José Mujica, genannt El Pepe, in seiner
Amtszeit als Präsident von Uruguay pflegte. Mit dem, was wir im Prozess des
Rechtsrucks und der Faschisierung als „Populismus“ bezeichnen, hat das
allerdings so gut wie gar nichts zu tun.
Der Unterschied liegt in drei bedeutenden Elementen: Der heutige Populismus
versteht Politik vor allem als Show und Effekt, er stillt mediale
Bedürfnisse, findet aber zu keinem schwerwiegenderen Problem eine Lösung.
Der Populismus missachtet die große Warnung des weisen K’ung Fu Tzu, nach
der jener gut regiert, der eine Lösung, und jener schlecht, der einen
Schuldigen sucht. Einmal an die Regierung gekommen, verschleudert der
Populist im besten Fall Geld, Talent und Zeit, im schlimmsten Fall wirkt er
als Steigbügelhalter für Autokraten und Faschisten der härteren Sorte.
Und dieser Populismus versteht das Volk durchaus „völkisch“, also nicht im
Sinn der „Leute“, der Menschen, der Gesellschaft, sondern im Sinne einer
nationalen, rassistischen und ideologischen Einheit. Und dieser Populismus
will nicht die Demokratie korrigieren, sondern sie abschaffen.
## Hinwendung zu einem faschistischen Begriff von Volk
Der Populismus unserer Tage setzt also ein neues politisches Subjekt
absolut, das er „Volk“ nennt; es unterscheidet sich in einer Vielzahl von
Eigenschaften von dem, was man als „Bevölkerung“ oder „Bürgerinnen und
Bürger“ oder, schlimmstenfalls, „Wähler“ in der Demokratie bezeichnet.
Einige dieser Eigenschaften liegen auf der Hand, weil sie programmatisch
und militant vertreten werden: die Hinwendung zu einem faschistischen
Begriff von Volk.
Das Volk als mehr oder weniger imaginäres Subjekt hat immer recht, denn
sein Recht (anders als das einer mündigen Staatsbürgerin, eines Citoyen)
ist nicht erworben, sondern „natürlich“. Mit einem solchen politischen
Subjekt ist Demokratie nicht zu machen, und jede und jeder, die damit zu
tun haben, wissen es, und wer es nicht weiß und, nur zum Beispiel, die AfD
als „bürgerlich“ bezeichnet, der will es nicht wissen oder kann es nicht
wissen.
Dieses neue politische Subjekt definiert sich als Gegensatz zum alten,
demokratischen Subjekt, dem man das „Elitäre“, das „Systemhafte“ und d…
„Verräterische“ anhaftet. Es will seinen Willen spüren, und mit seinen
Führerinnen und Führern hat es nicht die Beziehung einer Delegation, die
durch beständige Kontrolle, durch Transparenz und Kritik gegen Missbrauch
gesichert sein soll, sondern es hat die Beziehung einer Verschmelzung.
Immer geht es darum, dass da „einer von uns“ vorn steht, keiner, mit dem es
zu debattieren gälte, sondern einer, „der uns versteht“, der [2][oder die
„unsere Sprache spricht“].
## Krieg? Ach nö, lieber doch nicht
Daher werden im Populismus auch keine Einzelheiten verhandelt; das Volk
versteht sich keineswegs wie eine demokratische Öffentlichkeit als eine
kritisch begleitende, eine immer „mitredende“ Instanz, sondern als eine
Kraft, deren Willen nur erfüllt werden kann oder nicht. Eines der
drastischsten Beispiele ist der Brexit, ein populistischer Schlag par
excellence, da das Volk ja keine Chance zur Mitgestaltung, nicht einmal
wirklich zur Debatte hatte, sondern nur auf eine Ja-Nein-Entscheidung
gedrängt wurde.
Eine solche Ja-Nein-Entscheidung, die weder die durchaus demokratische
Kunst des Kompromisses noch eine Überlegung zu Zeiträumen und Umständen
kennt, wirkt wiederum als eine Maschine zur Produktion von Volk als jenem
neuen politischen Subjekt, das einer neuen Form des Politikers und der
Politikerin zur Macht verhilft.
Dieses Volk nämlich wird im Populismus zwar symbolhaft erhöht, real aber
fundamental entmachtet. Man nennt diesen Prozess wohl Selbstverstärkung. Am
Ende ist die superpopulistische Frage nur noch: „Wollt ihr den totalen
Krieg?“ und wir können uns nur schwer vorstellen, dass im Chor der
Antworten Stimmen wie diese zu hören sind wie „Ach nö, lieber doch nicht“,
„Was heißt hier total?“ oder „Lass uns doch erst mal in Ruhe darüber
nachdenken“. Die Fragen des Populisten an „sein“ Volk sind immer auch sch…
Antworten. Und die Antwort lautet immer: Gewalt.
## „Freiheit statt Sozialismus“
Die Einlagerungen des Populismus in der westlichen Demokratie sind
unausweichlich. Sie beginnen mit den rhetorischen Vereinfachungen
(„Freiheit statt Sozialismus“) und setzen sich in den öffentlichen
Inszenierungen der politischen Charaktere, in der Verwandlung
demokratischer Prozesse in Medienshows und nicht zuletzt in
Ad-hoc-Aktivierungen dieses (zuzeiten) schlummernden politischen Subjekts
namens Volk fort.
Ein Symptom der „Postdemokratie“ ist der Typus des Politikers, der meint,
sich in beiden Sphären bewegen zu können: mal demokratisch, wenn man
Untätigkeit verschleiern will, mal populistisch, wenn es etwas gegen
humanistische und demokratische Standards durchzusetzen gilt. Wer
Sündenböcke liefert, statt Probleme zu lösen, der ist ein Populist im
schlimmsten Sinn, wer gemeinsame Lösung von Problemen sucht, wenn es sein
muss, auch ohne Regierung, ohne Autorität und ohne Gesetz, der wäre ein
Populist im besten Sinn. Nur müssen wir ihr oder ihm einen neuen Namen
geben.
22 Sep 2019
## LINKS
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[2] /Debatte-Rhetorik-der-Rechten/!5504353
## AUTOREN
Georg Seeßlen
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Schwerpunkt AfD
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